Sauna und Restaurant: Vergleichbare Situationen, denn auch hier sitzen fremde Menschen zusammen, meint der Raumanalytiker Peter Tappler.

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Mit den sinkenden Temperaturen steigt die Lust auf Sauna, Dampfbad und Wellness. Gerade jetzt könnten wir die positive Wirkung von Wärme und Entspannung auf Geist, Körper, Immunsystem und Abwehrkräfte für uns nutzen. Doch dürfen wir uns zusammen mit anderen Badegästen in die Wellnesstempel des Landes trauen? Wie riskant ist ein Saunabesuch, und wissen wir, ob sich das Coronavirus bei großer Hitze oder Luftfeuchtigkeit anders verhält?

"Was die Raumluft betrifft, sollte es in Saunen und Dampfbädern kein sehr hohes Risiko geben – natürlich unter der Voraussetzung, dass die Menschen ausreichend Abstand halten", erklärt Innenraumanalytiker Peter Tappler. Das geringe Risiko lässt sich vorrangig mit dem Luftwechsel begründen, der in modernen Wellnessanlagen meist sehr gut sei. Um Risiken für Räume einschätzen zu können, verwendet man in der Raumanalyse relative Einheiten im Vergleich zu einer Standardsituation. Tappler: "Wir vergleichen immer Situationen, denn das ist eine ausgezeichnete Methode, um unterschiedliche Risiken darzustellen." Irgendwann wird aus einem Risiko dann eine Gefährdung – und das gelte es zu unterscheiden, sagt er.

Aktuell arbeitet Tappler an der Einschätzung einer großen Thermenanlage, den Namen darf er allerdings nicht nennen. "Das Ergebnis wird sein, dass das Risiko aufgrund der Weitläufigkeit und der hohen Decken und Volumina eigentlich sehr gering ist", vermutet er. Jedenfalls weitaus geringer als in einem Restaurant. Obwohl das eigentlich eine ähnliche Situation ist – denn auch hier sitzt man mit Menschen in einem Raum, die man nicht kennt.

Dicke Luft

Mittlerweile weiß man mit ziemlicher Sicherheit, dass Schmierinfektionen und Oberflächenübertragungen als Ansteckungsursachen bei Sars-CoV-2 in den Hintergrund treten. "Niesen oder Husten, also Tröpfchen und Aerosole, bleiben die hauptsächlichen Übertragungswege", erklärt der Innenraumanalytiker Peter Tappler, der den Arbeitskreis Innenraumluft im Bundesministerium für Klimaschutz leitet. Im Frühjahr sei der Wissensstand noch ein anderer gewesen, weshalb vorsorglich reagiert und Wellnesseinrichtungen oder Badeanstalten geschlossen blieben. Tappler: "Man hat leider viel zu lange verabsäumt, genauer zu betrachten, wie das mit der Raumluft zusammenhängt."

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weist ebenfalls darauf hin, dass Sars-CoV-2 neben der direkten Tröpfcheninfektion auch über luftgetragene Partikel übertragen werden kann. Wer infiziert ist und niest, hustet, spricht oder auch nur atmet, hinterlässt kleinste Tröpfchen in der Luft – die sogenannten Aerosole –, in denen das Virus enthalten ist. Sie schweben eine Weile und können durch Luftströmungen möglicherweise auch größere Distanzen zurücklegen, bevor sie auf den Boden absinken. Werden sie eingeatmet, kann eine Ansteckung stattfinden.

Durch Frischluft werden Aerosole allerdings zerstreut, die Raumluft wird verdünnt – und eine Ansteckung ist weniger wahrscheinlich. Je lauter Menschen sprechen, desto mehr Aerosole schweben in der Luft. Schlechte Raumluft befeuert das Ganze.

Ansteckungsgefahr

Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien schätzt das Risiko einer Infektion in der Sauna als gering ein – allerdings nur unter Einhaltung einiger wichtiger Regeln: Abstand halten, Verweildauer reduzieren und wenn man sich krank fühlt, die Therme gar nicht erst betreten. "Außerdem gibt es bereits allgemein gültige Saunaregeln, die von Haus aus eine gewisse Selektion der Besucher trifft", erklärt Hutter. Dener zufolge sollten bestimmte Risikogruppen gar nicht saunieren, nämlich Menschen mit Atemwegserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Problemen.

