Start einer chinesischen Langer-Marsch-Rakete, die einen Erdbeobachtungssatelliten ins All transportiert: Mittlerweile mischen viele Player im Orbit mit.

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Das Universum – unendliche, leere Weiten. Daher ist es derzeit unwahrscheinlich, dass man im All anderen Verkehrsteilnehmern in den Weg gerät. Direkt über unserer Erdatmosphäre herrscht dagegen ein großes Gedrängel: Laut einer Schätzung der Wissenschaftsvereinigung Union of Concerned Scientists (UCS) umkreisten im April dieses Jahres 2666 Satelliten unseren Planeten – und da werden in Zukunft noch einige dazukommen. Unsere Technologien bauen schließlich mehr und mehr auf Satellitendaten auf, sodass diese interstellare Infrastruktur stetig und zügig ausgebaut wird.

Aber diese Netzwerke dienen nicht nur der Aufrechterhaltung der digitalen Kommunikation, sondern können auch Beiträge zur globalen Sicherheit leisten. Beispiele wurden dafür letzte Woche auf der Herbstkonferenz des Europäischen Instituts für Weltraumpolitik (ESPI) in Wien präsentiert.

Zu der Corona-bedingt online abgehalten und vom Klimaschutz- und Verkehrsministerium unterstützten Tagung waren zahlreiche Experten aus der ganzen Welt zugeschaltet und dachten gemeinsam darüber nach, wie sich internationale Sicherheitsaspekte durch Satellitentechnologie verbessern lassen.

Starlink und Space Force

Hatten sich im Kalten Krieg fast ausschließlich die USA und die Sowjetunion einen Wettlauf im All geliefert, sieht die Lage längst anders aus: China und die EU haben inzwischen ebenfalls eigene globale Navigationssysteme um die Erde herum installiert – "Beidou" sowie "Galileo". Dazu kommen Ergänzungssysteme etwa aus Indien und Japan.

Auch private Player brechen bekanntlich zu den Sternen auf: Elon Musks Unternehmen Space X hat heuer allein schon 60 Satelliten ins All geschossen – um das für die internationale Internetversorgung gedachte Netzwerk Starlink zu verstärken.

Auch militärstrategisch spielen solche Systeme eine Rolle: In modernen Kriegen sind Drohnenschläge und die Beobachtung von Truppenbewegungen via Satellit elementar. Dass Donald Trump die bisher der Luftwaffe zugeordneten militärischen Weltraummissionen unter dem Namen "Space Force" als eine neue, sechste Teilstreitkraft des US-Militärs organisierte, zeigt, wo die Reise womöglich hingeht.

Sorin Ducaru, Direktor des Satellitencenters der Europäischen Union, sieht das nicht so düster: "Es geht darum, dass politische Entscheidungsträger schnelle Informationen über Krisensituationen weltweit bekommen, um rasch reagieren zu können."

Er verweist dabei auf den Beitrag von Satellitentechnologien beim UN-Einsatz in Libyen, bei der Überwachung von Waffenembargos oder der OSCE-Beobachtungsmission in der Ukraine. Das EU-Satellitencenter sei zudem ein wichtiger Partner der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex: "Wir sind ihre Augen in der Luft."

Mit KI gegen Kokain

Großes Potenzial sieht Ducaru vor allem in der Verknüpfung von Satellitentechnologie und künstlicher Intelligenz: "Um effizient meilenweit Landschaften und Gewässer zu scannen, ist es ist wichtig, dass wir Algorithmen haben, die auf verdächtige Bewegungen aufmerksam machen, die unsere Analysten dann prüfen." In den derzeitigen Anwendungen liege die Fehlerquote bereits unter zehn Prozent.

Auf Satellitentechnologie wird auch im Kampf gegen die internationale Drogenkriminalität gesetzt, wie Anja Korenblik, Chefanalystin vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, berichtete: "Diese illegalen Aktivitäten geschehen oft im Verborgenen und in instabilen Regionen." Man habe zudem mithilfe von Satellitentechnologie ein Monitoringprogramm entwickelt, um insbesondere die Rohstoffproduktion für den internationalen Kokain- und Heroinmarkt im Auge zu behalten.

So späht die UN im Orbit derzeit Mohnernteflächen in Afghanistan, Myanmar und Mexiko sowie die Kokastrauchpflanzungen in Kolumbien, Bolivien und Peru aus. Inzwischen beschäftigt sich die Analyse aber nicht nur mit der Herstellung, sondern auch mit der Drogenlogistik. Andere ungesetzliche Unternehmungen geraten ebenfalls mithilfe von Satelliten zunehmend in den Blick der Vereinten Nationen – wie etwa illegaler Bergbau und unerlaubter Fischfang.

Auch Korenblik sieht Potenzial im Einsatz künstlicher Intelligenz beim Monitoring und erhofft sich dadurch größere Absicherung ihrer Mitarbeiter: Insbesondere die Abschätzung der Produktivität bei der Herstellung von illegalen Rauschmitteln lasse sich bisher meist erst durch die Analyse vor Ort ermitteln – eine Feldforschung, die lebensgefährlich sein kann. Einen Spitzel aus dem All erwischt ein Drogenboss dagegen nicht so leicht. (Johannes Lau, 11.10.2020)