Die Zahl der Hitzetage und Tropennächte steigt in Wien rasant an. Noch fehlen ausreichend Lösungen, um den hohen Temperaturen entgegenzuwirken.

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Zehn Mal wurde Wien bereits zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt. Laut dem "Economist"-Ranking erreichte die Bundeshauptstadt beinahe den "idealen" Höchstwert von 100 Punkten – gerade einmal 0,9 Punkte fehlten im Vorjahr bis zum Ziel. Während Wien in den Kategorien Stabilität, Gesundheitswesen, Ausbildung und Infrastruktur die volle Punktezahl erhielt, sah die Zeitschrift im Bereich Kultur und Umwelt leichten Aufholbedarf. Etwas anders klingt das im Ranking der Consultingagentur Resonance, die Wien heuer zur "grünsten Stadt der Welt" kürte.

Wie grün ist Wien also wirklich? Auf die Fläche betrachtet, lässt sich das relativ einfach beantworten: Der Anteil öffentlich zugänglicher Grünflächen beträgt rund ein Drittel des Bundeslandes Wien, heißt es auf der Homepage der Stadt. Dreiviertel davon entfallen auf Wald- und Wiesenlandschaft, vier Prozent auf Felder und der Rest auf Parks.

Hitzetage nehmen zu

Die Grünflächen sind dringend nötig: Die fortschreitende Klimakrise ist in Städten besonders stark zu spüren, da Beton und Asphalt die Hitze lange speichern. Und es wird heißer: Zwischen 1961 und 1990 lag die durchschnittliche Zahl der Hitzetage in Wien noch bei 9,6 pro Jahr. Heuer stieg das Tagesmaximum laut der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) 20-mal auf über 30 Grad Celsius. Im Vorjahr waren es gar 37 Hitzetage. Bis 2050 könnten sommerliche Maximaltemperaturen bereits um 7,6 Grad höher liegen als 1850, wie Forscher in einer 2019 veröffentlichten Studie prognostizierten.

Nicht nur die Tage werden heißer, auch die Nächte: So waren in Wien laut ZAMG bis vor kurzem durchschnittlich ein bis zwei Tropennächte üblich. Im Vorjahr fiel das Thermometer hingegen in 15 Nächten nicht unter 20 Grad Celsius.

Sprühnebelanlagen sollen für mehr Abkühlung in der Stadt sorgen – brachten den Grünen aber auch Kritik ein.
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Kein Wunder also, dass die Klimathematik längst nicht mehr nur im Wahlprogramm der Grünen zu finden ist – sondern auch in jenen der Groß- und Kleinparteien. "Wir machen Wien zur ersten klimaneutralen Hauptstadt Europas", verspricht etwa die SPÖ in ihrem Programm. Durch den Ausbau alternativer Energien, Abfallvermeidung und Öffi-Ausbau soll Wien zur "Klimamusterstadt" werden, ist bei den Roten zu lesen. Die ÖVP will die thermische Sanierungsquote in Wien auf mindestens drei Prozent erhöhen, Stadtverwaltung und öffentliche Unternehmen sollen bis 2030 klimaneutral werden. Darüber hinaus fordern die Türkisen, dass jeder Bezirk einen neuen Park erhalten soll.

Bäche in der Stadt

"Luft! Wasser! Grüne Mobilität!", heißt es auch im pinken Wahlprogramm. Es sei nicht egal, "dass Rot-Grün immer mehr Grünflächen zupflastert", schreiben die Neos. Sie wollen in jedem Bezirk eine neue Wasserfläche schaffen und Bäche zurück in die Stadt bringen. Zu ihren Plänen zählen auch 40 Kilometer an neuen Radschnellwegen.

Die Grünen selbst wollen Wien zur "Stadt der tausend Parks" machen, Klimaneutralität soll in Wien bis 2040 erreicht werden. Darüber hinaus soll es mehr Platz fürs Zufußgehen, Radfahren und Öffis geben. Auch bei der FPÖ ist die Rede davon, dass öffentliche Verkehrsmittel günstiger und U-Bahnen ausgebaut werden sollen. Darüber hinaus fordern die Freiheitlichen aber auch die "Beendigung der sinnlosen Schikanen für den Autoverkehr" und ein Ende der "unangebrachten 30er-Zonen".

52.000 Unterschriften für mehr Platz

Ideen gibt es also zu Genüge, aber wo muss die kommende Stadtregierung auf jeden Fall noch nachbessern? Darüber hat sich unter anderem die Initiative "Platz für Wien" Gedanken gemacht und 18 Forderungen für eine klimagerechte und verkehrssichere Stadt formuliert. Mehr als 52.000 Menschen haben diese bereits unterzeichnet, darunter auch zahlreiche Bezirksvorsteher. Laut Sprecherin Barbara Laa unterstützen Grüne und Neos alle Forderungen auch auf Stadtebene. Volle Zustimmung gibt es auch von den Kleinparteien Links und Volt.

Vor allem in der Radinfrastruktur ortet die Initiative großen Aufholbedarf. Demnach gibt es derzeit rund 160 unzusammenhängende Kilometer in Wien. Jährlich sollen laut Initiatoren 30 neue, baulich getrennte oder geschützte Kilometer hinzukommen. Auch die Kilometerzahl an Fahrradstraßen und Radschnellverbindungen soll steigen, wie auch die Zahl der Abstellplätze für den Drahtesel. Darüber hinaus fordert die Initiative den Ausbau von Fußgängerzonen sowie breitere Gehsteige.

Drei Forderungen für Wien

Auch die jungen Klimaschützer von Fridays for Future haben Forderungen an die künftige Stadtregierung veröffentlicht. Wien soll autofrei werden, lautet eine davon. "Die Straßen sollten wieder den Menschen und nicht den Autos gehören", heißt es auf der Homepage. Die Klimaschützer fordern bessere Alternativen zum motorisierten Individualverkehr und mehr Flächengerechtigkeit – also auch mehr Platz für den Rad- und Fußverkehr.

Auch fossile Großprojekte sollen aus Sicht der Schüler und Studierenden gestoppt werden. Sie kritisieren Projekte wie den Lobautunnel oder die Stadtstraße Aspern als "nicht mehr zeitgemäß". Das Geld sollte lieber in klimagerechte Investitionen fließen. Zu guter Letzt fordern sie eine Abkehr von Gasheizungen.

Welche der vielen Forderungen in der nächsten Legislaturperiode tatsächlich umgesetzt werden, ist offen. Vorschläge gibt es jedenfalls ausreichend. (Nora Laufer, 8.10.2020)