Die Schnelltestung samt Tracing-Start und Bescheidausgabe wurden am Wochenende in Wien erprobt.

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Seit Wochen steht Wien im Mittelpunkt der Kritik, was das Management der Corona-Bekämpfung betrifft. Berichte von mangelhafter Kontaktpersonennachverfolgung häufen sich ebenso wie jene von tagelangen Wartezeiten auf Testergebnisse. Am Samstag wurde schließlich ein Allzeithoch an Neuinfektionen vermeldet: Mit 474 Fällen war der höchste innerhalb von 24 Stunden gemessene Wert zu verzeichnen. Tags darauf, am Sonntag, war er mit 249 Neuinfektionen wieder deutlich geringer.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der sich in der Vergangenheit mit Kritik an der Stadt eigentlich zurückhielt, forderte Wien explizit auf, die Zahlen in den Griff zu bekommen und sich an die Vorgaben des Bundes zu halten, was die Zeitdauer für Testungen (48 Stunden) und Kontaktpersonenmanagement (24 Stunden) betrifft.

Kürzere Wartezeiten

Was die Testungen angeht, könnte Wien künftig neben dem Einsatz von Fahrradkurieren, die den Gurgeltest vorbeibringen, auch verstärkt auf Schnelltests setzen: Diese befinden sich nicht nur bei den beiden Teststraßen im Probelauf: Am Samstag war zudem ein Bus in Favoriten unterwegs, bei dem sich Personen testen lassen konnten, die sich als Kontaktpersonen in Quarantäne befinden und länger auf eine vorgeschriebene Testung warten, wie DER STANDARD erfuhr.

101 Personen mit leichten Symptomen seien so getestet worden, bestätigt das Büro von Stadtrat Peter Hacker (SPÖ). Das Ergebnis liegt bei solchen Tests in der Regel in wenigen Minuten vor. Im Endausbau könnte dieses Projekt zu einem One-Stop-Shop werden, sagt ein Sprecher von Hacker: Das Contact-Tracing solle direkt vor Ort erfolgen, ebenso die Ausstellung eines etwaigen Quarantäne- oder Entlassungsbescheids. Das war auch am Wochenende bereits der Fall, entsprechendes Verwaltungspersonal war vor Ort. "Alle, die dort waren, sind als erledigter Fall gegangen", heißt es aus Hackers Büro. So sollen die Wartezeiten verkürzt werden.

Werden weiter erprobt

Infrage kommen diese Tests aufgrund der ansonsten geringeren Verlässlichkeit allerdings nur für Personen, die erst seit einigen Tagen Symptome zeigen, hieß es. Die Erfahrungswerte seien bisher gut, um das Programm größer auszurollen, müsse man die Zuverlässigkeit der Tests jedoch noch weiter überprüfen. Man habe aber jedenfalls schon eine "größere Menge" an Antigentests gekauft, derzeit würden sie erprobt. Sie könnten also auch als Maßnahme dienen, um Rückstaus abzuarbeiten.

"Wir wissen, dass wir schneller werden müssen", sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Sonntag auch in der ORF-"Pressestunde" und verwies auf die jüngste Mitarbeiteraufstockung bei der Rettung und im Bereich des Contact-Tracings.

51 Prozent der Fälle lassen sich in Wien derzeit bekannten Quellen zuordnen, bundesweit sind es 59 Prozent. Erst wenn diese Rate über einen längeren Zeitraum unter 50 Prozent liege, bekomme man ein Problem, heißt es seitens der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages). Der Reproduktionsfaktor für Wien liegt bei 1 und bundesweit bei 0,99. Die größten drei Cluster bilden die Bereiche Familie, Freunde und Freizeit sowie Betriebe, war vom Wiener Krisenstab zu erfahren.

Zugleich verteidigte Ludwig die im Vergleich zu den Bundesvorgaben strengere Vorgehensweise in Schulen: Immerhin verlange der Bund ja immer wieder schärfere Maßnahmen von der Bundeshauptstadt: "Für uns ist die Gesundheit im Vordergrund. Wir wissen, dass das für die Eltern eine Herausforderung ist, aber wir versuchen, so schnell wie möglich bei den Schulen tätig zu werden", verwies er auf die gemeinsam mit dem Bildungsministerium eingeführten mobilen Testteams für diesen Bereich.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hat indes angekündigt, das in Wien gestartete Pilotprojekt zur Corona-Schnelltestung in Schulen rasch auf andere Bundesländer ausdehnen zu wollen. Er sei mit weiteren Ländern im Gespräch, etwa Tirol, Niederösterreich und der Steiermark. Zudem sollen innerhalb der nächsten drei Wochen einheitliche Regelungen vorliegen, was den Umgang mit Verdachtsfällen an Schulen betrifft, hieß es.

Bedingte Aussagekraft von Höchstwerten

Auch bundesweit war am Samstag mit 1.058 Neuinfektionen ein Beinahe-Rekord zu vermelden. Besonders hohe Werte meldeten auch Niederösterreich, Tirol und Oberösterreich. Der bundesweite Wert pendelte sich am Sonntag jedoch mit 714 ebenso wieder auf die allgemein stabilisierte Lage der vergangenen Wochen ein.

Dessen ist man sich auch im Gesundheitsministerium bewusst: Man müsse noch abwarten, ob es sich um einen statistischen Ausreißer handelte, hieß es. Tageshöchstwerte allein lassen keine allgemeinen Schlüsse dahingehend zu, ob sich ein allgemeiner Trend bemerkbar macht: Die Ages warnt davor, mit der Betrachtung von einzelnen Tageswerten den Blick zu verengen, denn diese seien eben nur bedingt aussagekräftig. (Vanessa Gaigg, 4.10.2020)