Die "Bezirksblätter Niederösterreich" erscheinen als 29 regionale Ausgaben, die von 19 Lokalredaktionen produziert werden.

Foto: Bezirksblätter NÖ

Von Journalisten der "Bezirksblätter Niederösterreich", die PR-Texte für die ÖVP Niederösterreich schreiben, und einer Chefredaktion, die von der ÖVP für die Moderation von Veranstaltungen engagiert wird, berichteten kürzlich das Nachrichtenmagazin "profil" und die Ö1-Sendung "Doublecheck" der STANDARD berichtete. Die ÖVP Niederösterreich bezahlte die "Bezirksblätter Niederösterreich" für die Moderation der Interviewreihe "Politik und", für die Bernhard Ebner, Landesgeschäftsführer der ÖVP Niederösterreich gemeinsam mit jeweils einem Experten interviewt wurde.

Die Themen waren etwa "Politik & Wirtschaft", "Politik & Gesellschaft" oder "Politik & Garten". Die Veranstaltung wurde – wie berichtet – via Stream auf der Facebook-Seite der "Bezirksblätter Niederösterreich" übertragen, auf der Seite meinbezirk.at wurde dafür geworben.

Redaktion schreibt für ÖVP-Beilage

Laut interner Kommunikation, die in Auszügen auch dem STANDARD vorliegt, gab es zwischen den "Bezirksblättern Niederösterreich", die zu den Regionalmedien Austria gehören (Styria und Moser Holding), und der ÖVP Niederösterreich Kooperationen auf verschiedenen Ebenen. Mal ist Geld geflossen, wie im Falle der Moderationen und einer achtseitigen ÖVP-Zeitung, die als Beilage erschienen ist, mal nicht. So wurden vor der Gemeinderatswahl im Frühjahr 2020 PR-Texte für eine achtseitige ÖVP-Sonderbeilage von Redakteuren der "Bezirksblätter" verfasst.

Beteiligt am Anzeigenerfolg

Aufgrund der geringen Größe der 19 Lokalredaktionen, die insgesamt 29 Ausgaben der "Bezirksblätter Niederösterreich" beliefern, schreiben Redakteurinnen und Redakteure immer wieder auch Anzeigentexte für Kunden, wird argumentiert. Ob das kleine Geschäfte im Ort seien, die sich keine Werbeagentur leisten können, oder politische Parteien spiele keine Rolle, heißt es. Die Redaktion der "Bezirksblätter" ist wiederum am Anzeigenerfolg beteiligt. Laut STANDARD-Informationen bekommen Redakteure 100 Euro pro Quartal und am Ende des Jahres noch einmal 250 Euro, sollte das Geschäft im Bezirk gut laufen – ein Zubrot von insgesamt 650 Euro pro Jahr.

Von einer "chinesischen Mauer", die es zwischen Anzeigenabteilung und Redaktion geben sollte, spricht hingegen Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin. Konstruktionen wie jene bei den "Bezirksblättern" seien nicht dazu angetan, so eine Mauer "fest und hoch zu machen", sondern befeuern die Motivation, das in Richtung "Schweizer Käse" zu entwickeln, sagtee Karmasin im Ö1-Medienmagazin "Doublecheck". Die "Bezirksblätter Niederösterreich" betonen jedenfalls, dass jede Anzeige als solche gekennzeichnet sei. Dass Redakteure Werbetexte schreiben, sei in kleineren Redaktionen, die über keine große Anzeigenabteilung verfügen, nicht unüblich.

Fußball

Eine weitere Kooperation zwischen den "Bezirksblättern Niederösterreich" und der ÖVP gab es vor zwei Jahren bei einer Aktion namens "Wödmasta". Dabei ging es darum, Fußball-Nachwuchsmannschaften im Bezirk vorzustellen und zum Mitspielen zu animieren. Zu gewinnen gab es Bälle und Dressen. Neben den redaktionellen Artikeln musste das Inserat der ÖVP stehen, das auch als Werbung gekennzeichnet war. Bei der Übergabe des Gewinns musste noch einmal ein redaktioneller Bericht mit Foto erscheinen, und zwar "angemessen groß", wie es in einem Mailverkehr zwischen Chefredaktion und Regionalredakteuren hieß, und mit dem lokalen ÖVP-Mandatar, der die Bälle übergibt. Laut Auskunft der ÖVP wurden für die Aktion Werbeflächen in Print und Online gebucht.

Weitere Serviceleistungen

Die ÖVP Niederösterreich stellte den "Bezirksblättern" aber auch Excellisten mit Zahlen zum "Pflegenotstand" zur Verfügung oder Fotos von regionalen ÖVP-Mandataren, die Redakteure über die ÖVP-Cloud herunterladen konnten, um sie in ihre regionale Ausgabe einzubauen. Im Falle des Pflegenotstandes wurde überregional noch ein Interview mit Wolfgang Sobotka, Ex-Gesundheitlandesrat in Niederösterreich und jetzt Nationalratspräsident, gedruckt. Bei den ÖVP-Fotos ging es um das Thema Wohnbauförderung.

