Liveticker Nations League: Rumänien vs. Österreich, 20.45 Uhr

Als Spieler begleitete Gheorghe Hagi aufgrund seiner exzellenten Ballbehandlung und seiner Spielintelligenz der Beiname "Karpaten-Maradona". Dank dieser Spielmacherqualitäten streifte er das Trikot von Steaua Bukarest, Real Madrid, Brescia und dem FC Barcelona über, ehe er mit Galatasaray Istanbul im Mai 2000 seine Karriere krönte: Er holte mit den Türken den Uefa-Cup. Mit der rumänischen Nationalmannschaft nahm Hagi an drei WM- und ebenso vielen EM-Endrunden teil. Heute lebt der 55-Jährige in seiner Geburtsstadt Constanța am Schwarzen Meer, wo er als Eigner und Manager seines "Geschöpfs" Viitorul (Zukunft) Constanța fungiert. Der Fußballverein wurde 2009 gegründet und ist seit 2012 erstklassig.

STANDARD: Die rumänische Nationalmannschaft verpasste mit der 1:2- Niederlage in Island die EM. Sind Sie arg enttäuscht?

Hagi: Natürlich überwiegt nach solch einem Resultat die Enttäuschung, zumal in Bukarest drei Vorrundenspiele und ein Achtelfinale ausgetragen werden, ohne dass unsere Nationalmannschaft nun auch nur ein Spiel vor heimischer Kulisse austragen kann. Das ist schon ein Jammer. Zum Spiel gegen Island muss ich gestehen, dass Island über eine bessere Organisation und über mehr Erfahrung verfügte. Insofern war das Resultat irgendwie gerechtfertigt. Das 0:4 in Norwegen war eine unerfreuliche Folge.

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Gheorghe Hagi dirigierte die rumänische Nationalmannschaft bei jeweils drei WM- und EM-Endrunden.
Foto: REUTERS/ SIGHETI

STANDARD: Das Coronavirus hat das gesellschaftliche Leben arg eingeschränkt. Können Sie sich vorstellen, dass die bereits verschobene EM nächstes Jahr vor leeren Rängen stattfindet?

Hagi: Das Virus hat die ganze Welt auf den Kopf gestellt, nicht nur den Fußball. Wir müssen uns diesen Gegebenheiten, die wir uns vor einem Jahr nicht hätten vorstellen können, anpassen und dafür beten, dass wir in ein paar Monaten zur Normalität zurückfinden können. Eine EM ohne Fans ist sehr schwer vorstellbar und hinnehmbar.

STANDARD: Sie waren bis zum vergangenen Sommer in Personalunion Eigner, Manager und Trainer von Viitorul Constanța. Nun haben Sie den Trainerposten mit dem Spanier Ruben de la Barrera bekleidet. Warum?

Hagi: Es gab letzte Saison einen Moment, in dem ich den Entschluss fasste, einen anderen Trainer zu bringen und mich überwiegend dem administrativen Teil zu widmen. Gleichzeitig wollte ich mich um die Belange der Jugendakademie kümmern, was eigentlich auch die Gründungsidee des Vereins war. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich über zehn Jahre lang ununterbrochen in allen Bereichen des Klubs, organisatorisch, sportlich und im Scouting, gearbeitet habe. Irgendwann ist es dann auch genug.

STANDARD: Sie beteuern immer wieder, dass Fußball Ihr Leben ist. Schließen Sie aus, noch einmal auf die Trainerbank zurückzukehren?

Hagi: Keineswegs. Ich werde im passenden Moment eine neue Herausforderung annehmen und auf die Trainerbank zurückkehren. Ich hatte auch jetzt sehr interessante und verlockende Angebote, als Trainer zu arbeiten. Ich wollte jedoch vom Trainerdasein momentan ein bisschen Abstand nehmen.

"Eine EM ohne Fans ist sehr schwer vorstellbar und hinnehmbar."
Foto: imago/VI Images

STANDARD: Ihr 21-jähriger Sohn Ianis wechselte vom belgischen KRC Genk zu den Glasgow Rangers. Haben Sie ihm dazu geraten, und welche Rolle spielte die Präsenz von Steven Gerrard auf der Trainerbank der Rangers?

Hagi: Natürlich bespreche ich solche Themen mit meinem Sohn. Ausschlaggebend für diesen Transfer waren sowohl die Reputation des Klubs als auch die Tatsache, dass Steven Gerrard und dessen Assistent Gary McAllister Ianis unbedingt haben wollten. Mit der Qualifikation zur Europa League, ausgerechnet gegen meinen Ex-Verein Galatasaray, hat er einen gebührenden Einstand gefeiert und eine gute Hypothek für die Saison hinterlegt. Er war übrigens an diesem Abend der einzige Spieler, der in Istanbul geboren ist.

STANDARD: Ianis spielt die gleiche Position wie Sie. Hat der Sohn die Gene vom Vater geerbt?

Hagi: Im Gegensatz zu mir ist er beidbeinig, schlanker und größer. Er tendiert mit seiner Spielweise eher zu Zinédine Zidane als zu Gheorghe Hagi. Damit kann ich auch leben.

STANDARD: Am Mittwoch trifft Ianis mit der rumänischen Nationalmannschaft im Rahmen der Nations League in Ploieşti auf Österreich. Kann sich das Team von Mirel Rădoi nach den bitteren Niederlagen in Island und Norwegen fokussieren?

Hagi: Fußball ist bekanntlich ein schnelllebiges Geschäft. Man muss permanent zur Tagesordnung zurückfinden, sei es nach Erfolgen oder Niederlagen. Rumänien ist hoffnungsvoll in die Nations League gestartet und hat mit dem Sieg in Klagenfurt eine gute Ausgangsposition für den weiteren Verlauf des Wettbewerbs geschaffen. Es gilt jetzt, den Fokus auf das kommende große Turnier, die WM in Katar, zu richten. Denn es zählt jeder gewonnene Punkt, um im Ranking nach oben zu klettern und ein möglicherweise besseres Los bei der Gestaltung der Qualifikationsgruppen zu erwischen.

STANDARD: Welches Bild haben Sie von der österreichischen Mannschaft?

Hagi: Österreich verfügt über eine Mannschaft mit riesigem Potenzial, die gespickt ist mit Spielern, die in diversen europäischen Ligen unter Vertrag stehen, was natürlich einen enormen Erfahrungsschatz darstellt. Ich habe den Eindruck, dass diese Mannschaft an jene große Generation der Österreicher der 1970er- und 1980er-Jahre anknüpft, als Krankl, Prohaska, Schachner und Pezzey international für Furore sorgten. (Dimitrios Dimoulas, 14.10.2020)

Ein Schmankerl: Hagi tanzt Rapid aus. Die Wiener verlieren 1999 gegen Galatasaray in der Qualifikation zur Champions League mit 0:3.
Mhmt KTR