Hutter empfiehlt darüber hinaus ein schachbrettartiges Sitzmuster auf den Sitzbänken und Rängen, wenn es die örtlichen Gegebenheiten zulassen. Während man in der heißen finnischen Sauna, also ab 90 Grad aufwärts, acht bis zehn Minuten verweilen kann, sollte man sich bei den milderen Temperaturen von Bio-Saunen oder Tepidarien (36 bis 60 Grad) auf sieben bis acht Minuten beschränken. Es gilt: Je niedriger die Temperaturen, desto größer die Abstände und kürzer die Verweildauer.

Doch macht trockene oder feuchte Luft oder gar Hitze für das Virus einen Unterscheid? "Das ist sehr schwierig zu beantworten", sagt Hutter im Gespräch mit dem STANDARD. Bei 90 Grad Hitze sei die Luftfeuchtigkeit praktisch egal. "Wenn man bei den Temperaturen ausatmet, wird das Virus kaum standhalten beziehungsweise vermehrungsfähig bleiben. Beim Dampfbad ist das sicherlich schwieriger", sagt er.

Zu Sars-CoV-2 liegen bisher nur wenige Daten vor. Bei 70 Grad Celsius wird das Virus in fünf Minuten inaktiviert, heißt es seitens des Robert-Koch-Instituts (RKI) – unter der Berufung auf eine im April veröffentlichte Studie in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet". Trotzdem bleibt es weiterhin wichtig, die Abstandsregeln und verkürzte Verweildauer einzuhalten. Will man die Verweildauer erhöhen, muss man auch die Temperatur erhöhen und die Abstände ausweiten.

Service am Gast

Natürlich gebe es auch Einrichtungen, die sich den veränderten Bedürfnissen ihrer Gäste mit kreativen Ideen anpassen. Ob Slots für in einem Haushalt lebende Menschen oder Trennwände zwischen den Saunagästen – beides hält der Public-Health-Experte Hutter für begrüßenswert. "Ist doch toll, wenn man sich sowas überlegt. Das eine sind die wichtigen Richtlinien, die man aus medizinischer Sicht unbedingt umsetzen und einhalten muss. Hinzu kommt die Kreativität einiger Betreiber und die gegebenen Möglichkeiten vor Ort, denen darüber hinaus ja keine Grenzen gesetzt sind."

Denn Maßnahmen wie diese geben Gästen ein zusätzliches Sicherheitsgefühl, sagt Hutter. Das bestätigt auch Philip Jansohn, Direktor des "Schlosspark Mauerbach Resort & Spa", das in der Lockdown-Phase den Ausbau des Wellnessbereichs aktiv vorangetrieben hat, um dem Gast ein "Sich-aus-dem-Weg-Gehen" besser zu ermöglichen. "Mehrheitlich werden unsere Schutzmaßnahmen sehr gut angenommen, und wir bekommen positives Feedback", sagt Jansohn. Natürlich gebe es auch einige, denen es schwer fällt, sich im Urlaub von Slots für Sauna und Dampfbad den Tag einteilen zu lassen. "Wenn wir aber erklären, dass dies Teil unseres Maßnahmenpakets zur Gesundheitsvorsorge ist und damit doch auch für mehr Privatsphäre à la Private Spa gesorgt wird, konnten wir bisher immer gut überzeugen", heißt es seitens des Hotels.

Dass das doch schlussendlich auch den Wellnesseffekt für den Gast erhöht, wenn er nicht mit einem Dutzend anderer, fremder Personen in eine Saunakammer gequetscht wird, hebt auch der Public-Health-Experte Hutter hervor: "Haben doch alle was davon – die zahlenden Gäste kommen wieder und können den Aufenthalt umso mehr genießen." Die Gewährleistung einer gewissen Sicherheit für den Gast und eine laufende Überprüfung seien Aufgabe des Anbieters. Das sieht auch der Hotelbetreiber so. Jansohn: "Ein entsprechendes Sicherheitskonzept, das alle Hotelabläufe integriert, und ein funktionierendes Qualitätsmanagement mit entsprechenden Kontrollmechanismen – das ist wichtig, damit unsere Gäste sich sicher fühlen, den Aufenthalt aber auch genießen können." Und darauf muss schließlich alles ausgerichtet sein, betont er.

