Finanzminister Blümel hält am Mittwoch seine Budgetrede im Parlament. Doch halten die Zahlen?

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Als in Zahlen gegossene Reaktion auf die Corona-Krise: So will Gernot Blümel (ÖVP) sein Budget für 2021, das er am Mittwoch inklusive Finanzplanung bis 2024 vorgestellt hat, verstanden wissen. "Die budgetäre Antwort auf die Covid-Krise ist teuer, aber wir können sie uns leisten," eröffnet der Finanzminister seine Budgetrede und leitet geschmeidig zu ausgiebigem Selbstlob über: Die Regierung könne nur deshalb so viel Geld in die Hand nehmen, weil sie die Jahre davor unter türkiser Kanzlerschaft so gut gewirtschaftet habe.

Die Debatte im Nationalrat nach der Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).

Wie viel in der Zukunft fließen soll und wofür genau, findet sich auf 3.876 Seiten, die insgesamt zwölf Kilogramm wiegen. Die Eckdaten: Das Defizit soll 2021 im Vergleich zu heuer, wo der Abgang 26,8 Milliarden beziehungsweise 9,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen wird, deutlich sinken, ein großes Loch bleibt dennoch. Staatsausgaben von 97,35 Milliarden stehen Einzahlungen von 76,36 Milliarden Euro gegenüber, ergibt ein Minus von rund 21 Milliarden oder 6,3 Prozent des BIP.

Das Defizit ist eine Folge des heurigen Wirtschaftseinbruchs durch den Lockdown. Die Umsätze der Unternehmen brachen ein, viele Beschäftigte verloren den Job. Dadurch sanken die Steuereinnahmen des Staates, während die Ausgaben für immer mehr Arbeitslose stiegen. Um den Crash zu lindern, gab die Regierung Milliarden für Hilfspakete, Kurzarbeit und die Übernahme von Haftungen aus.

Geld für Arbeitslose und Umwelt

Auch im kommenden Jahr soll Geld gegen die Krise fließen, so etwa im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Für die Kurzarbeit sind im kommenden Jahr weitere 1,5 Milliarden verbucht, dazu kommen laut Aufstellung des Ministerium auf die Jahre 2020 bis 2022 gerechnet 700 Millionen Euro für Schulungen von bis zu 100.000 Arbeitslosen – die vielfach angepriesene Arbeitsstiftung. Inklusive aller laufenden Kosten wie dem Arbeitslosengeld, kommt Blümel auf nie dagewesene 29 Milliarden, die Österreich heuer und im nächsten Jahr für Arbeit und Beschäftigung reserviere und garniert die nüchternen Zahlen entgegen seinem kühlen Image mit empathischen Sätzen: "Jeder Arbeitslose ist zu viel. Dahinter stecken Einzelschicksale."

Als einen zweiten Schwerpunkt preist der Minister Investitionen in den Umweltschutz an: 263 Millionen für den Ausbau erneuerbarer Energie, 833 Millionen für Umweltförderung, 575 Millionen für das "1-2-3 Klimaticket", ein Ticket für sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich – alles gerechnet von 2021 bis 2024.

Lob und Kritik von Umweltschutzorganisationen

Umweltschutzorganisationen begrüßten die Mehrausgaben nach Blümels Rede prompt als "Schritt in die richtige Richtung", vermissen aber eine andere groß angekündigte Öko-Maßnahme. Von der ökosozialen Steuerreform, die klimaschädliches Verhalten verteuern soll, "fehlt nach wie vor jede Spur", sagt Greenpeace-Vertreter Adam Pawloff. Dabei dränge hier die Zeit, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

Überraschenderer Bereich, in den die türkis-grüne Regierung mehr Geld pumpen will: Investitionen, etwa in den Terror- und Katastrophenschutz, sowie die Stärkung der Miliz verheißen dem jahrelang darbenden Bundesheer insgesamt eine Finanzspritze von 600 Millionen Euro bis 2024. Das Innenministerium erhält bis 2022 40 Millionen für den Ausbau der Cybersicherheit. Für die Justiz bekommt 61,4 Mio. hauptsächlich für die dringend benötigte Personalaufstockung sowie für das Maßnahmenpaket gegen Hass im Netz.

