Michael Rami (ganz links) und Maria Windhager (rechts) stehen einander hier im Jänner 2019 vor Gericht gegenüber. Zur geplanten Novelle zum Mediengesetz nehmen sie nun gemeinsam Stellung.

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Vor Gericht stehen die beiden Medienanwälte einander seit Jahren meist gegenüber – Michael Rami vertritt etwa die "Krone" und "Heute", Maria Windhager den STANDARD und Opfer von medialer Boulevardberichterstattung wie von Hass im Netz. Umso bemerkenswerter, dass sie nun zur geplanten Novelle des Mediengesetzes gemeinsam Stellung nehmen. Eine auch inhaltlich bemerkenswerte gemeinsame Stellungnahme im Begutachtungsverfahren.

Die beiden Medienanwälte, Rami ist zudem Mitglied des Verfassungsgerichtshofs, bewerten einen der drei Entwürfe zu Hass im Netz und Medienrecht, den über straf- und medienrechtliche Maßnahmen.

Unbefugte Intim-Bilder

Zu hoch finden Rami und Windhager das Strafausmaß für "unbefugte Bildaufnahmen" etwa der "Schamgegend" im Verhältnis zu jenen für sexuelle Belästigung und "öffentliche geschlechtliche Handlungen". Der geplanteParagraf 120a Strafgesetzbuch lsieht aut Entwurf bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder 720 Tagsätze Geldstrafe vor. Die beiden Medienanwälte kritisieren auch, dass Taten sehr unterschiedlichen Gewichts gleich behandelt werden: "Die Veröffentlichung eines Fotos ist für das Opfer deutlich schlimmer als dessen Zugänglichmachung gegenüber einem Dritten, und diese wiederum ist deutlich schlimmer als die bloße Anfertigung des Fotos. Diese unterschiedlichen Handlungsunwerte sollten sich auch in der Strafdrohung widerspiegeln."

Einheitlich erhöhte Entschädigungen im Medienrecht

Der Entwurf sieht teils deutlich höhere Strafen für Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes vor – gegen den Widerstand insbesondere von Boulevardmedien.

Für üble Nachrede, Beschimpfung, Verspottung und Verleumdung sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches drohen bisher bis zu 20.000 Euro Entschädigung, bei Verleumdung oder bei besonders schwerwiegenden Auswirkungen einer üblen Nachrede bis zu 50.000 Euro. Der Entwurf sieht nun dafür bis zu 40.000 Euro vor, in schwerwiegenden Fällen bis 100.000 Euro Entschädigung.

Rami und Windhager plädieren in ihrer gemeinsamen Stellungnahme dafür, die nun vereinheitlichte Entschädigungshöhe von bis 40.000 beziehungsweise bis 100.000 Euro auch auf den Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen und den Schutz der Unschuldsvermutung auszudehnen. Sie nimmt der Entwurf bisher von der erhöhten, einheitlichen Entschädigungsregelung aus.

"...oder bei besonders rücksichtslosen Angriffen"

"Es ist nicht einzusehen, warum der Höchstbetrag der Entschädigung lediglich im Anwendungsbereich der §§ 6, 7 oder 7c MedienG von 40.000 Euro auf 100.000 Euro angehoben werden kann, nicht aber im Anwendungsbereich der §§7a und 7b MedienG, obwohl auch dort besonders schwerwiegende Auswirkungen der Veröffentlichung oder besonders schwerwiegende Verstöße gegen die gebotene journalistische Sorgfalt vorliegen können", heißt es in der Stellungnahme.

Und: "Nicht recht verständlich ist auch, warum die Erhöhung des Höchstbetrages nur dann stattfinden soll, wenn besonders schwerwiegende Auswirkungen der Veröffentlichung und – also kumulativ – ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die gebotene journalistische Sorgfalt vorliegen. Unseres Erachtens sollte für die Erhöhung genügen, wenn bereits eines dieser beiden Tatbestandselemente vorliegt."

Ihr Textvorschlag (Änderungsvorschläge kursiv): "Der Entschädigungsbetrag ist mit mindestens 100 Euro festzusetzen und darf den Betrag von 40.000 Euro, bei besonders schwerwiegenden Auswirkungen der Veröffentlichung oder bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln, insbesondere bei einem besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die gebotene journalistische Sorgfalt oder bei besonders rücksichtslosen Angriffen , den Betrag von 100.000 Euro nicht übersteigen."

Serientäter

Rami und Windhager hinterfragen auch die Gewichtung von wiederholten Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes. Sie widersprechen der bisherigen Rechtsprechung, die neuerliche Verletzungen im Rahmen einer "Serienberichterstattung" als weniger schwerwiegend beurteilt und geringere Entschädigungen vorsieht: "Je öfter über eine Sache berichtet wird, desto mehr Menschen erfahren davon und können es weitererzählen. Eine Serienberichterstattung vergrößert daher in Wahrheit den Schaden für den Betroffenen."

Präzisierung für Angehörige

Der Entwurf erweitert den Identitätsschutz auch auf Angehörige von Opfern oder Verdächtigter strafbarer Handlungen. Rami und Windhager empfehlen hier eine Präzisierung: "Es wird immer Angehörige geben, die den gleichen Nachnamen tragen wie der, über den berichtet wurde. Der Identitätsschutz des Angehörigen sollte aber, wenn überhaupt, nur demjenigen zu stehen, der auch tatsächlich gemeint ist. Mit anderen Worten: Die Nennung des Nachnamens des eigentlich Betroffenen (zB des Straftäters) darf nicht dazu führen, dass alle Angehörigen mit dem gleichen Nachnamen automatisch einen Entschädigungsanspruch erwerben."

Und: "Wenn man tatsächlich eine neue Personengruppe in den Schutzbereich des Paragraf 7a MedienG einbeziehen will, sollte man zumindest definieren, unter welchen Voraussetzungen die schutzwürdigen Interessen (nur) verletzt werden."

Arbeitgeber-Rechte "nicht ausgegoren"

Neu im Entwurf zum Mediengesetz sind Rechte für Arbeitgeber. Sie können auf Einziehung (also grob: Beschlagnahme oder Löschung) eines Mediums klagen, wenn einer seiner Arbeitnehmer von dem Medium etwa verleumdet, beschimpft, verspottet wird, in seine Privatsphäre eingegriffen oder er gefährlich bedroht wird – und wenn damit das Ansehen des Arbeitgebers oder die Möglichkeiten, den Arbeitnehmer einzusetzen, "nicht unerheblich" beeinträchtigt wird.

Rami und Windhager sehen hier noch einigen Klarstellungsbedarf: "Die Vorschrift ist nicht ausgegoren und daher höchst problematisch. Negativ fällt besonders auf, dass sie eine Fülle an unbestimmten Rechtsbegriffen enthält, deren Bedeutung die Rechtsprechung Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschäftigen wird ('im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Arbeit- oder Dienstnehmers', 'in dessen Privatsphäre eingegriffen', 'Umstände aus dessen Privatsphäre offenbart oder verwertet', 'Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, den Arbeit- oder Dienstnehmer einzusetzen', 'nicht unerheblich zu beeinträchtigen' und so weiter)."

"Auf gutem Niveau"

Die beiden Medienanwälte begrüßen den Entwurf aber ausdrücklich: "Es sind viele der Vorschläge zu begrüßen; und betonen wollen wir, dass der Entwurf grundsätzlich auf gutem Niveau ist." (fid, 10.10.2020)