Vier Jahre sind in der Tech-Welt eine ziemlich lange Zeit. Umso verblüffender, dass Google seinen allerersten smarten Lautsprecher, den Google Home, bis dato unverändert weiterverkauft hat. Nun folgt aber die Ablöse: Mit dem Nest Audio wurde ein Nachfolger vorgestellt, der zum gleichen Preis in jeglicher Hinsicht deutliche Verbesserungen verspricht. Ob er dieses Versprechen auch einhalten kann, soll im folgenden Test geklärt werden.

Komplett neues Aussehen.

Eines kann man dem Nest Audio schon einmal nicht unterstellen: dass er sonderliche Ähnlichkeiten zum Google Home aufweist. Statt des gerne mit einem Luftbefeuchter verglichenen Designs des Vorgängers präsentiert sich der Nest Audio äußerlich wie ein recht konventioneller Lautsprecher. Die Größe bewegt sich hingegen mit 17,5 x 12,4 x 7,8 Zentimeter in ähnlichen Dimensionen. Als Hülle verwendet Google ein Gewebe, das aus zu 70 Prozent recyceltem Kunststoff besteht, wie das Unternehmen nicht müde wird zu betonen.

Googles Nest Audio gibt sich unauffällig.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Auch wenn der Lautsprecher auf einigen Bildern so aussehen mag, mobil ist er nicht, er braucht also eine fixe Stromversorgung. An Farbvarianten sind in Österreich lediglich eine graue und eine schwarze verfügbar, die etwas bunteren Ausführungen in Rot, Grün und Blau sind anderen Ländern vorbehalten.

Steuerung

Sichtbare Knöpfe gibt es nicht, das heißt aber nicht, dass sie nicht da wären, sie sind nur gut versteckt. Über drei Buttons an der Oberseite können die wichtigsten Aufgaben erledigt werden. Über eine Berührung links oder rechts kann die Lautstärke angepasst werden, in der Mitte gibt es einen Play/Pause-Knopf. Aber natürlich ist all das nur ein nettes Extra, ist der Nest Audio doch ganz auf Sprachsteuerung ausgelegt. Dafür sind drei Mikrofone eingebaut, während der Konversation wird die Wiedergabe automatisch in der Lautstärke reduziert. In Summe funktioniert die Spracherkennung von Google mittlerweile wirklich sehr gut – auch wenn das wie immer stark von Umgebungsgeräuschen abhängt. Der Google Assistant tut zwar sein Bestes, diese Störungen auszufiltern, trotzdem muss man schon einmal sehr betont sprechen, damit das Hotword "Hey Google", mit dem sämtliche Befehle eingeleitet werden, erkannt wird. Ein kleiner Tipp für alle, die solche Probleme haben: Die Sensibilität der "Hey Google"-Erkennung kann in den Einstellung der Google-Home-App gezielt angepasst werden. Das hilft umgekehrt auch, wenn der Lautsprecher zu oft unaufgefordert aktiv wird.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es an der Vorderseite vier Lichter gibt, die aufleuchten, wenn der Lautsprecher gerade zuhört. Zudem ist auf der Rückseite ein Schalter zu finden, der die Mikrofone physisch deaktiviert. Ist dies der Fall, leuchten die vier Lichter dann orange auf. Alternativ können Inhalte aber auch via Google Cast oder über eine direkte Bluetooth-Verbindung an den Lautsprecher geschickt werden. Was man hingegen vergeblich sucht, ist ein Miniklinkenanschluss. In dieser Hinsicht hat Konkurrent Amazon bei seinem Echo die Nase vorne.

Großes Upgrade bei den Lautsprechern

Doch die Änderungen sind nicht nur oberflächlich: Im Inneren arbeiten nun zwei Lautsprecher, ein 75-Millimeter-Woofer für den Bass sowie ein 19-Millimeter-Tweeter, der von Google selbst designt wurde. Überhaupt sei viel Entwicklungs- und Testzeit in den Nest Audio geflossen, um den optimalen Klang zu finden, verspricht das Unternehmen. Das betrifft allerdings nicht nur das Hardwaredesign, sondern auch die Softwareentwicklung – kann der Nest Audio doch mit einigen automatischen Anpassungen des Klangerlebnisses aufwarten.

