Günther Ogris wird am Sonntag wieder Prognosen und Hochrechnungen erstellen. Überraschen würde ihn eine Absolute der SPÖ, sagt er.

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STANDARD: Wie wird denn der Wahlsonntag für Sie ablaufen?

Ogris: In der Früh gehe ich wählen. Das mache ich traditionellerweise in einem Wahllokal an einer Urne, nicht per Wahlkarte, weil ich diese Situation liebe. Das ist sozusagen ein Sonntagsgottesdienst. Wir treffen uns gegen 15 Uhr am Küniglberg, bis 17 Uhr wird eine lange Checkliste durchgearbeitet. Dann gibt's eine Trendprognose aus einer Umfrage, und hoffentlich kurz vor 18 Uhr rechnen wir mit genug ausgezählten Wahlsprengeln, damit wir Hochrechnungen publizieren können. Ab dann werden immer mehr Daten eintreffen, da ist das Team unter Hochspannung, da werden tausend Kleinigkeiten beachtet. Das läuft in einer fantastischen Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen vom ORF, das ist ein gut durchorganisierter Prozess.

STANDARD: Wovon gehen Sie am Sonntag aus?

Ogris: Ich schätze keine Prozentsätze, aber ich gehe von einer sinkenden Wahlbeteiligung aus, vor allem auf Kosten der FPÖ. Und von einem starken Wählerwechsel von FPÖ zu ÖVP. Daher wird die ÖVP die Partei sein, die am meisten gewinnt, die FPÖ die, die am meisten verliert. SPÖ, Neos und Grüne werden leichte Zugewinne verzeichnen.

STANDARD: Und was würde Sie überraschen?

Ogris: Es gibt hin und wieder Wahlen, wo die Mehrheit der Umfragen ein falsches Bild gezeichnet hat. Die letzte Wien-Wahl war sehr spannend, weil es eine so große Diskrepanz zwischen Umfragen und Ergebnis gegeben hat. Aber überraschen würde mich, wenn die SPÖ eine Absolute bekommt oder wenn die FPÖ nicht dramatisch verliert.

STANDARD: Wie viel Sicherheit werden wir am Sonntagabend haben?

Ogris: Die Schwankungsbreite wird größer sein als bei der letzten Wien-Wahl-Hochrechnung, weil wir mehr Wahlkarten haben. Bei der Trendprognose rechnen wir mit 2,5 Prozent, bei der Hochrechnung mit zwischen 1,5 und zwei Prozent.

STANDARD: Wann haben wir ein fixes Ergebnis?

Ogris: Ich erwarte das Endergebnis der Gemeinderatswahl am Montagabend und die Ergebnisse der Bezirke dann am Dienstagabend. Bei den Bezirken wird spannend, wenn es nach der Urnenwahl knapp ist, welche Partei vorne liegt und den Bezirksvorsteher bekommt. Zum Beispiel in Simmering: Wenn da die FPÖ viel verliert und die SPÖ nicht, dann kann es sein, dass sich bei der Urnenwahl nicht abzeichnet, was bei der Wahlkarte rauskommt. Auch bei anderen Bezirken kann sich das Ergebnis vielleicht noch drehen.

STANDARD: Sie machen das seit 1994. Was waren die gravierendsten Veränderungen seither?

Ogris: Der Informationsfluss ist schneller geworden. Und einen wesentlichen Einfluss hatte das neue Wahlrecht, dass wir Daten erst bekommen, wenn Wahlschluss ist. Früher haben wir schon am Nachmittag begonnen, Zwischenergebnisse auszuwerten, nun passiert das wirklich Aufregende in der Zeit von 17 bis 17.15 Uhr.

STANDARD: Und wann ist für Sie Schluss nach der Wahl?

Ogris: Da ist die Frage: Ist es ein knappes Ergebnis? Wenn ja, gibt es den ganzen Montag mit der Auszählung noch Stress, da werden wir schauen, ob die Zwischenergebnisse den Prognosen entsprechen oder ob die Wahlkarten etwas verändern. Aber wenn die Abstände klar sind, weil eh überall drei, vier Prozent Unterschied sind, dann wird man sich am Montag den Analysen widmen. Da haben wir dann noch die Wählerstrom- und Bezirksanalysen und die Wahlmotive, und dann geht’s relativ bald um die Frage, warum das Wahlergebnis so ist, wie es gekommen ist und was die Parteien damit machen. (Gabriele Scherndl, 11.10.2020)