Am Tatort in der FPÖ-Zentrale Niederösterreich fanden die Ermittler DNA-Spuren. Diese passten aber nicht zum Verurteilten.

Foto: APA / HELMUT FOHRINGER

Eigentlich hätten neben Temor H. am Dienstag noch drei weitere Personen auf der Anklagebank im Landesgericht St. Pölten sitzen müssen. Vier vermummte Personen warfen im August des vergangenen Jahres die Scheiben der Landesgeschäftsstelle der niederösterreichischen FPÖ mit Steinen ein und setzten mit selbstgebauten Molotowcocktails nach, das ist auf einem Überwachungsvideo zu sehen. Allerdings konnten die Behörden nur H. ausfindig machen. Er ist vom Schöffensenat zu dreieinhalb Jahren Haft wegen versuchter Brandstiftung und wegen versuchter schwerer Körperverletzung sowie Verleumdung während der Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Martin Engelbrecht, zeigte sich über den Schuldspruch wegen der versuchten Brandstiftung verwundert. Die Anklage beruhe lediglich auf einer "Aneinanderkettung von Indizien", so Engelbrecht zum STANDARD. Es gebe keine Beweise dafür, dass sich sein Mandat zum Tatzeitpunkt in St. Pölten aufgehalten haben könnte. Weder Handydaten noch die 15 DNA-Spuren am Tatort belasten seinen Mandanten.

Festnahme nach Krankenhausbehandlung

Die Richter wurden aber von der "lebensnahen Erzählung" der Staatsanwältin überzeugt. Dass H. nicht glaubwürdig erklären konnte, woher die Wunde an seiner linken Schulter stammt, sei ihm schwer anzulasten, so die mündliche Begründung. Im Überwachungsvideo der FPÖ ist zu sehen, wie sich einer der Täter mit den selbstgebauten Brandgeschoßen am Arm verbrannt hat. H. wurde festgenommen, als er sich einen Tag später in einem Wiener Spital behandeln und die Krankenschwester auf Nachfrage wissen ließ, dass sie alles "am Video oder Überwachungskamera" sehen könne. Hier merkte Verteidiger Engelbrecht in seinem Abschlussplädoyer an, dass der behandelnde Arzt keine Textilrückstände in der Wunde finden konnte, obwohl auf dem Video ersichtlich war, dass die Jacke des Täters brannte.

Für H. war die Verhandlung offensichtlich alles andere als "lebensnah" – er plädierte auf nicht schuldig. H. kam als afghanischer Staatsbürger nach Österreich, sein Asylantrag wurde bereits negativ beschieden. Deutsch versteht der junge Erwachsene nur sehr schlecht. Dem Verfahren konnte er trotz Dolmetsch nur wenig folgen. Das zeigte sich daran, dass er sich mehrmals mit teils widersprüchlichen Aussagen selbst belastete. Für den Vorsitzenden Richter bestand H.s Alibi aus "unglaubwürdigen Schutzbehauptungen". Das Vorstrafenregister des zum Tatzeitpunkt 20-Jährigen und die Einschätzungen der Jugendgerichtshilfe deuten auf eine instabile psychische Verfassung, ein Drogen- und Alkoholproblem sowie ein fehlendes soziales Netz hin.

FPÖ will "Haft in Heimat"

Für die FPÖ ist das Urteil gefundenes Fressen: Udo Landbauer, Landes- und Klubobmann der niederösterreichischen FPÖ, forderte in einer Aussendung vom Dienstag die "Haft in der Heimat". Die Attacke im August des Vorjahres sei "Ausdruck politischen Hasses, roher Gewalt und das Ergebnis einer völlig verfehlten Willkommenspolitik" gewesen, so Landbauer.

Über ein mögliches Motiv wurde während der Verhandlung wenig gesprochen. Ein Schöffe fragte H., ob er wisse, was FPÖ bedeute. "Nein." – "Weiß der Angeklagte, was Freiheitliche Partei Österreich bedeutet?" – "Ja." – "Für was steht die Partei?" – "Sie ist gegen Flüchtlinge", sagte H. Das Schöffengericht entschied sich nach rund 45 Minuten Beratung für dreieinhalb Jahre Haft. Weiters wird eine zuvor bedingt verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten widerrufen. "Wir hoffen, dass diese Strafhaft verhaltenssteuernde Wirkung auf ihn auswirken wird können", fasste der vorsitzende Richter zusammen. Verteidiger Engelbrecht meldete sofort volle Berufung an. (Laurin Lorenz, 6.10.2020)