Bitte lüften!

Das Infektionsrisiko in unterschiedlichen Räumen lässt sich durch Simulationen bewerten. Möglich macht dies etwa das Programm VIR-SIM, das unter raumluft.org abrufbar ist. Es wird beispielsweise genutzt, um Lüftungskonzepte für Gebäude zu erstellen.

Fünf Referenzsituationen (siehe Grafiken) zeigen deutlich, wie sich die Risiken unterscheiden. "Vergleicht man etwa Klassenzimmer, in denen der Luftwechsel sehr schlecht ist und damit das Übertragungsrisiko sehr hoch, mit einer Schwimmanlage, in der genormte Belüftungsanlagen zum Einsatz kommen, dann schneidet das Bad deutlich besser ab als das Klassenzimmer", erklärt Tappler. "Ab einem bestimmten Risiko fängt die Gefährdung an. Ein akzeptables Risiko ist aber noch keine Gefährdung," konkretisiert er.

Schlecht durchlüftete Klassen sind also theoretisch eine Gefährdung, sollte sich darin ein Infizierter oder eine Infizierte aufhalten. Und auch ein schlecht belüftetes Großraumbüro, in dem viel gesprochen oder telefoniert wird, ist um ein Vielfaches gefährlicher als etwa ein Saunabesuch, lautet das Fazit des Raumluftexperten.

Risikogebiet Sauna?

In Hinblick auf die Herbstferien ist für viele die Frage nach dem Infektionsrisiko in Thermen ein großes Thema. Das geringe Risiko in diesem Bereich lässt sich mit dem Luftwechsel begründen, der in modernen Wellnessanlagen meist sehr gut ist. Tappler zufolge ist der Raumluftwechsel in Saunaanlagen mit sechs genormt, was bedeutet, dass die Luft in den Saunakammern sechsmal pro Stunde ausgetauscht wird. "Wir wissen, dass dieser Austausch ausreicht", sagt er.

Dazu im Vergleich: In schlecht belüfteten Räumen gibt es einen Luftwechsel von 0,05 bis 0,1 pro Stunde, etwa in schlecht durchlüfteten Schulräumen. Ein gut belüftetes Restaurant erreicht im Schnitt einen Luftwechsel von ein- bis zweimal pro Stunde. "In der Sauna liegt der Wert mit sechs also um ein Vielfaches höher. Man kann also sagen, dass in Thermen oder Saunaanlagen eine sehr gute Lüftungssituation vorhanden ist", erklärt er.

Ein relativ geringes Risiko attestiert der Raumluftanalytiker auch großen Opernhäusern, da dort große Volumina zur Verfügung stehen und die Menschen während der Vorstellung wenig oder leise sprechen. Tappler: "Ein singender Kirchenchor ist dagegen eines der größten Risiken überhaupt." Mittlerweile wisse man nämlich, dass Singen oder lautes Sprechen weitaus gefährlicher ist als stummes Beisammensitzen, da im Vergleich das Vier- bis Fünffache an Aerosolen ausgestoßen wird.

Für Tappler stellt sich deshalb weniger die Frage, ob Wellnessanlagen geöffnet bleiben sollen, sondern vielmehr die, warum man Saunen oder Dampfbäder schließen sollte, wenn man Restaurants oder Bars weiterhin frequentiert. "Man geht mittlerweile davon aus, dass die Ansteckung ein dosisorientierter Prozess ist", sagt er. Was bedeutet, dass man eine gewisse Dosis aufnehmen muss, um infiziert zu werden. "Geht man von diesem Dosismodell aus, dann ist ein 15-minütiger Aufenthalt in der Sauna, bei einem genormten Luftwechsel von sechs Einheiten pro Stunde (6/h) und unter Einhaltung des Abstands, irrelevant", so der Experte. (Julia Palmai, Daniela Yeoh, 16.10.2020)