Ein großer Tag für Kärnten: Landeshauptmann Peter Kaiser empfing die Präsidenten Borut Pahor und Alexander Van der Bellen zum 100. Jahrestag der Volksabstimmung.

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Es war sein bisher wohl wichtigster – historisch schwer aufgeladener – Festakt, den er als Kärntner Landeshauptmann federführend zu verantworten hatte. Als die Feierlichkeiten zu Ende waren, resümierte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) bewegt, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dessen slowenischer Amtskollege Borut Pahor hätten Kärnten "einen großen Tag" bereitet.

Es waren die klaren Worte Van der Bellens, die ausdrückliche Entschuldigung für die Versäumnisse der heimischen Politik im Umgang mit der slowenischen Minderheit, die diesem Festakt zum 100-Jahr-Jubiläum der Volksabstimmung besonderes Gewicht gaben.

"Haben wir unsere sprachliche und kulturelle Vielfalt gelebt und deren Erhaltung immer entschlossen gesichert und gefördert?", fragte Van der Bellen in seiner Ansprache, um auch gleich die Antwort zu geben: "Leider muss ich zugeben: Nein, das war nicht immer der Fall. Vieles ist erst nach langem Drängen, spät, sehr spät erfolgt. Für das erlittene Unrecht und für die Versäumnisse bei der Umsetzung von verfassungsmäßig garantierten Rechten möchte ich mich hier und heute als Bundespräsident bei Ihnen, liebe Angehörige der slowenischen Volksgruppe, entschuldigen", sagte Bundespräsident Van der Bellen – und wiederholte es auf Slowenisch.

Hoher Gast

Mit Präsident Borut Pahor war erstmals auch ein slowenischer Spitzenpolitiker nach Klagenfurt zu den Volksabstimmungsfeiern, die lange Jahre von deutschnationaler Gesinnung getragen waren, gekommen. Pahor übersprang die dunklen Jahr und beschwor im Wappensaal des Landtages die historische Zusammengehörigkeit. "In diesem wunderschönen Wappensaal hat der Fürstenstein seine Heimat gefunden. Auf ihm haben die Herrscher in slowenischer Sprache ihren Eid geleistet, später auf Deutsch. Nicht jedes Volk hat so einen Stein, auf dem es aufbauen kann. Unsere beiden Völker teilen sich ihn, er gehört beiden", so Pahor.

Der Vorsitzende des Rates der Kärntner Slowenen, Valentin Inzko, zeigte sich erfreut: "Die heutige Entschuldigung haben wir nicht erwartet, obwohl mir gegenüber auch Landeshauptmann Kaiser gestern angekündigt hat, dass ‚etwas Wichtiges" kommen wird", sagte Inzko.

Der Historiker Stefan Karner, der schon vor Jahren als Regierungsgesandter und Freund des ehemaligen ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel moderierend zwischen der slowenischen Volksgruppe und den Kärntner Stellen vermittelt hatte, sprach in der ORF-Liveübertragung von einer nunmehrigen "Befreiung der Kärntner Seele von den Zwängen der Vergangenheit", ergänzte dann aber – mit etwas irritierendem Unterton – mahnend: "Wobei wir nicht vergessen dürfen, natürlich auch auf unsere Deutschen (sic!) in Slowenien, dass wir diese Menschen mit hereinnehmen in den gemeinsamen Kulturraum."

Umstrittene Denkmäler

Das von gemeinsamen Zukunftsentwürfen getragene Zeremoniell blieb freilich nicht ohne kritische Nebengeräusche. FPÖ-Chef Norbert Hofer verurteilte die Entschuldigung Van der Bellens als "Demutsgesten" und "unangebracht", und Vertreter der Kärntner slowenischen Jugend protestierten gegen die Ehrung umstrittener Abstimmungshelden wie Hans Steinacher. Dieser, zunächst Abwehrkämpfer, dann antisemitischer Deutschnationaler und glühender Nazi, erhielt letzte Woche ein neues Denkmal in Miklauzhof/Miklavčevo. Nur zwei Tage vor der Feier zum 10. Oktober kam es durch Landeshauptmann Kaiser zudem zur Kranzniederlegung am Grab Martin Wuttes, der ebenfalls bekennender Nationalsozialist war.

Dafür wurde Kaiser von der Volksgruppensprecherin der Grünen, Olga Voglauer, und Eva Blimlinger, der Sprecherin der Grünen gegen Antisemitismus, scharf kritisiert. Kaiser verteidigte die Kranzniederlegung im STANDARD-Gespräch am Sonntag, zeigte aber Verständnis für die Kritik. "Es war eine Gratwanderung, und ich musste mich überwinden", räumte Kaiser ein. Doch man wollte "alle Fakten, die dazu beigetragen haben, dass es zu einer Volksabstimmung kam, würdigen". Und Wutte hatte nun einmal 20 Jahre vor dem Nationalsozialismus als Landesarchivar und Mitglied der österreichischen Delegation in Saint-Germain Grundlagen für die Abstimmung gelegt. Wutte war einer von vieren, derer mit einem Kranz gedacht wurde.

"Tod dem Faschismus"

Eine Schmieraktion in der Nacht auf Sonntag auf der Stätte der Kärntner Einheit im Landhaushof, die alle Parteien und Volksgruppenvertreter verurteilten, sieht Kaiser als direkte Reaktion auf diese Debatte. Unbekannte malten "Smrt fašizmu" (Tod dem Faschismus) auf die Gedenkstätte. (Walter Müller, Colette M. Schmidt, 11.10.2020)