Foto: Soldat 2
Foto: Soldat 2
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Foto: Soldat 2

Drei Jahre lang war das Indiegame Soldat nicht nur eine meiner ersten Onlinegaming-Erfahrungen, sondern auch ein wichtiger Teil meines Lebens. Freundschaften wurden online geknüpft und auch so mancher Streit ausgefochten, während man mit kleinen Pixelmännchen über zweidimensionale Karten rannte und flog, um Gegner abzuschießen oder Flaggen aus deren Basis zu klauen. Dann begann das Universitätsleben, und technische Hindernisse und der neue Alltag setzten der virtuellen "Karriere" ein Ende.

Die Erinnerung freilich lebte weiter und wurde auch mit zwei, drei Spielrunden pro Jahr immer wieder etwas aufgefrischt. Manche Mitspieler verblieben als Facebook-Bekanntschaften. Die einstigen Schüler sind heute freilich auch samt und sonders im Berufs- und Familienleben angekommen. Und auch wenn die "alte Garde" fast samt und sonders nicht mehr aktiv ist, hielten neuere Spieler den Oldie weiter am Leben – wenn auch immer mehr schlecht als recht.

Transhuman Design

Dann kündigte Michał Marcinkowski (Transhuman Design), der Schöpfer des Games, der die Entwicklung zwischenzeitlich an die Community abgegeben hatte, vor ein paar Monaten plötzlich Soldat 2 an. Dass er nach fast zwei Jahrzehnten eine Fortsetzung liefert, liegt daran – so verriet er dem STANDARD –, dass er dieses nostalgische Gefühl zurückbringen wollte. In anderen Worten: Der neue Teil soll nicht nur neue Spieler anlocken, sondern auch den Veteranen gefallen. Ende September ist das Game nun als Alphaversion in die Early-Access-Phase gestartet (Steam, 12,49 Euro, Windows, Mac OS, Linux).

Jetzt auch mit Tutorial

Das einst als separater Client laufende Menü ist nun Teil des Spiels und begrüßt einen schon zum Start mit fetzigen Metal-Riffs. Schon der erste Teil war in dieser Hinsicht für seinen Soundtrack geschätzt, insofern gefällt, dass die stilistische Ausrichtung auch hier beibehalten wird. Die eigene Spielfigur lässt sich nun noch detaillierter anpassen, man kann nun auch die Größe des Kopfes, des Brustkorbs und die Dicke der Arme und Beine anpassen. Möglich macht das vor allem der Umstieg von Pixel-2D auf polygonbasiertes Pseudo-2D. Soldat 2 ist ein dreidimensionales Game, das aber eben nur auf der X- und Y-Achse stattfindet.

Neu im Programm ist auch ein Tutorial. Dieses ist etwas spartanisch umgesetzt, funktioniert aber dennoch, da sich an der einfachen Steuerung nichts geändert hat. Wie die Spielmodi abseits des klassischen Deathmatch funktionieren, lehrt es nicht. Doch wie man den eigenen Kämpfer bewegt und via Jetpack – genauer genommen: Jetstiefel – Höhen überbrückt, sollten auch Anfänger hier grundsätzlich erlernen können.

Drei Spielmodi zum Start

Statt fünf Bewerben, die es im ersten Teil gibt (Deathmatch, Team Deathmatch, Capture the Flag, Hold The Flag, Infiltration) beschränkt sich der Nachfolger vorläufig auf drei. Neben regulärem Deathmatch und dem organisierten Flaggenklau bietet es auch noch den neuen Capture-the-Bases-Modus. Hierbei kämpfen zwei Teams darum, nach der Reihe kleine Basen auf der Karte vom Gegner zu erobern. Die Mannschaft, die als erste alle Stationen einnehmen kann oder nach Ablauf der Spielzeit die Mehrheit davon hält, hat gewonnen.

Bei Capture The Flag, ebenfalls ein Teammodus, geht es darum, die gegnerische Flagge zu entführen und in die eigene Basis zu bringen, während man die eigene Fahne gegen ihre Entwendung verteidigt. Bringt man die gegnerische Flagge zum eigenen Flaggenplatz, so erhält man einen Punkt, sofern auch die eigene Fahne noch dort steckt. Im Deathmatch-Modus kämpft hingegen jeder gegen jeden um die meisten Abschüsse. Auch in diesen beiden Modi wird bis zu einem Punktelimit gespielt oder bis zum Ablauf der Rundenzeit.

Die derzeit noch sehr überschaubare Anzahl an Maps besteht aus Nachbauten bereits bekannter Karten und Neuzugängen. In Zukunft soll auch die Möglichkeit bestehen, zufallsgenerierte Schlachtfelder zu bespielen.

Transhuman Design

Neues Bewegungssystem

Was Kennern von Teil eins sofort auffallen dürfte, ist die Überarbeitung des Bewegungssystems. Die Steuerung funktioniert zwar noch gleich, das Vorankommen auf den Karten gestaltet sich aber wesentlich flüssiger und ermöglicht sogar kleinere Stunts wie Schießen aus dem Überschlag beim Springen über Kanten. Eine zwar nur evolutionäre, aber sehr willkommene Verbesserung.

Das Handling der Waffen hingegen fühlt sich ziemlich ident an. Je nachdem, ob man mit einem SMG, einem klassischen Maschinengewehr, einer Jagdwaffe, einer Shotgun oder ausgefallenerem Arsenal wie Granatwerfer oder Minigun operiert, gilt es, deren ballistische Eigenheiten zu beachten. Bei Maschinengewehren empfehlen sich etwa kurze Feuerstöße anstelle von Dauerfeuer, um Gegner verlässlicher treffen zu können. Bei den Zweitwaffen kann man sich derzeit zwischen Pistole und einem (werfbaren) Messer entscheiden. Die Kettensäge und Panzerfaust aus dem ersten Teil gibt es noch nicht, zumindest Letztere soll aber definitiv nachgereicht werden.

