Paris – Der Spanier Pablo Carreno Busta hat den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic beschuldigt, sich unsportlich verhalten zu haben. Aus seiner Sicht habe der Serbe im French-Open-Viertelfinale keine wirklichen gesundheitlichen Probleme gehabt, als er sich behandeln ließ. Der 33-jährige Djokovic ließ sich zunächst seinen Nacken tapen und später vom Physiotherapeuten am linken Oberarm behandeln.

Carreno Busta, ein schlechter Verlierer?
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"Jedes Mal, wenn ein Match kompliziert wird, fragt er nach medizinischer Hilfe. Das macht er schon seit langer Zeit. Ich wusste, dass es bei den US Open passieren wird, es hier passieren wird und auch weiter passieren wird", sagte Carreno Busta im spanischen Teil seiner Pressekonferenz. Djokovic hatte behauptet, dass das Aufwärmen nicht optimal funktioniert habe.

"Ich habe mich nicht gut gefühlt, als ich heute auf den Platz gekommen bin. Ein paar Dinge sind beim Aufwärmen passiert", erzählte der "Djoker", der in Paris bisher einmal (2016) triumphiert hat. Erst im Verlauf der Partie habe er sich besser gefühlt. Genaueres wollte er nicht preisgeben. "Ich bin noch im Turnier", sagte er.

Eventuell könnte Stefanos Tsitsipas daraus Kapital schlagen. Der Grieche ist am Freitag Gegner von Djokovic im French-Open-Halbfinale. Setzt sich der Serbe durch und gewinnt Rafael Nadal sein Duell gegen den Viertelfinal-Bezwinger von Dominic Thiem, den Argentinier Diego Schwartzman, dann kommt es einmal mehr zum Match zweier Tennisgiganten um einen Major-Titel.

Djokovic löste mit seiner Behandlungspause im Viertelfinale bei Carreno Busta Zweifel aus.
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Vor dem US-Open-Sieg von Thiem hatten entweder Nadal, Djokovic oder Roger Federer 13-mal en suite bei Grand-Slam-Events gewonnen. Doch beide Superstars werden das mögliche Wunschfinale vieler Tennisfans maximal im Hinterkopf haben. Denn beide haben am Freitag keinesfalls leichte Halbfinalhürden vor sich: Der 33-jährige Djokovic hat gegen den elf Jahre jüngeren Tsitsipas "nur" eine 3:2-Bilanz.

Tsitsipas steht zum zweiten Mal nach den Australian Open 2019 in einem Major-Semifinale, Djokovic allein in Paris schon zum zehnten Mal. Der 22-jährige Grieche hat seinen bisher größten Titel im November 2019 geholt: Bei den ATP Finals in London hatte er Thiem im Endspiel hauchdünn 6:7, 6:2, 7:6 bezwungen.

Thiem als Inspiration für Tsitsipas

Nun war es aber Thiem, der vor wenigen Wochen bei den US Open die Vorherrschaft der "big three" (in Abwesenheit von Nadal und Federer) durchbrochen hat. Und Thiem ist für Tsitsipas auch eine Art Vorbild, wie dieser nach seinem Drei-Satz-Sieg über den Russen Andrej Rublew sagte: "Dominic inspiriert mich sehr. Was Dominic erreicht hat, ist erstaunlich. Dass er hier zwei Finali in Folge erreicht hat, ist wirklich motivierend."

Thiem helfe ihm, das Spiel besser zu verstehen. "Ich glaube, ich kann viel von ihm lernen und es meinem Spiel hinzufügen. Von den jüngeren Spielern ist er jemand, zu dem ich wirklich aufschaue", streute der Weltranglisten-Sechste dem US-Open-Champ Rosen. Tsitsipas wird ab Montag zumindest sein bisher bestes Ranking als Fünfter einstellen. Holt er sensationell den Titel, dann überholt er auch den derzeit rekonvaleszenten Federer und ist Vierter.

Nadal haushoher Favorit

Auch Nadals letzte Hürde vor seinem möglichen 13. Roland-Garros-Endspiel hat starken Thiem-Bezug. Schwartzman ist nicht nur Thiems Viertelfinal-Bezwinger, sondern auch einer der besten Freunde des Lichtenwörthers. Doch der kleine Argentinier, der mit dem erstmaligen Einzug in ein Major-Halbfinale ab Montag als Achter erstmals in den Top Ten aufscheinen wird, ist gegen Nadal eigentlich noch größerer Außenseiter.

Daran ändert nichts, dass Schwartzman zuletzt im Viertelfinale von Rom einen überraschenden 6:2-7:5-Sieg gefeiert hat. Für Nadal war Rom das erste Tour-Event seit Februar gewesen. Und in seinem "Wohnzimmer" in Paris, im "Best of five"-Modus, ist Nadal zwei Klassen stärker einzuschätzen. Standesgemäß hat der 34-jährige Mallorquiner bisher auch keinen Satz abgegeben. Von bisher zehn Begegnungen mit Schwartzman hat Nadal nur jene in Rom verloren.

Nadal in Paris nahezu makellos

Nadal hatte den US-Trip wegen der Coronavirus-Pandemie ausgelassen und sich ganz auf die French Open konzentriert. Er hat in bisher 100 Matches allein in Roland Garros nur zwei verloren. Der Weltranglisten-Zweite peilt in Paris seinen 13. French-Open-Titel an, womit er mit Roger Federer in der Allzeit-Bestenliste mit dem 20. Major-Erfolg gleichzöge. Ein Finalsieg wäre dann gleichbedeutend mit dem 100. Einzelsieg im Westen der Seine-Stadt.

Für Djokovic geht es um den direkten Anschluss an Federer und Nadal in der Major-Statistik, gemeint ist der 18. Major-Titel. Doch ehe es zum großen Showdown am Sonntag (15.00 Uhr/live ORF Sport +/Eurosport) kommt, müssen die beiden Allzeitgrößen am Freitag noch die jeweils sechste Hürde meistern. (APA/Reuters, 8.10.2020)