Paul Stadler war eine Amtsperiode lang Bezirksvorsteher von Simmering. Nun wird er wohl von einem Roten abgelöst.

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An Paul Stadler lag die blaue Niederlage wohl nicht. Der bisher amtierende Bezirksvorsteher war hier in Simmering über Parteigrenzen hinweg angesehen. "Der Stadler war einer von uns", formuliert das ein Mann, der an der Simmeringer Hauptstraße in einem Schanigarten sitzt, Bier vor und Freunde um sich. "Der Pauli hat sich jeden anghorcht", ruft einer am Nebentisch.

Davon, dass nun die Roten wieder übernehmen, ist man hier am Stammtisch wenig begeistert. Die würden das mit der Integration nicht hinbekommen, glauben die Männer. Und Stadler, der sei zwar kein Radikaler, aber bürgerlich "und a bisserl patriotisch", sagt einer. Schuld an der Niederlage Stadlers, so meinen sie, war der Bund: "Nur weil einer im Urlaub deppert daherredet, bringt er die ganze Partei um", meint einer wütend.

Über "Schwachkopf" Strache

Stadler selbst sieht das ähnlich. Weil die "Schwachköpfe" Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus der FPÖ geschadet hätten, werde nun die Basis bestraft, zitierte ihn das Gratisblatt "Heute". Ob er in den Gemeinderat wechsle, wisse er noch nicht. Die Pension komme ebenfalls infrage, so der 63-Jährige, die Frau würd's freuen.

Die Simmeringer Hauptstraße gilt als Sorgenkind. Viele Einkäufer nutzen lieber das nahegelegene Shoppingcenter.
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Ein Mann mit Bürgernähe

Auch SPÖ-Befürwortern kommt kein schlechtes Wort über Stadler über die Lippen. Entlang der Simmeringer Hauptstraße – ein Fleck Wien, der von manchen wegen des Geschäftesterbens und wegen des hohen Migrantenanteils als Sorgenkind bezeichnet wird – trifft man viele, die sich selbst als "Rote" bezeichnen. Zum Beispiel einen Mann, der mit einem Einkaufssackerl vor dem U-Bahn-Abgang Enkplatz steht. Der sagt trotzdem, Stadler sei "ein Superkerl."

Und das glaubt man den Leuten. Als wenige Meter entfernt am Enkplatz im Mai des Vorjahres ein Großbrand wütete und zahlreiche Menschen um ihre Wohung brachte, dauerte es nicht lange, bis Stadler selbst an Ort und Stelle war – immerhin liegt sein Büro nur einen Steinwurf entfernt. Er stellte 1.500 Euro als Soforthilfe zur Verfügung, denn die meisten waren ohne Bargeld geflüchtet.

"Er war eine super Persönlichkeit, ein Sympathieträger", meint eine Frau, die, einen Besen in der Hand, vor einem Laden an der Simmeringer Hauptstraße steht, "nur für die falsche Partei". Ihr Vater, der in dem Moment aus dem Geschäft tritt, meint, es sei trotzdem gut, dass der Bezirk nun wieder auf Rot wechselt. Immerhin sei er durch die SPÖ – sie regierte hier bis 2015 – an seine Sozialwohnung gekommen. Seit 40 Jahren wohne er in Simmering, sagt er, und in den roten Phasen sei alles gut gelaufen. Aber auch während des blauen Intermezzos: Als er einst einen Garagenplatz gebraucht hatte, habe er persönlich mit Stadler geredet und der habe geholfen.

Simmering, ein Außenbezirk mit hohem Arbeiterinnen- und Arbeiter-Anteil und vielen Zuwanderinnen und Zuwandern, das ist ein Feld, das Rote wie Blaue anzieht. Aber: Bei der Gemeinderatswahl verlor die Landes-FPÖ deutlich stärker als die Bezirks-FPÖ, laut aktuellen Hochrechnungen nämlich um 25 Prozentpunkte auf rund 17.

Gemüsezüchter mit Politikerfahrung

Was sie vom wohl kommenden Bezirksvorsteher halten, wissen Vater und Tochter vor dem Ramschladen nicht. Sie kennen seinen Namen nicht. "Aber da vorne ist er auf einem Plakat", meint der Herr. SPÖ-Simmering-Spitzenkandidat Thomas Steinhart, 47, ist hier nicht besonders bekannt, auch wenn er drei Jahre lang Klubobmann im Bezirksrat war. Er ist gelernter Gärtner, in seinem Betrieb in Simmering züchtet er vor allem Melanzani und Kräuter, die von der Genossenschaft LGV vermarktet werden. Bei der LGV ist er auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender.

Der soziale Wohnbau, eine rote Errungenschaft, ist in Simmering allgegenwärtig.
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Im Gespräch mit dem STANDARD gibt er sich bescheiden: Erst einmal wolle er die endgültige Auszählung abwarten. Der Vorsprung liegt laut Prognosen bei über zehn Prozentpunkten. Was Steinhart machen will, sobald das fix ist? Das Grätzel beleben, Arbeitsplätze schaffen und die Gesundheitsversorgung ausbauen, sagt er.

Aber: Es gibt auch jene Leute in Simmering, denen sowohl Steinhart als auch Stadler egal sind. Zum Beispiel einen Mann, der in Arbeitsmontur gerade die Grillgasse entlangkommt. Er will nicht über Politik reden, sagt er. "Ich bin nicht am Laufenden. Ich bin angefressen auf die Politik." (Gabriele Scherndl, 13.10.2020)