Erste-Chef Spalt mahnt zu Eile: "Wir müssen die Dinge jetzt angehen. Das lässt sich nicht verschieben."

Foto: Regine Hendrich

Typ für laute Ansagen ist der Vorstandschef der Erste Group, Bernhard Spalt, nicht. Daraus, dass die Regierung rasch gegensteuern und die Eigenkapitalzufuhr durch Private und institutionelle Anleger attraktiver gestalten müsse, daraus macht er aber kein Hehl. Wann das geschehen muss? "Gestern."

STANDARD: Die Erste Group hat ein Gesundheitszentrum, das sich auch um alle Fragen rund um Corona kümmert, Mitarbeiter werden allenfalls getestet, die Ergebnisse sind rasch da. Stellen Sie dieses Know-how eigentlich auch der Regierung zur Verfügung?

Spalt: Wir sind da wirklich sehr effizient organisiert, unsere Testergebnisse liegen innerhalb eines Tages vor. Eigentlich sollte das in ganz Österreich so laufen. Und ja, wir erzählen auch der Regierung, wie wir mit diesem Thema umgehen. Vorbeugung gegen und Umgang mit der Krankheit wirken sich ja direkt auf unser Wirtschaftsleben aus und wenn dieser Umgang nicht funktioniert, wird das eine nachhaltige Erholung erschweren.

STANDARD: Die Corona-Strategie der Regierung ist ausbaufähig, oder?

Spalt: Ich glaube, das Problem wurde erkannt.

STANDARD: Die Bankenaufsicht FMA rechnet, dass rund ein Viertel des gestundeten Kreditvolumens ausfallen könnte. Sie erwarten ein sehr schwieriges erstes Quartal 2021. Wie teuer wird das?

Spalt: Ich glaube, dass die ersten Schritte der Regierung robust und richtig waren, als sie den Lockdown verhängt, aber gleichzeitig Liquidität zur Verfügung gestellt hat, mit staatsgarantierten Kreditprogrammen und Moratorien. Man muss aber kein studierter Volkswirt sein, um zu wissen: Schüttet man in eine fallende Wirtschaft Kredite hinein, gibt es irgendwann ein Eigenkapitalproblem. Es ist daher weniger wichtig, Insolvenzraten oder Kreditausfallquoten zu prognostizieren als sich zu fragen, wie wir aus der Situation wieder rauskommen. Wir brauchen ein Drehbuch, müssen wissen, was wir als nächstes tun, wenn das Eigenkapital knapp wird. Denn wenn das Eigenkapital ausgeht, dann ist wirklich Schluss – da hilft auch kein Kredit mehr. Wir brauchen einen Plan, wie wir Klein-und Mittelbetrieben rechtzeitig Eigenkapital zuführen können, um eine Insolvenzwelle abzufedern.

STANDARD: Wer soll das Geld zuführen?

Spalt: Kapital und Geld gibt es ja genug, das liegt ziemlich unbeschäftigt herum, die Einlagen liegen bei knapp 400 Milliarden Euro. Die Banken werden eine wesentliche Rolle als Vermittler spielen. Sie müssen schauen, dass das Kapital an jene kommt, die es brauchen. Dem Staat kommt insofern viel Verantwortung zu, als er rechtliche und steuerrechtliche Rahmenbedingungen schaffen muss, damit die einen das Geld dafür hergeben und die anderen es annehmen können.

STANDARD: Darüber wird seit langem geredet. Warum sollten private oder institutionelle Investoren ausgerechnet in der Krise ihr Geld in wackelnde Unternehmen stecken?

Spalt: Wir wissen seit langem, dass viele Branchen strukturell eigenkapitalschwach sind, im OECD-Vergleich steht Österreich weit hinten. Aber jetzt ist der Zeitpunkt da, in dem wirklich Eigenkapital benötigt wird. Wir brauchen einen außerbörslichen Markt, etwa einen Wagniskapitalfonds, damit Privatanleger und Institutionelle in den Wiederaufbau von Österreich investieren können.

STANDARD: Stundungen und Steuermoratorien enden, Jobs werden abgebaut, man rechnet mit einer Insolvenzwelle. Wann brauchen wir das alles?

Spalt: Gestern.

STANDARD: Sie sind Spartenobmann in der Wirtschaftskammer: Werden die Banken da zusammenarbeiten?

Spalt: Ja, wir werden Vorschläge für entsprechende Gesetzestexte machen und wir müssen das alles innerhalb von Wochen, wenigen Monaten umsetzen, denn die Unternehmen brauchen das Kapital. Diese Krise wird ein Ende haben und Österreichs Wirtschaft wird sich erholen, aber nicht von selbst.

STANDARD: Im letzten halben Jahr wurde sehr viel Eigenkapital vernichtet. Von wie viel Geld reden Sie da?

Spalt: Heuer ging sicher Eigenkapital in der Höhe von zweistelligen Milliardenbeträgen verloren. Wenn wir über die nächsten Jahre eine Milliarde Euro Eigenkapital aufstellen, wäre das schon ein großer Erfolg für den österreichischen Markt. Man muss ja nicht alles auffüllen, sondern die unterstützen, die ein nachhaltiges Geschäftsmodell haben. Es geht also darum, zu erklären, dass man mit Investitionen an diesem Aufschwung teilhaben kann und gute Renditen erzielen wird.

STANDARD: Das wird aber dauern.

Spalt: Eigenkapital-Veranlagungen haben immer einen Zeithorizont von fünf bis sieben Jahren, da geht es nicht um kurzfristige Spekulation oder darum, eine Brücke zu schaffen, Betriebe zu übernehmen.

STANDARD: Apropos: Soll der Staat in Unternehmen einsteigen?

Spalt: Nur in Ausnahmefällen. Der Staat soll Rahmenbedingungen schaffen, damit sich der Markt selbst organisieren kann.

STANDARD: FMA-Chef Helmut Ettl geht davon aus, dass im Zuge der Krise auch Banken umfallen, er sprach von "Marktaustritten". Wie sehr werden steigende Kreditausfälle und Insolvenzen die Institute gefährden?

Spalt: Die Corona-Folgen werden den Markt nicht gefährden. Österreichs Banken sind robust und kapitalstark in diese Krise gegangen, das hat sie in die Lage versetzt, die Wirtschaft in der ersten Phase der Krise, als es um Liquidität ging, gut zu servicieren, wenn ich das so sagen darf. Wir werden möglicherweise einzelne Marktaustritte sehen und kleinere Institute werden ihr Geschäftsmodell unter Beweis stellen müssen. Aber das ist kein Problem.

STANDARD: Ist die Regierung für die zweite Phase der Wirtschaftskrise gewappnet?

Spalt: Die Regierung weiß, dass ihr ein Rezept dafür einfallen muss, wie sie mit der nächsten Phase dieser Wirtschaftskrise umgehen muss.

STANDARD: Lässt sie sich dabei von den Banken beraten?

Spalt: Ja. Und wir werden immer wieder mit strukturellen Vorschlägen an sie herantreten. Wir stellen unser Drehbuch zur Verfügung: dafür, was die Wirtschaft braucht und wie man aus der Krise wieder herauskommt. Die Situation erfordert entschlossenes Handeln, wir müssen jetzt etwas tun und die Dinge angehen, das lässt sich nicht verschieben. Die Krise ist jetzt da.

STANDARD: Muss man Ihnen nur noch Ihr Drehbuch abkaufen …

Spalt: Ganz genau. (Renate Graber, 12.10.2020)