Nicht alle Menschen auf der Welt haben eine qualitativ hochwertige Betreuung während Schwangerschaft und Geburt.

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Genf – Jedes Jahr werden knapp zwei Millionen Babys tot geboren. Laut einer UN-Schätzung kommt es weltweit alle 16 Sekunden zu einer Totgeburt. Unterbrechungen im Gesundheitswesen aufgrund der Coronavirus-Pandemie könnten die Situation verschlimmern und über einen Zeitraum von einem Jahr zu beinahe 200.000 weiteren Totgeburten führen, berichtete Unicef in einer Aussendung.

Laut der ersten gemeinsamen Schätzung zu Totgeburten von Unicef, der WHO, der Weltbankgruppe und der Abteilung für Bevölkerungsfragen der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen in dem neuen Bericht "Eine vernachlässigte Tragödie: Die globale Bürde der Totgeburten" wurde die große Mehrheit der Totgeburten, nämlich 84 Prozent, in Ländern mit niedrigem und niedrigem-mittleren Einkommen registriert. Im Jahr 2019 fanden drei von vier Totgeburten in Afrika südlich der Sahara oder in Südasien statt. Eine Totgeburt wird in dem Bericht so definiert, dass ein Baby ab der 28. Schwangerschaftswoche ohne Lebenszeichen geboren wird.

Österreich verbessert sich

Doch auch reichere Länder sind betroffen: In 39 Ländern mit hohem Einkommen gab es eine höhere Zahl an Totgeburten als Todesfälle bei Neugeborenen und in 15 Ländern mehr Totgeburten als Todesfälle bei Säuglingen. Das Bildungsniveau der Mutter ist eine der Hauptursachen für Ungleichheiten in Ländern mit hohem Einkommen.

In Österreich betrug die Rate an Totgeburten pro 1.000 im Jahr 2000 noch 2,8 Prozent, 2019 waren es 2,2 Prozent. In absoluten Zahlen kamen im Vorjahr 195 Babys tot zur Welt, im Jahr 2000 waren es 226 gewesen.

"Der Verlust eines Kindes bei der Geburt oder während der Schwangerschaft ist eine schreckliche Tragödie für eine Familie, die auf der ganzen Welt oft im Stillen, aber nur allzu oft ertragen wird", sagt Henrietta Fore, Unicef-Exekutivdirektorin. "Für viele dieser Mütter hätte es einfach nicht so sein müssen. Die Mehrheit der Totgeburten hätte mit einer qualitativ hochwertigen Schwangerschaftsbetreuung, einer angemessenen Schwangerschaftsvorsorge und einer qualifizierten Geburtshelferin verhindert werden können."

Corona-Krise könnte Situation verschlimmern

Der Bericht warnt davor, dass die Covid-19-Pandemie die weltweite Zahl der Totgeburten steigern könnte. Eine 50-prozentige Reduzierung der Gesundheitsdienste aufgrund der Pandemie könnte innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten in 117 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen fast 200.000 zusätzliche Totgeburten verursachen. Dies entspricht einem Anstieg der Totgeburten um 11,1 Prozent. Nach den Modellen aus der Forschung der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health für diesen Bericht könnte die Zahl der Totgeburten in 13 Ländern innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr um 20 Prozent oder mehr steigen.

Die meisten Totgeburten sind auf die schlechte Qualität der Betreuung während Schwangerschaft und Geburt zurückzuführen. Mangelnde Investitionen in pränatale Dienstleistungen, in die Betreuung während der Geburt und in die Stärkung des Pflege- und Hebammenpersonals sind dem Bericht zufolge die größten Herausforderungen.

Zu mehr als 40 Prozent der Totgeburten kommt es während der Geburt – ein Verlust, der durch den Zugang zu ausgebildetem Gesundheitspersonal bei der Geburt und einer rechtzeitigen Notfallversorgung während der Geburt vermieden werden könnte. Etwa die Hälfte der Totgeburten in Afrika südlich der Sahara sowie in Zentral- und Südasien findet während der Wehen statt, verglichen mit sechs Prozent in Europa, Nordamerika, Australien und Neuseeland. (APA, 8.10.2020)