Die Meinungsforschungsinstitute Isa und Sora haben im Auftrag des ORF zwischen 7. und 10. Oktober gut zweitausend repräsentativ ausgewählte Wiener Wahlberechtigte nach ihren Wahlmotiven und Lebensumständen befragt.

Aus den Antworten lässt sich ablesen, welchen Stellenwert für die Wähler der wahlwerbenden Parteien die Spitzenkandidaten, Koalitionsvorlieben, Tradition oder Sachthemen wie der Umgang mit der Corona-Pandemie haben. Außerdem lässt sich herunterbrechen, welche Differenz im Abstimmungsverhalten es zwischen Männern und Frauen, Jungen und Alten, formal Niedrig- und Höhergebildeten et cetera gibt.

Es war auch in Wien wieder zu beobachten, dass Frauen etwas nach links tendieren, Männer etwas nach rechts. So stammen fast eineinhalb mal so viele Stimmen der Grünen von Frauen, während bei den Männern die FPÖ zweistellig abschneidet und Strache den Landtagseinzug geschafft hätte.

Die Gemeinderatswahl offenbarte stark variierende Präferenzen der Altersgruppen: Die Generation 60 plus wählt noch immer wie zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren (absolute Mehrheit der SPÖ, ÖVP etwa bei der Hälfte der SPÖ, einige wenige andersfarbige Einsprengsel). Ein bunteres Bild hingegen bei den unter 30-Jährigen: Zwar dominiert die Sozialdemokratie auch hier, aber mit geringerem Abstand zu den Grünen. Die Jungen sind auch offener für Parteien, die noch nicht im Stadtparlament waren. Wenig zu holen gibt es bei ihnen für ÖVP, FPÖ und Strache.

SPÖ, Grüne, ÖVP und Neos schneiden bei Menschen, die mit ihrem Einkommen gut zurechtkommen, besser ab als landesweit. Geringverdiener hielten sich eher an die FPÖ, das Team Strache und die sonstigen Parteien.

Die FPÖ und das Team Strache erreichen eher Menschen mit formal geringerer Ausbildung, die SPÖ ist am stärksten bei Personen, die eine Lehre oder eine mittlere Schule absolviert haben. Die Grünen und die Neos holen vor allem Wähler mit Hochschulabschluss ab. Die ÖVP weicht bei allen Bildungsschichten nicht sonderlich weit von ihrem Landesergebnis ab.

Landesweit desolat, wären FPÖ und das Team Strache in Summe bei den Arbeitern nicht weit von einer Mehrheit entfernt. Egal ob Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen oder sonstige Kategorien – es gibt nirgendwo eine Teilgruppe, bei der die SPÖ nicht an der Spitzenposition liegt. Mit einer Ausnahme: Unter den Berufsgruppen führt die ÖVP bei den Selbstständigen.

Für die Umfrage wurde auch abgefragt, wie zufrieden die Wähler mit der bisherigen Bewältigung der Corona-Krise in Wien waren. Es zeigt sich eine recht klare Korrelation mit den Anhängern der rot-grünen Stadtregierung. Wer an der Wiener Corona-Politik Verbesserungsbedarf sieht, wählt eher FPÖ oder ÖVP.

Widmen wir uns den Motiven der Wähler der einzelnen Parteien. Für 21 Prozent der SPÖ-Wähler war Bürgermeister Michael Ludwig das Hauptmotiv für ihre Entscheidung.

Ein gutes Viertel der Befragten, die für die ÖVP stimmten, gab das Programm der Partei als wichtigsten Grund an.

Den Wählern keiner anderen Partei waren die Inhalte so wichtig wie jenen der Grünen.

Gleich nach den Sachthemen lag bei Neos-Wählern der stärkste Antrieb darin, die Partei in die Regierung zu bringen.

Spitzenkandidat Dominik Nepp landete immerhin an zweiter Stelle der Hauptmotive der übriggebliebenen FPÖ-Wähler.

Welche Rolle spielte die Bundespolitik? Für die SPÖ-Sympathisanten eine eher kleine, für die ÖVP-Sympathisanten eine große. Unter den Wählern aller anderen Parteien sowie allgemein entlang der Geschlechter- und Altersgrenzen gaben die Befragten etwa halb und halb an, die Bundespolitik schon oder nicht miteinzubeziehen.

Der Zeitpunkt der Wahlentscheidung liegt bei sieben von zehn Wählern länger als drei Wochen zurück. Auffällige Spätzünder sind die Neos-Wähler, von denen sich fast jeder zweite erst in den vergangenen drei Wochen festgelegt hat.

Über alle Wähler hinweg wird eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition als am besten für Wien gehalten. Dahinter folgen SPÖ/ÖVP, SPÖ/Neos und – noch vor der tatsächlich möglichen Kombo SPÖ/FPÖ – eine rechnerisch unmögliche Zusammenarbeit von FPÖ und ÖVP. Letztere Variante geht vor allem auf die Antworten von FPÖ-Wählern zurück.

(Michael Matzenberger, Moritz Leidinger, Sebastian Kienzl, 11.10.2020)