Sie sitzt konzentriert an ihrer Werkbank und tropft mit einer Pipette Flüssigkeit in Reagenzgläser. Es handelt sich freilich um keine herkömmliche Werkbank. Da hängt kein Hammer, kein Schraubenzieher, keine Sägespäne fallen auf den Boden. Mensch und Materie sind durch eine dringend notwendige Glasscheibe getrennt. Katharina K. macht Corona-Tests, genauer gesagt PCR-Tests.

Die Zeit drängt, auf nichts wird aktuell sehnlicher gewartet als auf ein Corona-Ergebnis. K. arbeitet als biomedizinische Analytikerin im Mikrobiologielabor im Wiener Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern. "Wir kommen kaum nach, unser Rekord waren 850 Tests an einem Tag. Im Schnitt sind es 500, auch damit sind wir voll ausgelastet", sagt die stellvertretende Laborleiterin. Eine neue Mitarbeiterin sei ausschließlich für PCR-Tests zuständig, und sie hänge oft bis 22 Uhr im Labor fest.

Das Testen-Testen-Testen-Credo ließ die Auslastung in den Laboren explodieren. Rund 1,4 Millionen Tests wurden hierzulande gemacht, bis Jahresende soll die Zahl auf vier Millionen steigen.

Die extrem hohe Nachfrage nach PCR-Tests führt in den Laboren auch zu sehr hohem administrativem Aufwand.
Foto: AFP/INDRANIL MUKHERJEE

Einbruch und Personalengpass

Die Firma Labcon ist Krankenhausversorger und auf diesen Ansturm angewiesen. Sie betreibt das Labor bei den Barmherzigen Schwestern und den sechs anderen Spitälern der Vinzenz-Gruppe. "Nach und während des Lockdowns brach der Umsatz massiv ein, das gleichen wir jetzt mit den Covid-Tests wieder aus", sagt Labcon-Geschäftsführer Martin Laber zum STANDARD.

Heuer jedenfalls werden den Laboren nie da gewesene Summen erstattet. Zu Beginn der Krise beliefen sich die Testkosten auf 90 bis 190 Euro. Zwar gibt es keine offizielle Kostenaufschlüsselung, überschlagsmäßig lässt sich aber ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag errechnen, zusätzlich zu dem, was Labore sonst von den Krankenkassen erstattet bekommen.

Ein Vergleich: Vergangenes Jahr erhielten alle Labore von den Krankenkassen 181 Millionen Euro, wie das Wirtschaftsmagazin Trend kürzlich berichtete. Es laufen jedoch nicht alle Umsätze direkt über die Labore, da einige im Krankenhausbereich anfallen und diese eigens über die Bundesländer abgerechnet werden.

"Es gibt einen Wildwuchs an Corona-Tests. Irgendjemand testet immer, aber meist ohne Strategie."

Zwischen 50 und 85 Euro

Aktuell belaufen sich die öffentlichen Corona-Test-Kosten auf 50 bis 85 Euro pro Test, privat liegt man im Schnitt bei 112 Euro (Stand 30. September). Das hat die Ökonomin Maria Hofmarcher errechnet. Anhand dieser Kosten kritisiert sie die österreichische Planlosigkeit: "In Deutschland sind öffentliche Erstattungen für Tests reguliert und kosten 39 Euro. Dennoch wird dort mehr getestet als bei uns", sagt Hofmarcher.

Darin spiegle sich wider, dass die Teststrategie in Österreich weit weniger ausgeklügelt sei als in Deutschland. "Es gibt einen Wildwuchs an Tests. Im Tourismus, in den Schulen – irgendwer testet immer. Es fehlt aber die übergeordnete Strategie." Weitere Wissenschafter, die namentlich nicht genannt werden möchten, haben gegenüber dem STANDARD ihre Bedenken geäußert, dass der Preis für die Tests überzogen sei.

Angenehm ist der Abstrich für einen PCR-Test nicht, wird er aber nicht ordentlich durchgeführt, ist das Ergebnis nicht aussagekräftig.
Foto: Christophe ARCHAMBAULT / AFP

Der Kostenunterschied zu Deutschland dürfte bis Jahresende bestehen bleiben. Der Kostenunterschied zu Deutschland dürfte bis Jahresende bestehen bleiben. Einer Simulation von Hofmarcher zufolge hat Österreich bis jetzt zwischen 71 und 121 Millionen Euro für Tests ausgegeben, Das entspricht hierzulande pro Kopf acht bis 13,6 Euro. In Deutschland sind es 6,6 Euro.

Bis zum Jahresende könnten sich die Testkosten auf 155 Millionen Euro bis 264 Millionen Euro erhöhen, gegeben die Preise bleiben gleich hoch. Die mangelnde Organisation der Tests könnte großen Laborbetreibern in die Hände spielen. Die kleinen haben immer öfter das Nachsehen und leiden auch unter dem Kostendruck der großen.

Unsicherheitsfaktor Testkosten

Mitte Mai wurden im Krisenbewältigungsfonds 200 Millionen Euro zu Testzwecken veranschlagt. Im Bericht des Budgetdienstes von Mitte August ist dieser Posten nicht mehr zu finden, auch geplante Testkosten sind keine mehr angeführt. Berichtet wird nur noch über die ein- und ausbezahlten Beträge – 24 bzw. 15,6 Millionen Euro. Lediglich eine Fußnote lässt einen Kostenanstieg vermuten. "Die Planwerte für die zu erwartenden Kosten sind unbekannt, diese dürften aber beträchtlich sein", heißt es da.

Ob die anberaumten 200 Millionen Euro ausreichen oder nicht, hat für die biomedizinischen Analytiker bei den Barmherzigen Schwestern vorerst Nachrang. Sie müssen das Testaufkommen bewältigen und haben gelernt, sich mit der Situation zu arrangieren. Die Lösung lautet "Testen in Pools".

Mehrere Proben werden zusammengemischt und getestet, taucht darin kein Virus auf, sind alle Befunde negativ. Falls doch, werden alle Proben noch einmal einzeln analysiert. Anders würde es nicht gehen, meint K. Für den Zeitdruck hat sie zwar Verständnis, kann es aber auch nicht ändern. "Ein PCR- ist nun mal kein Schwangerschaftstest, wenn der genau sein soll, dauert das eben." (Andreas Danzer, 6.10.2020)