Noch bis Sonntag machen die Parteien Stimmung für die Wien-Wahl. Ein Ergebnis wird es allerdings frühestens am Montag geben.

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Kurz vor dem Wiener Wahltag machte das Coronavirus noch einmal auf sich aufmerksam: Nachdem die Gesundheitskrise schon den Wahlkampf fest in der Hand hatte, wurde Freitagfrüh der grüne Abschluss wegen einer Covid-19-Infektion in den eigenen Reihen abgeblasen. Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin Birgit Hebein war von der Infektion nicht betroffen.

Besser hat es die Wiener ÖVP angelegt. Sie entschied sich bereits vorab, ihr Wahlkampffinish mit Finanzminister Gernot Blümel per Livestream zu übertragen. Kein persönlicher Kontakt – keine Ansteckungsgefahr, so die einfache Rechnung. Schließlich musste auch der türkise Spitzenkandidat Blümel zwischenzeitig aussetzen.

Ein Mitarbeiter des Kanzlers war rund eine Woche vor dem Wahltag am 11. Oktober Covid-positiv getestet worden. Blümel musste den Duellmarathon auf Puls 4 absagen – bis zum Vorliegen der Testergebnisse der Kontaktpersonen des betroffenen Kabinettsmitarbeiters wurde der türkise Wahlkampf auf Hold gestellt.

Und so wurde beim Wahlkampfabschluss vor wenigen Journalisten, der für die Online-Zuseher gestreamt wurde, Kanzler Sebastian Kurz auf der Bühne vor der Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse von Peter L. Eppinger interviewt, Spitzenkandidat Blümel bat erst per Video um die Zustimmung der Wähler, dann auch persönlich. Kurz und knapp. "Entweder es geht weiter wie bisher", sagte Blümel und warnte nicht nur vor Rot-Grün III, sondern erneut auch vor der Absoluten der SPÖ. Oder es gebe mehr Türkis.

Zugewinne und Verluste

Blümels Wahlziel, den größten Zugewinn aller Parteien einzufahren, sollte ihm nicht allzu schwer fallen. 2015 erreichten die Türkisen – damals noch als Schwarze – mit Spitzenkandidat Manfred Juraczka ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis in Wien. Nur 9,2 Prozent stimmten für die ÖVP.

Die Wiener Neos, die eigentlich selbst während der vergangenen Wochen immer wieder betonten, wie online-affin sie seien, wollten am Samstag noch ihre Anhänger in der Wiener Landstraße treffen. Die Pinken mit Christoph Wiederkehr sind die prozentuell kleinste im Gemeinderat vertretene Partei. 6,2 Prozent stimmten 2015 für die damalige Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. Obwohl es heuer für alle bis auf Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache die erste Wien-Wahl an der Parteispitze ist, musste besonders Wiederkehr mit seiner Unbekanntheit kämpfen.

Der zweite Unbekannte, Dominik Nepp, wollte am Freitagabend ebenfalls nicht auf ein physisches Aufeinandertreffen mit potenziellen Wählern verzichten. In alter FPÖ-Tradition war der Wahlkampfabschluss am Victor-Adler-Markt in Wien-Favoriten angesetzt. Dort hatte wenige Tage zuvor auch Strache das Ende seiner Kampagne gefeiert. Mit weißen statt blauen Luftballons, mit Schlagern statt der John Otti Band.

Um die letzten Tage vor der Wahl trotzdem noch zur Stimmungsmache zu nutzen, lud das Team HC Strache am Freitag zur Stimmabgabe des Spitzenkandidaten. Flankiert von HC-Parteimitgliedern und untermalt vom neuen Wahlsong, der frappierend an Falco erinnert – so sehr, dass die Falco-Privatstiftung rechtliche Schritte ankündigte –, sprach Strache vor Journalisten noch einmal über seinen Werdegang seit Ibiza. In seinen Worten also über "üble Verleumdungen" und "kriminelle Netzwerke".

Gegendemo bei Stimmabgabe

Ihm gegenüber hatten sich einige Mitglieder der Liste Links aufgebaut, die ebenfalls um den Einzug ins Rathaus kämpfen. Sie zeigten "HC in Häf’n, Links ins Rathaus" auf ihren Schildern. Rangeleien zwischen einem Sicherheitsmann Straches und Can Gülcü, Listenplatz drei bei Links, sowie Besuch der Polizei folgten. Dann stapfte Strache erneut ins Bezirksamt, um das Volksbegehren "Wiedergutmachung der Covid-19-Maßnahmen", das mehrere, teils zweifelhafte, Mediziner initiierten, zu unterzeichnen.

Abgestimmt haben neben Strache fast alle anderen Spitzenkandidaten bereits per Wahlkarte. Einzig der rote Bürgermeister Michael Ludwig lässt sich den Gang an die Urne trotz Coronavirus nicht nehmen. Er wählt am Sonntag in seinem Wahllokal in Floridsdorf. Medienöffentlich, versteht sich. Das Ergebnis von 39,6 Prozent, das sein Vorgänger Michael Häupl für die SPÖ bei der Gemeinderatswahl im Jahr 2015 lieferte, will Ludwig halten. Umfragen sagen ihm ein Plus voraus.

In der gegenteiligen Lage befinden sich die FPÖ und ihr Spitzenkandidat, der nicht amtsführende Vizebürgermeister Dominik Nepp. Mit 30,8 Prozent lieferte der damalige blaue Spitzenkandidat Strache 2015 seiner Partei das beste blaue Ergebnis in der Hauptstadt. Nach Ibiza, Spesenaffäre und Parteiausschluss kämpft Strache heuer jedoch mit seinem eigenen Team gegen seine Ex-Parteifreunde und darum, in den Gemeinderat einzuziehen.

Um den Einzug kämpfen auch die Bierpartei und Soziales Österreich der Zukunft – SÖZ.

Wer es geschafft hat, wird am Sonntag jedoch noch nicht fix feststehen. Wegen der Corona-Krise erreichten die Wahlkartenwähler einen Höchststand: 382.214 Karten wurden ausgestellt, deren Auszählung beginnt am Montag. (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 9.10.2020)