Runter mit den Emissionen, lautet eine der Forderungen von Fridays for Future. Wissenschafter haben nun einen Plan dafür skizziert.

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Forderungen stelle er nicht, sagt Gottfried Kirchengast. Das sei nicht sein Job als Wissenschafter. Der Klimaforscher hat aber eine klare Empfehlung an Österreichs Regierung: "Man muss jetzt rechtliche Verbindlichkeit schaffen." Gemeint ist damit der Weg, der die Nation bis 2040 klimaneutral machen soll. Bisher ist das Ziel ein politisches Bekenntnis, festgehalten im Regierungsprogramm. Was bis dato aber fehlte, war ein konkreter Plan dazu, was die Einsparungen genau bedeuten – und deren gesetzliche Verankerung.

Zumindest der erste Teil steht nun: Kirchengast hat zusammen mit seinem Team am Grazer Wegener Center ein sogenanntes Treibhausgasbudget für Österreich erstellt. Darin wird genau festgelegt, wie viel Emissionen pro Jahr eingespart werden müssen, um die Netto-Null innerhalb von 20 Jahren zu erreichen. Damit die aus Sicht der Wissenschaft nötige Reduktion gelingt, muss die Republik ihren Treibhausgasausstoß zwischen 2021 und 2030 im Schnitt jährlich um 4,5 Millionen Tonnen reduzieren; von 2031 bis 2040 um 3,4 Millionen Tonnen pro Jahr. Zur Einordnung: Im Vorjahr stieg der Wert um 1,4 auf rund 80,4 Millionen Tonnen an.

Es braucht "ein bisschen Mut"

Machbar sei das Ziel durchaus, sagt Kirchengast, "es ist aber ein bisschen Mut nötig". Immerhin ist der Ausstoß in der gesamten Europäischen Union zwischen 1990 und 2018 um mehr als 22 Prozent gesunken. In manchen Ländern war das Minus gar doppelt so hoch. Österreich aber gehört zu jenen fünf EU-Ländern, in denen der Wert gestiegen statt gesunken ist.

Damit es auch hierzulande zu einer Kehrtwende kommt, sei ein "tiefgreifender fossiler Ausstieg" nötig, sagt Kirchengast. Dennoch müssten nicht 100 Prozent der Einsparungen durch einen Emissionsrückgang gelingen, schreiben die Forscher. Maximal zehn Prozent könnten auch durch Kohlenstoffspeicherung erreicht werden.

Gesetzlicher Rahmen fehlt

Von dieser könnten heimische Landwirte profitieren, erklärt Kirchengast. Durch einen CO2-Preis könnten Bauern je Tonne eingespartem Kohlenstoffdioxid vergütet werden. Die registrierten Flächen müssten natürlich auch regelmäßig kontrolliert werden. "Es wäre auf jeden Fall schon bei einem Preis von unter 100 Euro je Tonne wirtschaftlich." Noch dazu würde die Bruttowertschöpfung in Österreich bleiben, wirft der Geophysiker ein.

Was zu alldem allerdings fehlt, ist der gesetzliche Rahmen. "Alle hängen sich Klimaneutralität bis 2040 um, ohne den Weg dahin anzuschauen", sagt Kirchengast. "Es ist ein Rechtsrahmen nötig." Tatsächlich wurde im Regierungsprogramm verankert, dass ein "Paris-kompatibles CO2-Budget" und ein entsprechender Reduktionspfad erstellt werden soll – weiter ging Türkis-Grün bisher aber nicht. Das neue Klimaschutzgesetz, in dem jener Reduktionspfad verankert sein dürfte, ist derzeit in Ausarbeitung. Laut Klimaministerium soll es "in den nächsten Wochen" fertig sein.

"Wichtiger Beitrag"

Die Berechnungen des Wegener Centers seien ein "wichtiger Beitrag" , sagte Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne). Sie würden, wie auch andere Studien, in das Klimaschutzgesetz einfließen. Dieses soll jedenfalls einen klaren Weg vorgeben, wie das 2040er-Ziel erreicht werden soll, heißt es aus dem Ministerium. Neben den langfristigen Zielen sei es notwendig, auch "jetzt sofort konkrete Maßnahmen" zu setzen, sagte Gewessler.

Geht es nach Kirchengast – und auch den Initiatoren des Klimavolksbegehrens –, wäre neben einem Klimaschutzgesetz auch eine Verankerung in der Verfassung sinnvoll. Denn dann wäre die Zielerreichung über die türkis-grüne Legislaturperiode hinaus sichergestellt.

Der Wissenschafter sieht in dem am Freitag veröffentlichten Zielpfad jedenfalls "ein Werk, das bisher gefehlt hat". Das Treibhausgasbudget müsse darüber hinaus aufgeteilt werden – etwa in Bundesländer und Sektoren. An einem solchen Werkzeug arbeite sein Institut derzeit.

Eine "kleine Starthilfe" für die Netto-Null bringt das heurige Corona-Jahr. Kirchengast schätzt, dass der heimische Treibhausgasausstoß 2020 zwischen sieben und 13 Prozent sinken wird. (Nora Laufer, 10.10.2020)