Aus einer Notlage geboren? In der Steiermark dürfen nun auch Personen ohne abgeschlossene pädagogische Qualifikation Kindergartengruppen leiten.

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Wien – Im Büro von Landesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) ist man ob eines STANDARD-Berichts über die künftige Ausbildung von qualifizierten Elementarpädagoginnen nicht gerade begeistert. Der Beschluss, der mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ am Dienstag im steirischen Landtag durchgegangen ist, sei aus einer Notlage heraus entstanden. Demnach dürfen nun auch Personen ohne abgeschlossene pädagogische Qualifikation Kindergartengruppen leiten, mitunter bereichert um eine Schulung im Umfang von "30 Unterrichtseinheiten" – Corona und die neuen Richtlinien des Gesundheitsministeriums für schwangere Pädagoginnen hätten das notwendig gemacht, wird argumentiert. Außerdem sei das Ganze auf zwei Jahre befristet (mit der Option auf Verlängerung, Anm.), "an der qualitativ hochwertigen Betreuung ändert das gar nichts", versichert man. Das sehen freilich nicht alle so.

Aufgebrachte Schülerinnen

Die Schülerinnen von Kurt Wiesinger etwa sind aufgebracht. An der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik im steirischen Hartberg fragt man sich: Wozu fünf intensive Jahre in eine Ausbildung mit Matura stecken, wenn es offensichtlich auch anders geht? Direktor Wiesinger assistiert: "Diese Pläne widersprechen alldem, was man landauf, landab über gute Bildung für Kinder hört! Natürlich regt uns das auf!"

Im türkis-grünen Regierungsübereinkommen ist neben der Evaluierung der bereits bestehenden, berufsbegleitenden Kollegs etwa vom "Ausbau qualitativ hochwertiger Ausbildungen für Elementarpädagoginnen und -pädagogen auf postsekundärem und tertiärem Niveau" die Rede. Doch Papier ist geduldig. Als die Ausbildner in Hartberg und ihre Kolleginnen im südsteirischen Mureck ein berufsbegleitendes Kolleg an ihren Schulstandorten einrichten wollten, bekamen sie dafür dann keine Genehmigung. Oder präziser: Sie könnten schon, allerdings nur, wenn keine zusätzlichen Kosten dafür anfallen. Die heiße Kartoffel wurde an die Bildungsdirektion weitergereicht – diese solle sich nach Kompensationsmöglichkeiten umsehen. Und dort ist man derzeit beim Evaluieren, heißt es auf Nachfrage.

30-Stunden-Crashkurs

Alexandra Kappel wollte in Mureck mit der Ausbildung starten. Jetzt ist sie enttäuscht: "Ich habe schon auf das Kolleg hingefiebert", sagt die Kinderbetreuerin und ärgert sich, dass nun "ein 30-Stunden-Crashkurs als Ersatz dienen soll".

Auf der anderen Seite steht etwa Bettina Schoeller von der Trägerorganisation Wiki. Sie ist froh über das neue Gesetz. Ohne stünde man nämlich "kurz vor dem Zusammenbruch der Kinderbetreuung". Aber auch sie findet, "ein langfristiges Konzept muss definitiv anders aussehen". Doch, und hier schließt sich der Kreis, die Mittel für berufsbegleitende Kollegs gibt es nicht. (riss, 14.10.2020)