Der neue Generaldirektor der Statistik Austria, Tobias Thomas, holte sich Gutachten, um die vorgeschriebene Unabhängigkeit zu wahren.

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Wien – Die Aufregung war groß: Mitte Mai wurde publik, dass die Statistik Austria sämtliche Pressemitteilungen über neue Erkenntnisse am Vortag ihrer Veröffentlichung dem Generalsekretär im Bundeskanzleramt, Bernd Brünner, vorlegt. Die Praxis war nicht nur vollkommen neu in der 20-jährigen Geschichte der Statistik als selbstständige Organisation. Sie warf auch rechtlich heikle Fragen auf: So hat sich Österreich verpflichtet, einen europäischen Verhaltenskodex für nationale Statistikämter zu befolgen. Dort zählt es zu den obersten Prinzipien, dass sämtliche Nutzer "gleichzeitigen und gleichberechtigten" Zugang zu Daten bekommen.

Der neue fachliche Leiter der Statistik Austria, Tobias Thomas, setzte die Übermittlung aus und beauftragte einen Juristen mit der Überprüfung der Causa.

Das Rechtsgutachten von Rechtsanwalt und Verfassungsrichter Christoph Herbst ist nun da. Es bescheinigt, dass die Vorabübermittlung an ausgewählte Stellen zulässig ist, aber nur dann, wenn stichhaltige Gründe vorliegen und wenn dies öffentlich protokolliert wird. Wenn also Vorabinformationen an ein Ministerium oder an das Bundeskanzleramt notwendig sind, weil die von der Statistik erhobenen Daten dieses Ministerium oder das Kanzleramt betreffen und "insbesondere dazu dienen", eine Pressekonferenz oder eine öffentliche Stellungnahme vorzubereiten, ist dies rechtlich unproblematisch.

So heißt es im Bericht: "Sofern dies durch die Notwendigkeit der angemessenen Vorbereitung begründet werden kann, wird es unter dem Grundsatz der Unparteilichkeit folglich etwa zulässig sein, bei einer geplanten Veröffentlichung um 9 Uhr eines Tages eine Vorabübermittlung bereits um 15 Uhr des Vortages vorzunehmen."

Nicht gedeckt ist es aber, wenn es keinen inhaltlicher Konnex gibt, also kein konkreter Zweck erkennbar ist. Genau das war aber der Fall: Mehr als 30 Pressemitteilungen, also alle im fraglichen Zeitraum, wurden an das Kanzleramt übermittelt.

Für eine Übermittlung fehlt auch eine Rechtsgrundlage, dies könne nur ein freiwilliger Akt der unabhängigen Statistik sein, heißt es im Gutachten.

"Verzicht" im Kanzleramt

Die Statistik wird künftig entsprechend den Empfehlungen der gutachterlichen Stellungnahme die Vorabübermittlungen inklusive der jeweils anfragenden öffentlichen Stelle auf der Website veröffentlichen.

Das Kanzleramt ließ die APA wissen, dass man künftig auf die Vorabübermittlung, die also offenbar mit dem Kodex nicht vereinbar ist, "verzichte". (szi, 14.10.2020)