Wien – Ausgerechnet "Imagine" von John Lennon lief, bevor die blauen Spitzenpolitiker am frühen Freitagabend den Wien-Wahlkampf mit Reden beendeten. Vorgetragen natürlich von der John Otti Band. Wo? Natürlich am Viktor-Adler-Markt in Wien-Favoriten. Die Stimmung war gut, Masken rar. Die Ausgangslage freilich eine schwierige: 2015 erreichte die FPÖ in Wien unter Heinz-Christian Strache 30,8 Prozent. Aktuell steht sie – ohne ihn – in Umfragen bei etwa zehn Prozent.

Dominik Nepp, Norbert Hofer und weitere FPÖ-Granden beim Fahnenschwenken.
Foto: APA/Pfarrhofer

Der Elefant im Raum

Zwei Tage vorher hatte auch Strache, der ehemalige Parteichef der Freiheitlichen, am Viktor-Adler-Markt mit seinen Unterstützern gefeiert. Jener Mann, dessen Ausschluss aufgrund der Ibiza- und der Spesenaffäre die FPÖ in Umfragen abstürzen ließ, war am Freitagabend aber der große Abwesende. Zwar hörte man viele seiner langjährigen Forderungen in den Wahlkampfreden, aber angesprochen wurden er oder seine neue Partei, das Team HC, nicht.

Reizthema Gemeindebau

Dominik Nepp holte lieber zum Rundumschlag gegen SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig aus. Besonders beim Thema Gemeindebau wurde der blaue Spitzenkandidat laut. Er erkenne die "österreichische Lebensoase" nicht mehr, die der Gemeindebau einmal gewesen sei. Und wenn Ludwig sage, er wünsche sich, dass jene Menschen im Gemeindebau wohnen sollen, die ihn auch errichtet haben, dann meine der Bürgermeister Polen, Tschechen, Ungarn. "Die sind ja eh schon Österreicher und können die Sprache", ruft Nepp. "Aber ich kenne keinen Gemeindebau, wo ein Tschetschene, Syrer, Afghane oder Iraki auch nur einen Ziegel gelegt hat." Ludwig habe außerdem viel weniger gebaut als versprochen. Nepps Fazit: "So einen Schwachmaten brauchen wir nicht als Bürgermeister."

Ausländer zurück in den "afrikanischen Kerker"

Die Botschaft der FPÖ ist klar: "echte Wiener" zuerst, Staatsbürger vor – nicht nur bei der Vergabe von Gemeindewohnungen, sondern auch bei der Mindestsicherung. Jene 30 Prozent, die in Wien keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, sind Nepp sowieso ein Dorn im Auge. "Sie brauchen sie auch gar nicht, weil die Geldgeschenke kriegen sie sowieso." Und all jene, die sich nicht integrieren wollen – "mit denen müssen wir abfahren, die müssen wir abschieben. Die haben keinen Platz in unserem Land." Und geht es nach Nepp, auch nicht im Gefängnis: "Die Ausländer sollen nicht im Luxushäfn ihre Strafe absitzen. Sie sollen das zu Hause in ihrem afrikanischen Kerker tun."

Türkiser Kühlschrank

Herzlos und ein Kühlschrank – diese Beschreibung gilt nicht Nepp. Vielmehr beschreibt er seinen Kontrahenten Gernot Blümel so. Auch der türkise Spitzenkandidat bekam beim Wahlkampfabschluss noch einmal sein Fett weg. Der ÖVP-Spitzenkandidat sei eine Mogelpackung. "Wenn er die Wiener gefoppt hat am 11. Oktober, dann wird er seinen harten Kurs vergessen haben."

Kickl reimt

Das Thema Integration beziehungsweise Migration spielte auch Herbert Kickl, FPÖ-Klubobmann, rauf und runter. Ihm sei unlängst das schöne Lied "Wien, du Stadt meiner Träume" wieder eingefallen. Da heiße es "dort, wo die alten Häuser stehn, dort, wo die lieblichen Mädchen gehn". Aber man müsse das an die aktuellen Zustände anpassen. Kickl reimt also: "Dort, wo die Moscheen stehen und wo die Frauen in der Burka gehen." Wenn er aus dem Auto blickt, bekomme er nur Albträume, beschwert sich der ehemalige blaue Innenminister. "Mitten in der Stadt" würden "Machetenkämpfe" stattfinden.