Der Draht der "Bezirksblätter Niederosterreich" ist aber nicht nur zur ÖVP gut, sondern auch zu anderen Partien wie der SPÖ. So regte der Pressesprecher von Landeshauptfrau-Stellvertreter und Niederösterreichs SPÖ-Chef Franz Schnabl eine Story zu Kürbisbauern in der Region an und bekam sie, berichtete "profil". Schnabl, der in der Regierung für Konsumentenschutz zuständig ist, wurde dafür interviewt. Das Interview war in allen Regionalausgaben zu finden. Geld sei aber auch hier keines geflossen.

ÖVP "arbeitet mit allen Medien zusammen"

"Wir arbeiten gut, gerne und korrekt mit ausnahmslos allen Medien zusammen", heißt es von der ÖVP Niederösterreich auf die STANDARD-Frage, ob die Partei häufiger Medien für ihre Veranstaltungsreihen buche und bezahle: "Wir bitten um Verständnis, dass unsere Antwort nicht konkreter ausfällt." Dass Redakteure auch Texte für ÖVP-Anzeigen schreiben und später über ÖVP-Politiker berichten, wolle man nicht bewerten, denn: "Es gehört zu den zentralen Aufgaben der Medien, die Arbeit der Politik zu bewerten – das sollte nicht umgekehrt sein."

Johanna Mikl Leitner als Schutzengel

Die ÖVP Niederösterreich und Landeshauptfrau Johanna Mikl Leitner haben aber auch einen guten Draht zu anderen reichweitenstarken Medien wie in Niederösterreich wie den "Niederösterreichischen Nachrichten" (NÖN) oder dem "Kurier" – etwa wenn es um die Aktion Schutzengel für mehr Verkehrssicherheit geht. Orchestriert und organisiert wird die Aktion vom Verein Sicherheitsforum NÖ, der vom Land Niederösterreich zum Beispiel im Jahr 2017 eine Förderung von 160.000 Euro bekam, wie Addendum recherchierte. Schirmherrin der Aktion ist Johanna Mikl Leitner, dafür Pate stehen die NÖN und der "Kurier". So heißt es auf den Werbemitteln "eine Initiative von Landeshauptfrau Johanna Mikl Leitner". Die ÖVP-Politikerin bekommt dann in den Partnermedien NÖN und "Kurier" schöne Imagefotos mit Schülerinnen und Schülern.

Dominanz in Niederösterreich

Das Land Niederösterreich hat im Jahr 2019 gemeinsam mit seinen Landesgesellschaften bei den "Bezirksblättern Niederösterreich" Anzeigen im Wert von knapp einer Million Euro gebucht, so Ö1. Die "Bezirksblätter Niederösterreich" sind laut Mediaanalyse mit einer Reichweite von 48 Prozent das größte Printprodukt des Bundeslandes, was 685.000 Lesern entspricht. Sie sind kostenlos und erscheinen 14-tätig. Online kommt das Portal meinbezirk.at laut Daten der ÖWA-Plus (Österreichischen Webanalyse) auf eine Reichweite von 37 Prozent.

"Falter"-Beilage diskutiert

Für Diskussionen sorgte vergangene Woche aber auch eine andere Kooperation. Die Wochenzeitung "Falter" produzierte mit der Arbeiterkammer eine Beilage, die als "entgeltliche Einschaltung" gekennzeichnet ist. Im Impressum werden Armin Thurnher als Herausgeber und "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk als Verantwortlicher für die Redaktion angegeben. "Profil"-Innenpolitikjournalist Gernot Bauer schrieb auf Twitter, dass "Experten der 'überparteilichen' AK darin Regierungsbashing" betrieben, und: "Die Falter-AK-Beilage ist aber nicht nur Journalismus, sondern va Corporate Publishing bzw. ein einziges Inserat", so Bauer.

Hinweis im Impressum

Auf STANDARD-Anfrage sagt Florian Klenk, dass "Markus Marterbauer und sein Team von der Wissenschaftsabteilung der AK seit etwa zwölf Jahren mit uns gemeinsame Beilagen" machen. Die "Falter"-Redaktion, aber auch AK-Wissenschafter schlagen ihre Texte vor, "wir nehmen an oder lehnen ab", so Klenk: "Wir suchen auch Experten von Unis, Think Tanks und aus dem eigenen Hause und erstellen dann ein Themen-Heft, bei dem die AK einen Druckkostenzuschuss bezahlt." Diese Finanzierung werde im Impressum korrekt ausgewiesen, da die Beilage "rechtlich eine entgeltliche Einschaltung'" sei. Er, Klenk, verweise darauf auch noch extra im Editorial.

"Ich lege aber Wert darauf, dass hier keine PR-Texte gedruckt werden. All die Autorinnen und Autoren könnten genauso gut im 'Kommentar der Anderen' oder im 'Profil' publizieren. Wir entscheiden, was gedruckt wird", so Klenk. (Oliver Mark, 12.10.2020)