(Zweigeteilte Bühne. Links das Arbeitszimmer des Präsidenten des österreichischen Nationalrats Wolfgang Sobotka. Rechts das Arbeitszimmer des österreichischen Schriftstellers Robert Menasse. Sobotka tippt etwas in sein Handy. Menasses Telefon läutet.)

Sobotka im Ibiza-U-Ausschuss
Foto: APA / Georg Hochmuth

MENASSE (nimmt das Gespräch an): Menasse.

SOBOTKA: Grüß Sie, Herr Doktor. Tut mir leid, Sie zu stören, aber ich muss Sie um einen Gefallen bitten, von Niederösterreicher zu Niederösterreicher. Sie wissen es wahrscheinlich, ich hab’ momentan ein paar lästige Dinge am Hals, drum möcht’ ich Sie bitten, dass Sie mir über Facebook ein Posting schicken, was ich dann sofort lösch’. Weil dann wären die Medien zehn Tage beschäftigt, und ich hätt’ ein Zeitl Ruh’.

MENASSE: Verstehe. Und was soll ich Ihnen –

SOBOTKA: Ich hab’s schon fertig. Nehmen S’ einfach was zum Schreiben, dann diktier’ ich Ihnen.

MENASSE (nimmt Bleistift und Papier und schreibt mit)

SOBOTKA (diktiert): "Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident. Mir ist zu Ohren gekommen, Sie wollen im Waldviertel ein Hüttl erwerben. Was für eine Chuzpe!" – Zuerst hab’ ich gehabt "Frechheit", aber dann ist mir eingefallen, Sie sind ja Jude, und da ist "Chuzpe" natürlich authentischer. – Also: "Was für eine Chuzpe! Ich weiß nämlich genau, was Sie wirklich wollen! Sie wollen eine romantische Datscha, Beton, Glas und Stahl in höchster Qualität, einsam gelegen, damit Sie kein Rasenmäher stört und kein Hitlärm aus einem Radio. Ist es nicht so? Aber da werden Sie sich täuschen, Herr Nationalratspräsident! Das werden wir kritische Europäerinnen und Europäer niemals zulassen!" Haben Sie das?

MENASSE: Ja. Aber warum soll ich Ihnen sowas schicken? Das ist ja ein kompletter Tinnef!

SOBOTKA: Natürlich, aber das ist egal. Schicken Sie es mir einfach auf Facebook, ich lass’ es löschen, ein Aufschrei geht durch die Presse, und ich sag’, das war nur, weil Sie gegen die Forenregeln verstoßen haben und Nazibegriffe verwenden. Sie haben sicher bemerkt, dass zweimal Hitler vorkommt, und den Nero und den Stalin hab’ ich zur Sicherheit auch dazugenommen.

MENASSE (nach kurzem Überlegen): Angenommen, ich bin einverstanden, was hätte ich davon?

SOBOTKA: Aufmerksamkeit.

MENASSE: Hat mir der Blümel schon reichlich verschafft. Sonst haben Sie nichts?

SOBOTKA: Einen Admiral-Wettgutschein könnt’ ich Ihnen anbieten.

(Vorhang)

(Antonio Fian, 10.10.2020)