Modernes Spiel, OIdschool-Spaß

Insgesamt modernisiert Soldat 2 das Spielgefühl des ersten Teils auf intelligente und gelungene Weise. Als erfahrener Spieler ist man nach einer Partie wieder voll "drin" und erfreut sich an den sehr schnelllebigen Gefechten und dem neuen Spielmodus, der etwas Abwechslung ins Geschehen bringt.

Die künstlerische Umsetzung – reicht von Splattereffekten, übertriebenen Schreien bis hin zur Ragdoll-Physik eben verstorbener Widersacher – tun ihr Übriges, um das nostalgische Verlangen zu stillen. Immer noch sorgt es für ein euphorisches Gefühl, um Haaresbreite mit der Flagge aus der feindlichen Basis zu entwischen, den Verfolgern auszuweichen und schließlich den entscheidenden Punkt "heimzubringen", während die Patronen der Gegner einem buchstäblich "um die Ohren pfeifen".

Bugs, Bugs, Bugs

Allerdings gibt es auch noch genug Baustellen, an denen in der Early-Access-Phase gearbeitet werden muss. Da wären etwa manche Bugs, die einen zwingen, sich frisch zum Server zu verbinden oder das Spiel neu zu starten – oder der Netcode selbst. Immer wieder zählen sichtbare Treffer nicht – oder Gegner, die von der Explosion einer treffsicher geworfenen Granate weggeschleudert werden, verlieren keinerlei Lebenspunkte.

Die Entwicklung schreitet aber aktiv voran, seit dem Release gab es alle paar Tage einen Patch. Die Netcode-Qualität hat sich schon merklich verbessert, und auch neue Maps wurden nachgereicht. Download und Installation der Aktualisierungen gehen flott vonstatten, denn das gesamte Spiel ist gerade einmal rund 600 MB groß, was selbst für ein Indiegame heutzutage nicht viel ist.

Wer möchte, kann auch eigene Maps bauen – im Moment allerdings mehr theoretisch als praktisch, denn der Mapeditor ist nur in rudimentärer und nicht gerade fehlerfreier Ausführung vorhanden. Daran wird sich vorläufig nicht viel ändern. Gemäß der vorgelegten Roadmap sollen bis Ende des ersten Quartals 2021 die Fehler des Kernspiels ausgemerzt, am Balancing gearbeitet und neue Waffen und Karten ergänzt werden, ehe man sich um das Kreativwerkzeug kümmert.

Die zweite Jahreshälfte steht dann im Zeichen der Fertigstellung aller Basisfeatures, experimenteller Optionen und der Einpflegung von Mod-Support. Gerade die Unterstützung für eigene Anpassungen der Spielbedingungen trug stark zur Popularität des ersten Soldat bei und ermöglichte Spielern unter anderem das Betreiben von "Realistic"-Servern, auf denen es kein Jetpack gibt, Spieler ein Sichtfeld haben, man schneller stirbt und auch Schaden durch Fallhöhe nehmen kann. Eine kleine Nische konnte sich auch ein eigener "Rennmodus" erobern, in dem Teilnehmer auf eigens gestalteten Karten als Erste ins Ziel laufen und klettern mussten.

Foto: Transhuman Design

Roadmap

Der Weg ist also noch ein weiter, bis Soldat 2 Anfang 2022 offiziell "fertig" werden soll. Doch die ersten Schritte sehen schon einmal sehr gut aus. Einzig die Spielerbasis könnte noch größer sein. Aktuell findet man nur zu Abendzeiten einigermaßen verlässlich einen ausreichend gefüllten Server. Auch hier sind Maßnahmen geplant, etwa in Form eines "Free Weekend" auf Steam.

Zwar kann man – sowohl offline als auch online – gegen Bots spielen, die deutlich besser sind als ihre Gegenstücke im ersten Teil. Eine Herausforderung werden sie aber erst, wenn man allein auf einer Capture-The-Bases-Karte gegen ein größeres Team antritt.

Übrigens kann man auch, einen Linux-Rechner vorausgesetzt, wie in den "guten alten Zeiten" selbst einen Server für Soldat 2 hosten. Die dafür notwendige Software steht auf der Homepage des Games frei zum Download bereit.

Vorläufiges Fazit

Soldat 2 macht, aus der zugegeben nicht 100 Prozent objektiven Sicht eines Veteranen, Spaß. Eine Menge Spaß sogar. Als Modernisierung eines Indie-Klassikers holt das Game sowohl neue Spieler als auch Veteranen von damals mit großer Zugänglichkeit ab. Das Game bleibt seinen Wurzeln treu und wurde dort verbessert, wo es wichtig und richtig war. Innovationen für den reinen Selbstzweck, wie sie heute immer wieder gerne in Fortsetzungen einst legendärer Spiele eingebaut werden, hat man sich dankenswerterweise gespart.

Nachdem es sich noch um eine Alphaversion handelt, muss man noch allerlei Bugs in Kauf nehmen, dennoch lohnt es sich für Freunde einfach gestrickter 2D-Shooter mit hohem Adrenalinfaktor, zuzugreifen, weil das Game schon jetzt viel Freude bereitet und konstant verbessert wird. Mit neuen Spielern würde dann schließlich auch mehr Leben auf die derzeit noch recht leeren Server kehren. Man sieht sich auf dem Schlachtfeld! (Georg Pichler, 11.10.2020)

Soldat 2 ist am 22. September im Early Access (12,49 Euro) auf Steam für Windows, Mac OS und Linux erschienen.