Das Vorbild für den deutschen Immobiliensektor scheint aus dem kleinen Nachbarland Österreich zu kommen. Anders ist es sonst kaum zu erklären, dass bei den Kommunalwahlen in Köln unter anderem mit dem Spruch "Sozialer Wohnungsbau wie in Wien" für die europaweit agierende Volt-Partei geworben wurde. Doch nicht nur die Werte der Wiener Branche kommen in Deutschland gut an, auch die Ideen stoßen immer wieder auf hellhörige Ohren.

So auch die Idee der Seestadt Aspern als Quartiersentwicklungsgebiet an einem künstlich geschaffenen See. In Mönchengladbach, einer Stadt mit rund 260.000 Einwohnern im Bundesland Nordrhein-Westfalen, entsteht gerade die City Ost, oder die Seestadt MG+ – auf einen Namen scheint man sich noch nicht geeinigt zu haben.

Die Seestadt MG+ soll sich in Mönchengladbach in der Nähe des Hauptbahnhofs und rund um einen künstlichen See entfalten...
Foto: Catella

Ein insgesamt 40 Hektar großes Gebiet, in dessen Mitte ein künstlicher See für gewisse Abwechslung im Gladbacher Stadtbild sorgen soll. Zudem ist es unweit vom Hauptbahnhof gelegen und soll sich damit am Projekt Grand Central in Düsseldorf orientieren, das ebenfalls über 1000 Wohnungen in zentraler Lage liefern soll und ebenfalls aus der Feder des Investors und Entwicklers Catella stammt – nur eben ohne Wasser. Und hier liegt ein entscheidender Unterschied zur Seestadt in Aspern: Die Infrastruktur, um ein neues Stadtquartier mit dem bereits vorhandenen Kern zu verbinden, entfällt.

Insgesamt rund 2000 neue Wohnungen sollen um das künstliche Gewässer herum entstehen, darüber hinaus großzügige Flächen für Gastronomie- und Freizeiteinrichtungen sowie für Schulen und Kindertagesstätten. Die Seestadt MG+ soll all das liefern, was ein Quartier eben braucht – damit man es idealerweise nur in den seltensten Fällen verlassen muss. Eine gewagte Ansage, die ersten Wohnungen sollen vor dem neuen Berliner Flughafen bezugsfähig sein, das gesamte Projekt ist mit einer Fertigstellung im Jahr 2021 versehen.

Kunstsee zur Renaturierung

Neben der Seestadt Aspern steht auch ein Projekt aus Deutschland Pate für den kommenden See in Gladbach. Denn bereits im Frühjahr 2011 eröffnete die Stadt Dortmund ihr Quartier rund um den Phoenix-See. Dieser ist rund 24 Hektar groß und liegt auf dem ehemaligen Gelände des Stahlverarbeitungsunternehmens Thyssenkrupp. Hier wurden rund 2000 Wohneinheiten in den vergangenen Jahren gebaut, im nördlichen Bereich Ein- und Zweifamilienhäuser, im Süden Gebäude mit einer höheren Wohndichte.

Positiver Nebeneffekt: Der Phoenix-See hilft dabei, die Emscher, einen Nebenfluss des Rheins, zu renaturieren, nachdem sie jahrzehntelang als "Kloake des Ruhrgebiets" bezeichnet wurde. Denn der künstliche See dient gleichzeitig als Regenwasserrückhaltebecken und schützt die flussabwärts liegenden Gebiete vor Hochwasser.

...der Zollhafen Mainz nutzt dafür den Rhein, alles natürlich.
Foto: Zollhafen Mainz

Es muss aber nicht immer ein künstlich angelegter See sein, um Menschen einen neuen Wohn- und Arbeitsplatz am Wasser zu bieten. Die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz, Mainz, macht vor, wie es geht. Auf dem Gebiet des ehemaligen Hafens entstehen dort bis 2025 insgesamt rund 1400 Wohnungen und rund 4000 Arbeitsplätze. Natürlich soll es auch hier Gastronomie- und Einzelhandelsangebote geben. Und auch die Kultur kommt nicht zu kurz. Beispiel dafür ist das ehemalige Kesselhaus, das bereits seit 2008 als Kunsthalle dient. Damit erinnert der Zollhafen an das Rheinauhafen-Viertel in Köln, das ebenfalls rund um das ehemalige Hafenbecken angeordnet ist – aber Mainz muss ohne imposante Kranhäuser auskommen.

Mitentwickelt wird das ganze Projekt von der österreichischen CA Immo, das Unternehmen ist darüber hinaus an mehreren Gebäuden auf dem Gelände selbst beteiligt. Und ein weiterer österreichischer Player hat seine Finger im Spiel: UBM Development ist für das Mainzer Zollhafen-Hotel verantwortlich. (Thorben Pollerhof, 14.10.2020)