Die EU-Kommission unterstrich in ihrem Länderbericht die Reformbemühungen Nordmazedoniens.

Foto: EPA/NAKE BATEV

Am Dienstag hat die EU-Kommission mit ein paar Monaten Verzögerung die Länderberichte zu den Kandidatenstaaten und EU-Aspiranten in Südosteuropa vorgelegt. Im Fall von Montenegro, das bereits seit acht Jahren – ohne nennenswerte Fortschritte – mit der EU verhandelt, fordert die Kommission politischen Willen zur Entpolitisierung und Professionalisierung des öffentlichen Dienstes.

Montenegro sei nur "mäßig" darauf vorbereitet, die EU-Rechtsvorschriften umzusetzen. Wie in ganz Südosteuropa ist auch in Montenegro der Mangel an Rechtsstaatlichkeit das größte Problem. Die EU-Kommission spricht von "begrenzten Fortschritten". "Insbesondere hinsichtlich der Unabhängigkeit, Professionalität, Effizienz und Rechenschaftspflicht der Justiz bleiben Herausforderungen bestehen", heißt es.

Konkret wird etwa kritisiert, dass die Amtszeiten von sieben Gerichtspräsidenten ein drittes Mal verlängert wurden, obwohl dies nur zweimal zulässig ist. Gelobt werden neue Grundrechte, etwa die Einführung der eingetragenen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare. Dafür kritisiert die EU-Kommission die Einschränkungen der Medien- und Meinungsfreiheit scharf.

Keine tragfähige Opposition in Serbien

Im Fall von Serbien verweist die EU-Kommission darauf, dass es angesichts der überwältigenden Mehrheit der SNS an einer tragfähigen Opposition mangle. Zur öffentlichen Verwaltung heißt es: "Die mangelnde Transparenz und der Respekt vor dem leistungsorientierten Einstellungsverfahren für leitende Positionen im öffentlichen Dienst geben zunehmend Anlass zur Sorge." Und über den Justizbereich schreibt die EU-Kommission: "Der Spielraum für einen anhaltenden politischen Einfluss auf die Justiz nach geltendem Recht ist ein ernstes Problem." Auch im Bereich der Korruptionsbekämpfung wird kein positives Attest ausgestellt: "Die Zahl der abgeschlossenen Korruptionsfälle auf hoher Ebene ist im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen."

Positiv wird aber hervorgehoben, dass Serbien eine neue Medienstrategie verabschiedet hat, die transparent und inklusiv ausgearbeitet wurde und die wichtigsten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Medienfreiheit in Serbien aufzeigt. Diese müsse nun umgesetzt werden. "Wie in der Medienstrategie festgestellt, geben Fälle von Bedrohung, Einschüchterung und Gewalt gegen Journalisten nach wie vor Anlass zu ernsthafter Besorgnis."

Funktionierende Marktwirtschaft

Gelobt wird Serbien vor allem, wenn es um die Entwicklung einer funktionierenden Marktwirtschaft geht. "Durch die Verringerung des Haushaltsdefizits und die Aufrechterhaltung einer umsichtigen Haushaltspolitik hat Serbien die Tragfähigkeit der Schulden erheblich verbessert. Die Arbeitsmarktleistung hat sich verbessert, mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten im letzten Jahrzehnt."

In Brüssel fand man allerdings keinen Gefallen dran, dass sich Staatspräsident Aleksandar Vučić während der Pandemie China an den Hals warf. "Die Zusammenarbeit mit China nahm während der Covid-19-Krise zu und war geprägt von einer prochinesischen und EU-skeptischen Rhetorik hochrangiger Staatsbeamter", schreibt die EU-Kommission deshalb. Erwähnt wird auch, dass Vučić versprach, die Botschaft in Israel bis Juli 2021 nach Jerusalem zu verlegen. Dazu heißt es lapidar: "Serbien stimmte 2019 mit 60 Prozent der Positionen der gemeinsamen EU-Außenpolitik überein und muss seine Anstrengungen verstärken, um seine Außen- und Sicherheitspolitik schrittweise an jene der Europäischen Union anzupassen."

Reformbemühungen in Nordmazedonien

Der einzige südosteuropäische Staat, der in seiner Entwicklung Anlass zur Hoffnung gibt, ist Nordmazedonien. Die EU-Kommission unterstreicht die Reformbemühungen in dem Land mit zwei Millionen Einwohnern. "Die Bemühungen zur Stärkung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit wurden fortgesetzt, unter anderem durch die Aktivierung der bestehenden Gewaltenteilung sowie durch Diskussionen und Debatten in wichtigen politischen und legislativen Fragen."

Das Justizsystem Nordmazedoniens sei mäßig auf die EU vorbereitet, heißt es im Länderbericht. In Brüssel schätzt man aber, dass durch die Umsetzung der Justizreformstrategie gute Fortschritte erzielt wurden, wenn es um Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht geht. Als positiv werden auch die Maßnahmen im Kampf gegen Korruption beurteilt. Es müsse aber noch mehr getan werden, um die Wirksamkeit der Strafverfolgung bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Finanzkriminalität zu verbessern.