Das Budget des Bildungsministeriums steigt hauptsächlich wegen der Personalkosten, mehr Geld gibt es aber auch für neue Laptops und Tablets im Zuge der "Digitalisierungsoffensive". Auch das Frauenbudget steigt. Wie von den Grünen urgiert, wird Österreich an der europäischen Zeitverwendungsstudie über die Verteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen teilnehmen.

Das größte Ausgabenplus nach dem Bereich Arbeit verbuchen im kommenden Jahr aber die Pensionen. Die Ausgaben für die Altersversorgung sollen nächstes Jahr um fast 1,7 Milliarden Euro steigen, was – wie der Budgetbericht anführt – hauptsächlich an der Pensionserhöhung über die Inflationsrate, die Neuauflage der als Hacklerregelung bekannten Frühpension sowie andere Verbesserungen für die Pensionisten liegt. Bis 2024 sollen dann noch einmal 1,9 Milliarden dazu kommen.

Blümel schließt Sparpaket aus

Dennoch soll das Defizit laut Blümels Planung in den Folgejahren kräftig sinken, sodass es im Jahr 2024 nur mehr bei 1,5 Prozent liegt. Ob das ohne Sparpaket geht? Der Finanzminister gibt sich davon überzeugt: Mit kluger Standortpolitik lasse sich das Wirtschaftswachstum so antreiben, dass die Budgetkonsolidierung ohne Einschnitte funktionieren könne.

An dieser Stelle legt Blümel, der sonst kurz und bündig referiert, Wert auf eine ideologische Klarstellung. Es sei ja immer wieder zu lesen, dass die ÖVP den üblicherweise von der Linken beanspruchten Ökonomen John Maynard Keynes für sich entdeckt habe, sagt der Minister: "Keynes hat Recht – aber nur kurzfristig." Dessen Prinzip – Schulden machen, um die Wirtschaft anzukurbeln – dürfe nur in der Notlage der Krise gelten, erläutert Blümel und schlägt sich unter Murren aus den SPÖ-Reihen auf die Seite eines neoliberalen Säulenheiligen: Langfristig habe Friedrich August von Hayek recht, denn mehr Staat lähme das Wachstum.

Unbeantwortet lässt Blümel die die Frage, wo das Geld für die teuren Pläne aus dem Regierungsprogramm herkommen soll. Nachdem die erste Steuerstufe bei der Lohn- und Einkommensteuer bereits gesenkt wurde, sollten im nächsten Schritt die Stufen zwei und drei sinken – was etwa 2,5 Milliarden kosten würde. "Die Steuersenkung wird kommen", hält Blümel am Vorhaben fest. In seinen Budgetpfad eingepreist hat er die Entlastung aber nicht: In die Planung fließe nur ein, was bereits fix beschlossen ist. Das Gleiche gilt für die Pflegereform, die Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verspricht: Auch dafür sind noch keine Mittel vorgesehen.

Genau das vermisst Christoph Badelt, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts. Das Budget bilde die Corona-Krise gut ab, sagt er, lasse jedoch keine Schwerpunkte darüber hinaus erkennen. Dass die Regierung auch im kommenden Jahr ein hohes Defizit anhäufe sei "gut und notwendig", doch es sei nicht erkennbar, wie das Defizit auf die angepeilten Marken heruntergefahren werden soll, wenn die Regierung Steuersenkung, Pflegereform & Co. tatsächlich umsetzten will.

Wackelige Rechnungen

Was die vorgelegten Zahlen darüber hinaus unsicher macht: Niemand kann wirklich abschätzen, wie sich die Corona-Pandemie und die Bekämpfung derselben in den nächsten Monaten entwickeln. Erweist sich die Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), wonach Österreichs BIP im kommenden Jahr um 4,4 Prozent wachsen wird, als zu optimistisch, ist auch die Budgetplanung obsolet. Blümel selbst räumt ein: Seine Zahlen seien ein Stück weit "weg von der Klarheit", wie sie in normalen Jahren bestehe. (Gerald John, 14.10.2020)