Chemie in der Landwirtschaft ist ein politisches Reizthema.

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Wien – Pestizide sind in Österreich ein Reizthema. Vor allem der Unkrautvernichter Glyphosat beschäftigt die Politik quer durch alle Parteien. ÖVP-Chef Sebastian Kurz machte das Herbizid einst zur Chefsache und stellte ein Verbot in Aussicht. Drei Jahre später beißen Gegner von Glyphosat bei den Landwirten jedoch immer noch auf Granit.

Gestern, Dienstag, lud Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen zu einem runden Tisch. Vertreter aus Regierung, Parlament, Landwirtschaft und Umweltschutz waren geladen. Im Vorfeld gärte es.

Kein Dialog

Die ÖVP hatte dem Vernehmen nach auf einem Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohne die Teilnahme von Non-Profit-Organisationen wie Greenpeace und Global 2000 bestanden. Doch dieses platzte. In der Folge verweigerte sie den von Gewessler angeregten Dialog. Am runden Tisch fanden sich weder Abgesandte des zuständigen Landwirtschaftsministeriums noch der Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer ein. Allein der Parlamentsklub schickte einen VP-Vertreter.

Zeit drängt

Die EU hatte im August Bedenken am Vorhaben der Österreicher angemeldet, das Pflanzengift national zu verbieten. Tschechien schlug in dieselbe Kerbe. Die Österreicher selbst haben sich zu 93 Prozent gegen den Einsatz von Glyphosat ausgesprochen. Unter VP-Wählern wollen immerhin 80 Prozent ein Verbot. Das geht aus einer aktuellen Studie des Meinungsforschers Akonsult für Greenpeace hervor. Ein klares Ja für das Pflanzengift erteilte lediglich ein Prozent der Befragten.

Zwei Stunden nahm sich Gewessler des heiklen Themas an, das die Landwirtschaft in zwei Lager spaltet. Klar ist: Die ÖVP will kein gesetzlich verankertes Verbot für Glyphosat. Sie beruft sich dabei auf die EU, die hier keine Alleingänge zulasse. Wobei Länder wie Frankreich und Luxemburg durchaus das Gegenteil beweisen. Luxemburg etwa hat glyphosathaltigen Produkten die Zulassung entzogen.

Keine Umweltförderungen?

Helmut Burtscher, Umweltchemiker bei Global 2000, wertet die Abwesenheit der Landwirtschaftsvertreter als Affront. Er legte einen Plan B vor. Dieser sieht vor, für Glyphosat kein Steuergeld mehr auszugeben. Umweltförderung für landwirtschaftliche Betriebe gehöre an den freiwilligen Verzicht auf das Pestizid geknüpft.

Aus dem Fördertopf Öpul für umweltgerechte Landwirtschaft werden jährlich 450 Millionen Euro an rund 90.000 Bauern ausgeschüttet. Sie bewirtschaften in Summe 82 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Österreichs. Verzichten sie auf Glyphosat, um weiter Umweltförderungen zu lukrieren, würde dies den Herbizidverbrauch massiv reduzieren, sagt Burtscher. Denn 90 Prozent des Einsatzes gehen auf die Landwirtschaft zurück. SPÖ, Grüne, Neos und FPÖ unterstützten die Forderung. Nun ist die ÖVP am Zug. (Verena Kainrath, 14.10.2020)