Gernot Blümel hat sein Konto noch nie überzogen, gab er als frischgebackener Finanzminister bekannt. Das war vor Corona und auf seinen privaten Umgang mit Geld bezogen. Dennoch passte der Sager ach so schön zum ÖVP-Mantra des Nulldefizits. Ob schwäbische Hausfrau oder österreichischer Philosoph: Wer mehr ausgibt, als er einnimmt, wird früher oder später von der Schuldenlast erdrückt. Davon ist schon länger nichts mehr zu hören, im Gegenteil: Die ÖVP-Spitze von Sebastian Kurz abwärts hat sich längst vom alten Dogma entfernt und greift tiefer in die Taschen, als es selbst sozialistische Kanzler wie Bruno Kreisky je taten.

Gut so! In einer unverschuldeten Krise ohnehin schon pandemiegeplagten Beschäftigten, Arbeitslosen und Betrieben nicht unter die Arme zu greifen wäre nicht nur ungerecht, sondern auch kontraproduktiv. Letztlich brächte ein Verzicht auf Hilfen und Konjunkturpakete mehr Kündigungen, mehr Betriebsschließungen und damit auch (noch) geringere Steuereinnahmen mit sich.

Irgendwann wird das überzogene Konto wieder ausgeglichen werden müssen.
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Neue Schulden

Dennoch muss die Frage gestattet sein, ob das viele Geld optimal eingesetzt wird. Die Dimensionen, um die es geht, sind nämlich gigantisch. Nach einem Defizit von zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr wird die Republik 2021 noch einmal neue Schulden in Höhe von mehr als sechs Prozent des BIP machen. In absoluten Zahlen sind das mehr als 20 Milliarden Euro, ungefähr so viel wie Pensionszuschuss und Bildungssystem zusammen ausmachen.

Das erscheint insofern verwunderlich, als die Konjunktur im kommenden Jahr stark anziehen dürfte; zumindest gehen Wirtschaftsforscher davon aus. Nun schlägt sich eine Rezession immer noch im Staatshaushalt nieder, wenn sie schon überwunden ist. Klar ist auch, dass Krisenhilfe und Stimulierung zu Silvester nicht abrupt auslaufen können. Dennoch sollte die Regierung angesichts der erhofften Erholung etwas mehr vom Gas steigen und strukturellen Wandel weniger massiv behindern. Außerdem: Warum wird nicht stärker durch Maßnahmen gegengesteuert, die aus ökologischer und Gerechtigkeitssicht ohnehin dringend geboten erscheinen und auch noch Geld abwerfen?

Eines ist klar: Auch wenn die Zinsen im Keller sind und dort noch länger bleiben werden, müssen die Schulden eines Tages reduziert werden. Man darf gespannt sein, ob Blümel bei der Budgetrede eine Perspektive geben wird, wie das überzogene Konto wieder ausgeglichen werden soll. (Andreas Schnauder, 10.10.2020)