In Nordmazedonien fehlt außerdem noch ein umfassender Rechtsrahmen für Nichtdiskriminierung und eine Gleichstellungsbehörde, auch die Situation in den Gefängnissen müsse verbessert werden. Weniger groß ist das Lob im Wirtschaftsbereich. So sei der Fachkräftemangel auf Mängel im Bildungssystem zurückzuführen, und es gebe Lücken bei den Infrastrukturinvestitionen. Doch insgesamt ist Nordmazedonien, das noch nicht einmal mit den Verhandlungen begonnen hat, im Vergleich zu den anderen Staaten auf einem wesentlich besseren Weg.

Fehlende Richter in Albanien

Die EU-Kommission lobt im Fall von Albanien zwar die gründliche Justizreform, verweist aber darauf, dass das Verfassungsgericht noch nicht über ausreichend Richter verfügt, um funktionstüchtig zu sein. Die internationale Überwachungskommission hat bisher 286 Staatsanwälte und Richter überprüft, was zu 62 Prozent Entlassungen führte, hauptsächlich wegen Problemen im Zusammenhang mit ungerechtfertigten Vermögenswerten.

Als positiv werden auch die Fortschritte bei der Stärkung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität erachtet. Kritik gibt es daran, dass nach wie vor Albaner in EU-Staaten um Asyl ansuchen. "Die Zahl der unbegründeten Asylanträge albanischer Staatsangehöriger in der EU ist zurückgegangen, bleibt jedoch hoch und erfordert kontinuierliche und nachhaltige Anstrengungen", heißt es in dem Bericht. Die Infrastruktur für Energie, Verkehr und digitale Kommunikation sowie die Bildungsergebnisse hätten sich verbessert, resümiert die EU-Kommission. Es bestünden jedoch weiterhin erhebliche Lücken im Vergleich zur regionalen und europäischen Ebene. Albanien soll nun im Herbst mit den EU-Verhandlungen beginnen.

Parlamentsblockade in Bosnien

Geht es um Bosnien und Herzegowina, so kritisiert die EU-Kommission, dass das Parlament aus politischen Gründen meistens blockiert ist, was zu einem Rückstand bei der Gesetzgebung führt. So wurde die Regierung auf Staatsebene erst 14 Monate nach den allgemeinen Wahlen ernannt. Positiv angemerkt wird aber, dass nun erstmals seit 2008 Kommunalwahlen in Mostar durchgeführt werden können, weil es eine politische Einigung dazu gab.

Negativ fällt das Urteil zur Verwaltung aus, denn es gab "keine Fortschritte bei der Gewährleistung eines professionellen und entpolitisierten öffentlichen Dienstes". Auch im Justizbereich sieht es schlecht aus. "Integritätsreformen stießen auf Widerstand innerhalb der Justiz", heißt es. Man habe die Empfehlungen des Priebe-Berichts gar nicht umgesetzt. Die Kommission verwendet im Fall des Staates Bosnien und Herzegowina öfters den Begriff "in einem frühen Stadium", was bedeutet, dass in sämtlichen Bereichen jegliche Reformen fehlen.

"Alle Regierungsebenen zeigten Anzeichen politischer Vereinnahmung, die sich direkt auf das tägliche Leben der Bürger auswirken", geht die Kritik weiter. Auch die Polizei sei anfällig für politische Einmischung. In der aktuellen Migrationskrise in Bosnien-Herzegowina – tausende Migranten, die kaum Chancen haben, Asyl zu bekommen, befinden sich in der Grenzregion zu Kroatien – fordert die EU die Behörden nachdrücklich auf, dringend alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Entstehung einer humanitären Krise zu verhindern. Dabei geht es darum, dass zwei Aufnahmezentren praktisch geschlossen wurden. Im Wirtschaftsbereich wird das Land als nicht wettbewerbsfähig eingestuft.

Reform von Kosovos öffentlicher Verwaltung geordert

Bosnien und Herzegowina ist so wie der Kosovo noch kein EU-Kandidatenstaat. Im Kosovo trat im Februar eine Reformregierung an und wollte die öffentliche Verwaltung verbessern, doch diese Regierung wurde – unter anderem durch die Interventionen des US-Gesandten Richard Grenell – gestürzt. Die Kommission kritisiert, dass im Kosovo Leistung nicht unbedingt ein Kriterium bei der Einstellung in die öffentliche Verwaltung darstelle. "Die kosovarischen Behörden müssen sicherstellen, dass die Reform der öffentlichen Verwaltung weiterhin Priorität hat", heißt es deshalb. Auch das Justizsystem müsse noch reformiert werden, wobei das Gesetz über die Disziplinarhaftung von Richtern und Staatsanwälten, das Mediationsgesetz sowie das zentrale Strafregister Anerkennung findet. Auch im Kosovo ist die Justiz aber anfällig für politischen Einfluss.

Es bräuchte einen starken politischen Willen, um Korruption und organisierte Kriminalität zu bekämpfen, moniert die Kommission deshalb. Als positiv erachtet wird, dass der Kosovo "von einem pluralistischen und lebendigen Medienumfeld" profitiert. Kritischer fällt die Evaluierung der Wirtschaft aus. "Die Entwicklung des Privatsektors wird weiterhin durch eine weit verbreitete informelle Wirtschaft, eine langsame und ineffiziente Justiz, eine hohe Korruptionsprävalenz und die insgesamt schwache Rechtsstaatlichkeit eingeschränkt", so die EU-Kommission. Auch bei der Bewältigung von Umweltproblemen und im Bildungsbereich fehlten Fortschritte. (Adelheid Wölfl, 6.10.2020)