Zum vierten Mal heuer hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das EU-Mitglied Ungarn wegen schwerer Verstöße gegen Grundfreiheiten und Menschenrechte verurteilt. Der Richterspruch am Dienstag befand, dass die vom rechtspopulistischen Regierungschef Viktor Orbán betriebene Vertreibung der amerikanisch geführten Central European University (CEU) aus Budapest gegen europäisches Recht verstieß. Zwei andere Urteile rechneten mit Orbáns Flüchtlings- und Asylpolitik ab, ein weiteres erkannte ein Gesetz zur Schikanierung von Zivilorganisationen als europäisches Unrecht.

Die amerikanisch geführte Central European University (CEU) wurde aus Budapest vertrieben.
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Orbán lässt das alles kalt. Die Urteile, so richtig sie sein mögen, kommen meist zu spät. Die nun als rechtswidrig erkannte "Lex CEU" stammt aus dem Jahr 2017. Bereits für das Studienjahr 2019/20 hatte die CEU an ihrem neuen Standort in Wien eröffnet. Mit der Missachtung des Rechtsstaats treibt Orbán einen Keil in die EU, unterhöhlt ihre Werte. Zusammen mit Nachahmern anderswo könnte er sie spalten.

Doch mit ihren großzügigen Förderungen ist es die EU selbst, die Orbáns System finanziert. Das Geld aus Brüssel gibt ihm den Spielraum, um seine Oligarchen mit überteuerten öffentlichen Aufträgen zu mästen. Dieselben Oligarchen organisieren ihm Medien und Wählerzustimmung. Dieser geschlossene Kreislauf macht Orbán nahezu unabwählbar. Es wäre höchste Zeit, dass die EU Orbán den Geldhahn zudreht. Sonst finanziert sie noch ihre eigene Zerstörung. (Gregor Mayer, 6.10.2020)