Das Coronavirus ist in der Regierung angekommen: ein Bild aus dem Ministerrat, zu dem das Contact-Tracing führt.

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Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Kogler wollen nun isoliert arbeiten.

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Wien – Es war eine lange, bange Nacht für die türkis-grüne Regierung und ihre Stäbe – im Kanzleramt wie in ihren jeweiligen Homeoffices. Denn am Montag gegen Mitternacht erwartete man die Corona-Testergebnisse, nachdem am Nachmittag bekanntgeworden war, dass sich ein enger Mitarbeiter von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit dem Virus infiziert hat. Ab da hieß es: Testen, testen, testen – und die Kabinette von Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) begaben sich selbst in Isolation.

Erst gegen halb zwei Uhr in der Früh konnte dann offiziell eine halbe Entwarnung gegeben werden: Die Testprozedur hatte sich doch etwas länger hingezogen als erwartet, via Austria Presseagentur gab das Kabinett von Kurz bekannt: In der Regierung selbst waren alle getesteten Mitglieder negativ – doch auch ein Mitarbeiter von Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) hat sich infiziert.

Dienstagvormittag begab sich dann auch Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) in freiwillige Selbstisolation. Sie hatte Kontakt zu einer potenziell coronainfizierten Person, wie ihr Büro mitteilte. Die Ministerin arbeitet im Homeoffice und nimmt vorerst keine Termine wahr.

Der Ministerrat am Mittwoch findet – wie zur Zeit des Lockdowns – jedenfalls nur virtuell statt – also per Videokonferenz, wie der STANDARD aus Regierungskreisen erfuhr. Die Konditionen rund um das anschließende Pressefoyer werden im Laufe des Tages bekanntgeben.

Denn bis jetzt ist die Bundesregierung schon ein paar Mal mit dem Schrecken davongekommen: Bereits mehrmals hat es Befürchtungen gegeben, Minister könnten sich mit dem Coronavirus angesteckt haben. Betroffen waren zum Beispiel die Kabinette von Außenminister Alexander Schallenberg und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP), bis auf die höchste Regierungsebene drang das Virus jedoch nicht vor.

Ab Montag hieß es dann wieder zittern: Ein hochrangiger Mitarbeiter von Kanzler Kurz wurde positiv getestet. Der Kanzlervertraute habe sich am Wochenende grippig gefühlt und am Sonntag Fieber bekommen, daraufhin wurde er getestet, hieß es aus dem Kanzleramt. Kurz geht am Dienstag wieder im Kanzleramt seiner Arbeit nach. Termine will er aber – wie in einer solchen Situation vorgesehen – vor allem per Telefon und Video wahrnehmen.

In einem Raum mit Ministern

Unmittelbar nach dem positiven Ergebnis des Kurz-Mitarbeiters hatte das Contact-Tracing begonnen, das bis zum Ministerrat führte: Dort war der Mitarbeiter vergangenen Mittwoch anwesend, also in einem Raum mit fast allen Ministern. Nur Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und Umweltministerin Gewessler waren damals verhindert.

Kurz und Kogler setzten auch als einzige Regierungsmitglieder sämtliche Termine aus. Sie standen in engerem Kontakt mit dem infizierten Mitarbeiter, dessen Name dem STANDARD aus Contact-Tracing-Gründen bekanntgegeben wurde – ansonsten setzt man im Kanzleramt hier freilich auf absolute Diskretion (siehe Infobox unten). Der Mitarbeiter war auch beim Pressefoyer nach dem Ministerrat dabei, anwesende Journalisten und Fotografen können sich testen lassen und wurden kontaktiert.

Blümel negativ getestet

Aus dem Finanzressort war schon am Montag zu hören, dass Minister Gernot Blümel (ÖVP) Montagfrüh negativ getestet wurde. Dennoch sagte er am Abend alle Wahlkampftermine ab, mit Dienstag nimmt er aber wieder seinen Termine wahr.

Corona-Infektionen haben in den vergangenen Tagen immer mehr Politiker erreicht. Im ÖVP-Parlamentsklub gibt es den mittlerweile vierten Corona-Fall: Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager ist an Covid-19 erkrankt. In den vergangenen Monaten waren bereits die türkisen Abgeordneten Johann Singer, Maria Großbauer und Martin Engelberg positiv getestet worden. Bei den Neos ist Budgetsprecherin Karin Doppelbauer positiv getestet worden.

EU-Kommissionspräsidentin in Quarantäne

Am Montag musste sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Quarantäne begeben. Sie habe bereits am vergangenen Dienstag Kontakt mit einer später positiv getesteten Person gehabt, heißt es aus der Kommission. Von der Leyen sei am Donnerstag mit negativem Ergebnis getestet worden, habe sich aber am Montag erneut testen lassen. Von der Leyen hatte am Donnerstag und Freitag am Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU teilgenommen. Dort war auch Kanzler Kurz dabei gewesen.

Infektionszahlen gestiegen

Österreichweit geht die Kurve der Infizierten weiter hinauf: Am Montag waren 9.020 Personen aktiv mit Sars-CoV-2 infiziert – ein Plus von fünf Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Noch deutlicher ist die Zunahme bei den Intensivpatienten – ihre Zahl stieg von 88 am vergangenen Montag auf 101 an diesem Montag, was eine Zunahme um knapp 15 Prozent bedeutet. Der bisherige Höchstwert von 267 Intensivpatienten vom 8. April ist damit zwar noch nicht erreicht, allerdings befand sich Österreich damals im Lockdown und Krankenhäuser im Vollbetrieb – im Gegensatz zum jetzigen Routinebetrieb.

Die meisten Neuinfektionen gab es mit 315 in Wien. In Oberösterreich und Tirol wurden jeweils 106 neue Fälle gemeldet, in Niederösterreich 97 und in Vorarlberg 50. 32 Neuinfektionen kamen in der Steiermark hinzu, in Salzburg 23, am wenigsten waren es in Kärnten mit zwölf und im Burgenland mit neun.

Keine Maskenpflicht im Freien

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht keinen Grund für eine Maskenpflicht im Freien, wie sie in Italien geplant wird. Und obwohl die Zahlen steigen, zeigten die vor knapp drei Wochen umgesetzten Maßnahmen Wirkung, sagt der Gesundheitsminister. Derzeit liege der Schwerpunkt auf zusätzlichen regionalen Maßnahmen. Überall, wo ein höheres Risiko herrsche, werde spezifisch auf das Ausbreitungsgeschehen eingegangen. (Lara Hagen, Fabian Schmid, Florian Niederndorfer, Nina Weißensteiner, Jan Michael Marchart, 7.10.2020)