Der junge Adolf Hitler (Isabella Jeschke) versucht sich als Prinz Hamlet.

Günter Macho

Wer kennt schon Jacob Levy Moreno (1889–1974)? Dabei hat der Wiener Arzt immerhin die Soziometrie (Methode der Sozialforschung bzw. Gruppentherapie) und damit zusammenhängend das Psychodrama erfunden. Während man bei Sigmund Freud untätig auf der Couch lag, basierte der Therapieansatz Morenos auf Handlung. Mitmachen ist auch bei jenem Stück gefragt, das das Bernhard-Ensemble dem vergessenen Psychiater widmet: Die grauenvolle Entdeckung des Jacob Levy Moreno.

Grundlage des Theater- und Tanzabends im Wiener Off-Theater ist die beliebte steile These, Hitler und Stalin, die sich anno 1913 nachweislich zur selben Zeit in Wien aufhielten, hätten einander tatsächlich getroffen. Im aktuellen Stück sollen sie sich (Isabella Jeschke, Ernst Kurt Weigel) in einem der Stegreif-Workshops Morenos näher gekommen sein. Ihm war in seinen hingebungsvollen Kursen an nichts mehr als der psychischen Gesundheit der Menschen gelegen. Welch verlockender Exit für die Weltgeschichte!

Hitler als Hamlet

Moreno entwickelte eigene Raumbühnen, um seinen Patientinnen und Patienten Spielraum zur Aussöhnung mit sich selbst und den anderen zu geben. Und eine solche betritt man auch im Off-Theater, in dem das Publikum um mittig platzierte Bühnenpodeste sitzt. Dieser vielversprechende Ansatz scheitert indes an der Komplexität des Plans bzw. der zähen Erklärung seiner selbst beim Spiel.

Moreno (Kajetan Dick) moderiert als wohlmeinender Zeremonienmeister ein durch rätselhaft mechanische Tanzeinlagen zerdehntes Spiel, das sich übrigens am Figurengerüst aus Hamlet orientiert und in dem sodann auch der Geist Gottfried Sempers dem Architekturmaler Hitler, der seinerseits den Dänenprinzen geben darf, erscheint. Verdienstvoll allemal bleibt die Moreno-Entdeckung. (Margarete Affenzeller, 15.10.2020)