Wo die Kinderbetreuung gut ist, ist die Frauenarbeitslosigkeit geringer, so AMS-Wien-Chefin Petra Draxl.

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Wien – Die Corona-Pandemie schwächt die Schwächeren in der Gesellschaft – so waren hauptsächlich Frauen im Lockdown mit Homeoffice und Homeschooling zusätzlich belastet. Im Zuge der Krise haben sie auch in mehr Fällen ihren Job verloren als Männer. "In den ersten Monaten – im Jänner, Februar, März – war heuer die Männerarbeitslosigkeit höher, ab April steigt österreichweit die Frauenarbeitslosigkeit", berichtete die Leiterin des Arbeitsmarktservice (AMS) Wien, Petra Draxl, am Mittwoch.

Nur in Wien war das nicht so, da war die Männerarbeitslosigkeit höher. "Das gibt uns zu denken: Wo die Kinderbetreuung gut ist, ist die Frauenarbeitslosigkeit geringer", sagte die AMS-Wien-Chefin in der Online-Diskussionsreihe "Offensive: Arbeitsmarkt" der Arbeiterkammer.

"Die Corona-Krise zeichnet sich dadurch aus, dass die Wirtschaft in ihrer ganzen Breite getroffen wurde – auch die Dienstleister in den Bereichen IT, persönliche Dienstleistungen, im Kulturbereich und im Handel", erklärte die Ökonomin Ulrike Huemer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). In der Finanzkrise 2009 sei zuerst die männerdominierte Sachgüterproduktion getroffen worden und erst in der Folge der Dienstleistungsbereich.

Über zwei Monate unbezahlt

"Wir Frauen sind in vielen Bereichen immer schon benachteiligt gewesen – Corona hat diese Problematik noch einmal verstärkt; ich habe das Gefühl, dass uns Corona massiv zurückgeworfen hat", sagte AK-Präsidentin Renate Anderl unter Verweis auf Einkommensunterschiede, Pensionsansprüche, Aufstiegsmöglichkeiten und das Ausmaß an unbezahlter Arbeit – und auf den Equal Pay Day am 22. Oktober. "Das ist der Tag, an dem Österreichs Männer bereits so viel verdient haben, wie vollzeitbeschäftigte Frauen bis Ende Dezember verdienen. Frauen arbeiten also mehr als zwei Monate unbezahlt", betonte Anderl.

Konkret belaufe sich der Pay-Gap, also der Unterschied im Bruttostundenverdienst zwischen Frauen und Männern, auf 19,6 Prozent, sagte Huemer. Im europaweiten Vergleich sei da Österreich sehr rückschrittlich: "Das ist der dritthöchste Unterschied in der EU."

Für die heimischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wünscht sich die AK "in allen Bundesländern, nicht nur in Wien, einen Rechtsanspruch darauf, dass ich ab dem ersten Geburtstag des Kindes einen Platz für mein Kind bekomme – und zwar mit Öffnungszeiten, die an die Bedürfnisse der Eltern angepasst sind", so Anderl. Natürlich helfe es auch, wenn das Angebot gratis sei.

Höhere Väterbeteiligung

"Es geht um ein flächendeckendes, hochwertiges, kostenfreie Kinderbetreuungsangebot – nicht nur für die Kleinsten, sondern auch für die Kinder ab sechs Jahren", ergänzte Wifo-Ökonomin Huemer. In Österreich liege die Betreuungsquote der unter Dreijährigen bei nur etwa 20 Prozent, der EU-Durchschnitt hingegen bei 35 Prozent. "Bereits vor Corona waren Frauen und Männer nicht gleichgestellt am Arbeitsmarkt – der Dreh- und Angelpunkt sind die Einkommen und die Kinderbetreuung", bekräftigte Huemer.

Um da einen Ausgleich schaffen zu können, brauche es flächendeckende Kinderbetreuung, eine höhere Väterbeteiligung an der Kindererziehung und eine neue Bewertung von Arbeitszeit – zum Beispiel im Pflegebereich. Hier sollte man mit höheren Löhnen reagieren. "Die Verletzlichkeit der 24-Stunden-Betreuung ist mit Corona evident geworden", so Huemer mit Blick auf die Pflegerinnen aus Ost- und Südosteuropa, die plötzlich nicht mehr einreisen konnten.

"Wir müssen wissen, was uns Pflege wert ist", forderte Huemer. Das sei ein Zukunftsbereich, in den man mehr investieren sollte. Denn mit der zunehmenden Berufstätigkeit der Frauen werde auch die "informelle Pflege", also unbezahlte Pflege von Angehörigen, durch Frauen zurückgehen.

Für eine Angleichung der Einkommensniveaus von Frauen und Männern wäre – neben einer Anhebung der Löhne und Gehälter in frauenlastigen Berufen – ein "Ausbrechen aus traditionellen Berufsbildern" nötig. Das bedeute nicht nur, mehr Frauen in die Technik, sondern auch Männer in typische Frauenberufe zu bringen.

Digitalisierung als "Rettungsring"

Mit den entsprechenden Rahmenbedingungen – "Kinderbetreuung und dass die Schulen in den nächsten Monaten so viel wie möglich offen halten" – sieht die Vizegeneralsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), Mariana Kühnel, "Corona als Chance für die Frauen, weil ein Homeoffice eine unglaubliche Flexibilität möglich macht". "Die Digitalisierung ist der Rettungsring in Corona, aber auch eine Chance zur Transformation", meinte sie. Die Zahl der Unternehmensgründerinnen sei heuer im Juni um fünf Prozent höher gewesen als ein Jahr davor.

Doch: "Der Karrierefeind kann auch im eigenen Bett liegen", meinte Kühnel unter Verweis auf Einstellungen zu typischer Geschlechterverteilung und Rollenbildern. Denn auch die richtige Partnerwahl sei in puncto Berufstätigkeit der Frauen wesentlich. "Mit der Geburt eines Kindes findet eine Zäsur in der Erwerbsbiografie einer Frau statt", strich auch Wifo-Ökonomin Huemer hervor. (APA, 14.10.2020)