An der Rückseite ist ein Schalter, der die Mikrofone physisch vom Strom trennt.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Da wäre zunächst die "Bass Extension", die dafür sorgt, dass der Bass bei niedrigen Lautstärken verstärkt wird. "Ambient IQ" nennt sich wiederum ein Feature, dass die Assistant-Wiedergabe an die Umgebung anpasst, und "Media EQ" optimiert die Ausgabe anhand des abgespielten Inhalts. So bekommt Musik mehr Bass, während bei Sprache – also etwa einem Podcast – die Höhen betont werden.

Klingt gut

Wie gut jede einzelne dieser Maßnahmen greift, lässt sich natürlich schwer sagen, in Summe scheint das Unterfangen aber geglückt: Der Nest Audio bietet tatsächlich einen für einen Lautsprecher dieser Größe sehr guten Klang mit einer schönen Balance zwischen Höhen, Mitten und Tiefen. Der direkte Vergleich zum ersten Google Home fällt geradezu brutal aus, so viel besser klingt der Nest Audio. Google spricht dabei von einer um 75 Prozent höheren Lautstärke (86 dB) sowie einem um 50 Prozent kräftigeren Bass (77 dB). Letzteres wird nicht zuletzt dadurch möglich, dass der neue Lautsprecher mit 1.200 Gramm mehr als doppelt so schwer wie sein Vorgänger ist.

Klar ist damit jedenfalls: Mit dem besseren Klang gelingt es dem Nest Audio, seine Existenz in der Produktpalette von Google zu rechtfertigen. Etwas, das der Google Home im Vergleich zum neueren Nest Mini zuletzt nicht mehr vermochte.

Kombinationsmöglichkeiten

Wem ein Exemplar nicht reicht, der kann zwei Nest Audio zu einem Stereo-Verbund kombinieren. Zudem kann der smarte Lautsprecher in Gruppen mit anderen Geräten seiner Art organisiert werden, etwa um die Musikwiedergabe auf das gesamte Haus auszudehnen. Eingerichtet wird all das über die erwähnte Google-Home-App. Diese könnte angesichts der stetig wachsenden Funktionalität zwar wieder einmal eine gröbere Aufräumaktion vertragen – vor allem all die Einstellungen sind kaum mehr durchschaubar –, das Setup neuer Geräte ist aber wirklich hervorragend umgesetzt. Es funktioniert einfach, schnell und zuverlässig.

Noch ein paar Worte zur Hardwareausstattung: Die Datenverbindung erfolgt via WLAN, dabei wird WLAN5 (802.11ac) unterstützt. Der Umfang des Bluetooth-Supports ist mit Version 5.0 angegeben, im Inneren arbeitet ein nicht näher definierter ARM-Prozessor. Google umschreibt diesen nur mit dem Hinweis, dass es sich um einen Chip mit vier A53-Kernen handelt, die bis zu 1,8 GHz getaktet werden.

Ein Blick in die Zukunft

Eine der besten Neuerungen in Hinblick auf die Sprachsteuerung ist leider derzeit den USA vorbehalten: Google liefert den smarten Lautsprecher mit einem eigenen Chip für Maschinenlernaufgaben aus. Dieser ermöglicht die Spracherkennung direkt am Gerät, was erhebliche Performance-Vorteile bringt, da die Netzwerkkommunikation mit der Cloud entfällt. Google verspricht zwar, dass dieses Feature bald auf andere Sprachen und Regionen ausgedehnt werden soll, Ähnliches war aber schon im Vorjahr bei der Vorstellung des Nest Mini zu hören, der ebenfalls einen solchen Chip enthält.

Ähnliche Größe, riesiger Unterschied beim Klang: der Nest Audio neben dem originalen Google Home.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Trotzdem ist das ein wichtiger Fortschritt, und zwar auch mit dem Blick auf die weitere Zukunft. Arbeiten doch Amazon, Apple, Google und die Zigbee-Allianz unter dem Namen Project Connected Home over IP (CHIP) an einem gemeinsame Standard für die Steuerung von smarten Geräten. Und zwar auch mit dem Ziel, dass das künftig alles vollständig ohne Internetanbindung funktionieren soll. Mit dieser Kooperation begründet Google übrigens auch, warum der Nest Audio im Gegensatz zu einigen Echo-Geräten von Amazon keinen Support für den traditionellen Smart-Home-Standard Zigbee bietet. Trotzdem: Für jene, die bereits ihr digitales Zuhause rund um Zigbee aufgebaut haben, kann der Echo erneut einen Punkt für sich verbuchen.

