Eine Zeitlang bleibt der Ton freundlich, doch irgendwann ist es damit vorbei. Bei "STANDARD mitreden" geht es diesmal um den Umgang mit Migranten bei der Wien-Wahl, um die Frage, ob es ein Wahlrecht für Zuwanderer braucht, und falls ja, ab wann. Zu verschieden sind die Positionen von SPÖ und FPÖ, und so kracht es dann. "Seit 15 Minuten höre ich mir jetzt schon Ihren Blödsinn an", sagt die SPÖ-Politikerin Mireille Ngosso zum Ex-FPÖ-Abgeordneten und "Zur Zeit"-Chefredakteur Wendelin Mölzer, als dieser sie unterbricht. "Jetzt können Sie mir auch mal zuhören."

Neben Mölzer und Ngosso ist der Politikwissenschafter Gerd Valchars zu Gast, der die Fakten zur Diskussion liefert. 480.000 Wiener über 16 Jahren sind derzeit nicht wahlberechtigt bei den Landtagswahlen in der Hauptstadt, weil sie nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben. "Das sind mehr Menschen, als in Graz und Salzburg zusammen leben", so Valchars. Er skizziert, wie es dazu kam: Die Einbürgerungsrate ist in Österreich enorm niedrig. Von 1000 Nichtstaatsbürgern werden im Jahr im Schnitt gerade sieben eingebürgert.

Aber was sind die Schlussfolgerungen? Ngosso spricht von einem "großen Problem", sagt, dass damit besonders jungen Menschen in Österreich vermittelt werde, dass ihre Meinungen und Ansichten niemanden interessieren. Eine große Schicht an Menschen werde nicht politisch vertreten, darunter seien viele Arbeiter, Putzfrauen, Menschen aus unteren Einkommensklassen.

Mölzer sieht Widersprüche

Mölzer kontert: Die Staatsbürgerschaft dürfe nicht verschenkt werden, wer sie haben will, müsse Integrationsbereitschaft nachweisen – oft gebe es genau hier Defizite. Wenn Ngosso sagt, dass viele Migranten zu wenig verdienen, um Staatsbürger werden zu können, kenne er sich gar nicht mehr aus. "Sonst heißt es doch immer, Migranten zahlen so viel ins System ein." Und: Wenn Nichtstaatsbürger wählen sollen, muss es darüber eine Volksabstimmung gebe.

Sehen Sie außerdem im Talk: Gerd Valchars argumentiert, dass sowohl das Wahlrecht von der Staatsbürgerschaft entkoppelt gehört als auch dass Einbürgerungen beschleunigt werden müssen. Ngosso kritisiert, dass die Wahlkämpfe in Österreich immer ausländerfeindlicher werden – warum, begründet sie im Video. Mölzer warnt, dass eine "Erdogan"-Partei bei einem ganz neuen Wahlrechtsregime Realität werden könnte. Was Valchars und Ngosso dazu sagen: Die Antworten gibt es im Talk. (Text: András Szigetvari, Video: Andreas Müller, 8.10.2020)