In den Gedenkfeiern zur Volksabstimmung bleibe ein wichtiges, bisher verdrängtes Kapitel der Landesgeschichte ausgespart, klagen Kritiker.

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Es ist ein scheinbar vergessenes, zumindest aber verdrängtes Kapitel der Kärntner Geschichte, das bei den großen Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung kaum Erwähnung fand. Es geht um jene mehrere Tausend Slowenen – exakte Aufzeichnungen existieren nicht –, die nach der Volksabstimmung, in der sich der überwiegende Teil des slowenisch sprechenden Südkärnten für Österreich entschieden hatte, aus Kärnten vertrieben worden sind.

Sie hatten sich anders orientiert, oder es wurde ihnen zumindest vorgeworfen. Viele Slowenen in Südkärnten sahen etwa im neuen jugoslawischen Königsstaat SHS ihre Zukunft. Nach der Abstimmung, die nicht in ihrem Sinn verlief, wollten viele von ihnen in Kärnten bleiben, wurden aber zur Emigration gezwungen: Lehrer, Spitzenbeamte, die entlassen wurden, Pfarrer, Büchsenmacher, Künstler, Wissenschafter, Bauern, die samt ihren Familien von den Höfen gejagt wurden.

Künstlerischer Zugang

Der britische Historiker Robert Knight schrieb jüngst in einem STANDARD-Gastbeitrag, die Volksabstimmung habe eine Polarisierung befördert: "Entweder-oder-Alternativen wurden gestellt: Slowenisch oder Deutsch, Landesverräter oder Heimattreuer."

"Man darf ja nicht übersehen, dass damals dieses SHS-Jugoslawien, dieser Königsstaat nichts mit dem späteren kommunistischen Jugoslawien zu tun hatte. Das wird auch heute noch vermischt. Viele denken, das waren kommunistische Partisanen. Aber das war damals eine ganz andere historische Realität 1920", sagt Petra Kohlenprath, deren Familie von der Vertreibung betroffen war und die sich heute künstlerisch mit diesem Thema auseinandersetzt.

Gemeinsam mit der Initiative SKUP, die sich für die Umsetzung international und national verankerter Rechte der Kärntner Slowenen einsetzt, engagiert sich die Künstlerin für die Errichtung eines Denkmals für die vertriebenen Slowenen.

Heldenmythos

Kohlenprath kritisiert, dass die "Erzählung" der Volksabstimmung oft einseitig interpretiert werde: "Aus meiner Sicht wird dem Heldenmythos in der Kärntner Geschichtserzählung immer noch viel zu viel Aufmerksamkeit und Raum gegeben und dabei übergangen, dass viele der heroisierten ,Abwehrkämpfer‘ völkisch-deutschnationaler Gesinnung waren und weniger ein demokratisches Österreich als einen Anschluss an Deutschland zum Ziel hatten."

Die Errichtung eines Denkmals für die 1920 aus Kärnten Vertriebenen und die Aufnahme der Thematik in den öffentlichen Diskurs in Kärnten sei "wirklich dringlich", ebenso eine umfassende historische Aufarbeitung, urgiert auch der Unternehmer und SKUP-Unterstützer Felix Wieser.

"Uns geht es einfach darum, die Sache nicht unter den Teppich zu kehren, sie offen zu diskutieren und mit Historikern und Soziologen aufzuarbeiten", sagt Wieser. (Walter Müller, 14.10.2020)