Das "Hirn" des Nest Audio bildet wie gewohnt der Google Assistant, der für allerlei Aufgaben zur Verfügung steht. Das reicht von Kernaufgaben wie der Wiedergabe von Musik und Podcasts bis eben zur Steuerung von smarten Lampen oder auch dem Setzen von Timern und der Internettelefonie über Google Duo. Die Schar der unterstützten Smart-Home-Geräte ist dabei groß. Auch in Hinblick auf Streamingdienste gibt es eine breite Auswahl von Spotify bis zu Googles eigenem Youtube Music.

Amazon

Der Vergleich zu den Echo-Geräten von Amazon fällt weitgehend unentschieden aus. Beide Systeme haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile. So ist der Google Assistant üblicherweise bei Wissensfragen besser, während Alexa etwas bei der Einbindung von Drittservices die Nase eine Spur vorne hat. Auch in Hinblick auf die Funktionalität kann sich kein System wirklich abheben, da eifrig voneinander kopiert wird. Einmal haben die Echos ein neues Feature früher, dann ist es wieder umgekehrt. Und diese Reihung ändert sich dank laufender Softwareupdates auch regelmäßig. Im Endeffekt ist es primär eine Frage der eigenen Vorlieben, ob man sich lieber im Amazon- oder im Google-Universum verankert – oder bereits ist.

Was die Klangqualität anbelangt, lässt sich derzeit kein direkter Vergleich zwischen Nest Audio und dem aktuellen Amazon Echo ziehen – einfach weil der zweite noch gar nicht erhältlich ist. Die Hardwarespezifikationen lesen sich jedenfalls recht ähnlich. Der Echo hat zwar einen Tweeter mehr, dafür ist der Nest Audio schwerer und bietet somit mehr Wucht für den Bass. Aber, wie gesagt: Das ist eine Einschätzung, ohne den neuen Echo je gehört zu haben, also mit viel Vorsicht zu genießen. Klar ist jedenfalls, dass die kontinuierliche Verbesserung der Klangqualität bei Google und Amazon vor allem für alteingesessene Konkurrenten wie Sonos ein Problem ist. Immerhin sind die Echos und Nest-Lautsprecher üblicherweise deutlich kostengünstiger.

So sieht der Nest Audio von innen aus.
Foto: Google

Privatsphäre

Wer sich einen smarten Lautsprecher zulegt, dem muss aber natürlich auch noch etwas anderes bewusst sein: dass man sich damit ein Gerät ins Haus stellt, das laufend auf Sprachbefehle horcht, die dann – zumindest derzeit noch – in die Cloud hochgeladen und dort ausgewertet werden. Google betont gerne, dass all dies erst passiert, wenn das Hotword "Hey Google" erkannt wird, worauf Kritiker wiederum auf dokumentierte Vorfälle von Fehlerkennungen verweisen. Zumindest hat Google vor einigen Monaten in dieser Hinsicht eine wichtige Änderung vorgenommen: Von Haus aus werden diese Aufnahmen nicht mehr dauerhaft gespeichert, sondern umgehend verworfen. Und auch für die Textversion davon kann man einen Ablauf definieren oder via Sprachbefehl die diesbezüglichen Einträge der vergangenen Tage oder Wochen löschen. Trotzdem bleibt eine simple Realität: Wem all das Unbehagen bereitet, der sollte sich schlicht keinen smarten Lautsprecher zulegen – egal von welchem Hersteller.

Verfügbarkeit

Der Nest Audio ist ab 15. Oktober in Österreich erhältlich, der Preis liegt bei 99 Euro. Eine Vorbestellung ist bereits möglich.

Fazit

Mit dem Nest Audio liefert Google eine solide Erweiterung für seine Palette an smarten Lautsprechern, die vor allem mit der guten Klangqualität zu einem anständigen Preis gefällt. Wer also gerne Musik hört, aber nicht gerade mehrere hunderte Euro ausgeben will, dem steht hiermit eine sehr gute Option zur Verfügung. Gleichzeitig tut Google mit dem Nest Audio aber auch nichts, um diese Gerätekategorie voranzutreiben, funktionell unterscheidet sich das neue Gerät nicht vom Nest Mini des Vorjahrs. Das bedeutet auch, dass das kleinere – und deutlich günstigere – Modell für viele, die nur mal in das Thema smarte Lautsprecher hineinschnuppern, die bessere Wahl bleibt. Und wem es vor allem um die Steuerung des smarten Zuhauses geht, der sollte einen Blick auf den Nest Hub werfen, da das Display in dieser Hinsicht zusätzliche Möglichkeiten eröffnet. (Andreas Proschofsky, 5.10.2020)