Wien ist geteilt. Drei rechtskonservative bis rechtsextreme Parteien (Türkis, FPÖ, Strache) stehen drei linken bis liberalen (SPÖ, Grüne, Neos) gegenüber.

Die Rechte hat sich radikalisiert. Der FPÖ-Kandidat Dominik Nepp sagt, dies sei die letzte Wahl in Wien, wo noch "echte" Österreicher die Mehrheit haben. Abgesehen davon, dass das rein zahlenmäßig ein Blödsinn ist, handelt es sich hier um lupenreine völkische Ideologie von vor circa 80 bis 100 Jahren. Nepp zählt offenbar alle Zuwanderer, die inzwischen Staatsbürger geworden sind, zu den "Fremdrassigen", also Serben, Kroaten, Bosnier, Polen, Tschechen, Slowaken, Rumänen, Ungarn, Türken, die zum Teil seit Jahrzehnten hier leben und/oder Staatsbürger geworden sind.

Plakat der Stadt Wien für die Wien-Wahl am Rathausturm in Wien.
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Der zweite Politikstrang der FPÖ ist die Unterstützung für Maskenverweigerer, Corona-Leugner und Impfgegner (wobei sich das mit den Ausländerfeinden stark überschneidet). Diese durch und durch destruktive Partei wird so um die zehn Prozent bekommen, was angesichts der 30 Prozent von 2015 schon ein Fortschritt ist, aber trotzdem noch zu viel.

Wenn dann noch H.-C. Strache mit einem ganz ähnlich gestrickten Programm in den Landtag kommt, erhöht sich der Prozentsatz der Rechtsaußenwähler auf ungefähr 15 Prozent.

Reservoir der rechten Wähler

Damit aber nicht genug, ist auch die türkise ÖVP in der Ausländerfrage auf einen Rechtskurs geschwenkt, der sich kaum von dem der FPÖ unterscheidet. Bis 20 Prozent sind da drin, womit das Reservoir der sehr rechten Wähler in Wien wieder auf 30 bis 35 Prozent anzusetzen ist.

Der türkise Spitzenkandidat Gernot Blümel hat aber noch ein Programm für Wien, er will die Stadt "nach vorne" bringen. Das heißt zunächst einmal gar nichts, aber wenn man die türkisen Gedankengänge kennt, dann weiß man, was Türkis für einen Eintritt in eine Wiener Koalition verlangen würde: Kürzungen bei den vielen Unterstützungen für soziale, künstlerische, kreative Aktivitäten, die gerade in Wien sehr bedeutend sind; und Privatisierungen, bis hin zu einem Verkauf von Gemeindewohnungen an die Mieter.

Schon aus diesen Gründen ist es eher unwahrscheinlich, dass Bürgermeister Michael Ludwig eine Koalition mit den Türkisen eingeht. Schon eher könnte Ludwig mit den Neos, die zwar auch privatwirtschaftlich ausgerichtet sind, aber eher den Selbstständigen und Freiberuflern das Leben leichter machen wollen, während die Türkisen hauptsächlich in Machtpositionen denken. Die SPÖ muss allerdings nach einem erwarteten Wahlsieg zeigen, dass sie (wieder) lernfähig ist. Wie geht sie damit um, dass Wien eine Zuwandererstadt (geworden) ist? Im Corona-Management ist einiges gut gemacht worden, aber etliches ging auch schief. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker konnte mit bärbeißigen Ansagen nicht überspielen, dass es über den Sommer an der Vorbereitung gehapert hat.

Wahrscheinlich wird wieder eine Koalition mit den Grünen herauskommen. Die Wiener Grünen haben (wie die Grünen überhaupt) die richtigen Gedanken und grundlegenden Konzepte, sind aber in der Umsetzung zu verspielt und sprunghaft.

In Wien gibt es drei linke bis liberale Parteien, die miteinander koalieren könnten. Für die drei rechten Parteien gilt das nicht. (Hans Rauscher, 6.10.2020)