Ein wahrer Diamant

Das müsse aufhören, und Nepp sei genau der richtige Mann dafür. "Dominik Nepp war ein Rohdiamant, und der Druck im Wahlkampf hat ihn zu einem echten Diamanten gemacht." Für Wien brauche es "eine patriotische Gesinnung und ein paar PS unterm Hintern".

Hofers Erinnerungen an Wien

Den krönenden Abschluss machte FPÖ-Obmann Norbert Hofer. Er erinnerte sich auf der Bühne an seinen ersten Tag in Wien. Eine "fürchterliche Krawatte" habe er sich auf der Mariahilfer Straße gekauft. "Das war mein Start." Und die Stadt habe er sofort gemocht. Das sei auch heute noch so. Dominik Nepp werde nicht zum Bürgermeister, sagte Hofer. "Noch nicht. Noch nicht." Großer Applaus. Von Fernsehduell zu Fernsehduell sei er besser geworden. "Und das, ohne laut zu werden. Man muss nicht laut sein als Politiker. Man muss nur geradlinig sein."

Hofer holte bei seiner Rede weit aus. Bundespolitik, 2015 und Viktor Orbán in Ungarn. "Glaubt nicht alles, was ihr lest", empfahl er den Zuhörern.

Corona als "Hysterie"

Das gilt auch für die Corona-Maßnahmen. Denn neben den Ausländern zog auch Corona den FPÖ-Unmut auf sich. "Ich bin wirklich alles andere als ein Corona-Leugner", leitete Kickl seine Rede ein. Aber die "Corona-Hysterie" sei jetzt wirklich zu viel. Ludwig, Blümel, Hebein und Wiederkehr hätten sich in den Diskussionsrunden nur gestritten, wer die besseren Experten habe, sagte Nepp. "Die reden nur mit Experten, nicht mit den Menschen." Wie es denen gehe, dafür interessiere nur er sich.

Nepp brüstete sich im Wahlkampf damit, tausende Hände geschüttelt zu haben. An diesem Wahlkampfabschluss kamen abermals einige dazu.

Türkiser Online-Abschluss

Schon am Freitagvormittag hatte die Wiener ÖVP ihren Wahlkampfabschluss begangen. Bei dem Event vor der Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse, der Corona-bedingt für die türkise Anhängerschaft gestreamt wurde, warben Kanzler Sebastian Kurz sowie der Finanzminister und Spitzenkandidat Gernot Blümel für "mehr Türkis für Wien".

Kanzler und Finanzminister, Bundeschef und Landeschef, Sebastian Kurz und Gernot Blümel.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Dieses "Mehr" ist auch das einzige Wahlziel der ÖVP – genau genommen das größte Mehr. Sprich: Blümel will, dass am Ende der Stimmenauszählung die ÖVP den höchsten Zuwachs aller Parteien hat. Bundeskanzler Kurz betonte, dass er ein gutes Ergebnis "fast schon erwarte". Umfragen versprechen den Türkisen die Verdoppelung. Bei der Wahl 2015 fuhr Blümels Vorgänger Manfred Juraczka nur 9,2 Prozent ein – es war das historisch schlechteste Ergebnis der Volkspartei in Wien.

Die Uhr tickt: Etwas mehr als 43 Stunden, bevor die Wahllokale in Wien öffneten, beging die ÖVP ihren Wahlkampfabschluss.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Blümel wiederum hielt sich ausgesprochen knapp. Er sei überzeugt, dass die Volkspartei nun die Möglichkeit habe, die Zukunft Wiens mitzugestalten – und erinnerte daran, dass diese Chance nur alle fünf Jahre da wäre. Erneut warnte Blümel nicht nur vor Rot-Grün III, sondern auch vor der Absoluten der SPÖ. Denn dann brauche diese gar keinen kleinen Partner mehr – und "es geht weiter wie bisher".

Kein grünes Ende

Absagen mussten ihren Ausklang die Günen Freitagfrüh. Ein Mitarbeiter des Wahlkampfteams sei positiv auf das Coronavirus getestet worden, hieß es aus der Partei. Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin Birgit Hebein sei von dem Fall nicht betroffen. (Lara Hagen, Oona Kroisleitner, 9.10.2020)