Rätselspiele über wechselnde Rollen: "Hermia & Helena" vom argentinischen Filmemacher Matias Piñeiro.

Foto: Le Studio

Die eine Frau kommt, die andere geht. Ablösen wie diese sind im Kino des Argentiniers Matias Piñeiro gang und gäbe. Manchmal werden sie deutlich, manchmal treten sie so unvermittelt auf, dass man den Wechsel erst gar nicht durchschaut. Im Spielfilm Hermia & Helena, den er in New York gedreht hat, folgt Camila (Agustina Muñoz) Carmen (Maria Villar) als Stipendiatin nach. Am Columbus Circle dreht die Kamera einen Kreis. Camila wird mit dem Institutsmitarbeiter Lukas (Keith Poulson), für den schon Carmen schwärmte, eine Liaison beginnen; das, was Carmen zurückgelassen hat, könnte man sagen, baut Camila nun aus.

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Das Spiel mit wechselnden Identitäten ist für das unverwechselbare Œuvre Piñeiros charakteristisch. Das Le Studio in Wien widmet ihm nun eine Personale. Statt auf ein Ziel richtet sich Piñeiros Kino am weiten Horizont der Möglichkeiten aus. Nicht umsonst sind es Intrigen und Täuschungen, auf die der 38-Jährige immer wieder zurückkommt. Die Figuren tasten sich durch die Szenarien wie Besucher eines Spiegelkabinetts, immer auf der Hut, nicht plötzlich ersetzt (oder neu besetzt) zu werden. In Viola, womit Piñeiro erstmals auf sich aufmerksam machte, finden sich mehrere Figuren desselben Namens: Eine ist Schauspielerin, die andere träumt davon, eine zu werden.

Wie ein Nachkomme Rivettes

Piñeiros Vorliebe für Wiederholungen und ein labyrinthisches Erzählen hat ihm bereits öfters den Vergleich mit dem Nouvelle-Vague-Zauberer Jacques Rivette eingebracht. Mit diesem teilt er auch die Vorliebe fürs Theater. Seit seinem Kurzfilm Rosalinda bedient sich Piñeiro auch der Komödien Shakespeares, um sein Spiel mit Rollen und Identitäten zu akzentuieren.

Rolle und richtiges Leben vermischen sich nun so stark, bis sie völlig ununterscheidbar werden. In Rosalinda –lose an Wie es euch gefällt orientiert – sind es Schauspieler, die Shakespeares Stück zwischen einem Wald und einem Bächlein proben. Weil es um vorgetäuschte Gefühle geht, wird das Verwirrspiel schnell unüberschaubar.

Piñeiros Kino ist der selten gewordene Fall eines wahrlich unabhängigen Kinos, finanziert mit kleinen Budgets. Die Viennale zeigt demnächst seinen neuesten Film Isabella, eine weitere Variation einer glückssuchenden Shakespeare-Schauspielerin in traumähnlichen Nuancen von Violett. (Dominik Kamalzadeh, 13.10.2020)