Das Ziel war klar: Sowohl Links als auch Soziales Österreich der Zukunft (SÖZ), die Bier-Partei und vor allem das Team HC Strache wollten nur eines – mindestens fünf Prozent der Wählerstimmen und damit in den Gemeinderat einziehen. Die vier Wien-weit angetretenen Parteien mussten aber bereits am Sonntagabend einsehen, dass es nicht gereicht hat. Bei weitem nicht. Nicht bei allen herrscht deswegen nun Trübsal. Im Gegenteil: Links, SÖZ und Bier freuen sich enorm über die kommende Arbeit auf Bezirksebene. Bei Strache sieht das anders aus.

Wer in den Bezirken stark war

Wie ging die Wahl auf Bezirksebene überhaupt aus? Die SPÖ konnte gegenüber den Bezirksvertretungswahlen 2015 etwas zulegen und kam auf 37,6 Prozent. Die FPÖ stürzte auch hier um mehr als 20 Prozentpunkte ab und landete schließlich bei 7,8 Prozent, also etwas besser als auf Gemeinderatsebene. Die ÖVP legte auch bei der Bezirkswahl kräftig zu – auf 20,1 Prozent. Und auch die Grünen verbesserten sich insgesamt: Sie erreichten bei der Bezirksvertretungswahl 18,5 Prozent.

Grafik: Standard

Spannend ist aber vor allem, wie die Kleinparteien abgeschnitten haben. Immerhin könnten viele Menschen, die mit Links, Bier oder SÖZ geliebäugelt haben, taktisch gewählt haben: Weil sie befürchteten, dass die "Kleinen" die nötigen fünf Prozent nicht schaffen, wählten sie die "Großen". Auf Bezirksebene sprechen aber auch taktische Gründe nicht gegen eine Stimme für eine Kleinpartei.

Taktisches Wählen kein Faktor

Ein Blick auf die beiden Ergebnisse zeigt aber, dass diese Überlegung für die meisten Wählerinnen und Wähler der kleineren Parteien keine Rolle gespielt hat: Tatsächlich schnitt nur Links im Bezirk mit 2,54 Prozent besser ab als bei der Gemeinderatswahl – und das auch nur minimal. Hier kam die Partei auf 2,06 Prozent. Sowohl die Bier-Partei als auch SÖZ erreichten bei beiden Wahlen das gleiche Ergebnis: 1,8 bzw. 1,2 Prozent. Das Team Strache kam in den Bezirken auf 2,82 Prozent.

Die Trennung zwischen den "Großen" und den "Kleinen" wird bei so manchem Bezirksergebnis aufgehoben. So liegt Links in Rudolfsheim-Fünfhaus beispielsweise vor den Neos. In der Josefstadt, in Wieden, Margareten und in Mariahilf liegt man vor der FPÖ. Als die Wahlkarten noch nicht ausgezählt waren, lag SÖZ in Favoriten vor den Neos – beim Endergebnis beträgt der Abstand nun aber doch ein Prozent.

SÖZ will expandieren

Spitzenkandidatin Martha Bißmann ist dennoch zufrieden mit der Wahl. Im ersten Moment sei sie ob der großen Ziele – das Einziehen in den Gemeinderat – etwas enttäuscht gewesen. Mittlerweile überwiegt aber doch die Freude bei SÖZ. Bißmann, die in Ottakring Bezirksrätin wird, spricht von einem "Achtungserfolg". SÖZ wird in Zukunft in sechs Bezirken sieben Bezirksräte stellen – in Favoriten hat man damit mit zwei Mandaten Klubstärke.

Martha Bißmann: Für die Liste Pilz im Parlament, jetzt für SÖZ im Ottakringer Gemeinderat.
Foto: APA/Jäger

Das Ziel für die Zukunft sei klar: Bekannter werden und das Profil schärfen, um bei der nächsten Gemeinderatswahl zu reüssieren. "Auch die Grünen haben einmal sehr klein begonnen. Heute sitzen sie in der Regierung", sagt Bißmann. Geringe finanzielle Mittel und eine unzureichende Berichterstattung hätten den Wahlkampf erschwert, soweit sei man bisher in der Analyse des Wahlergebnisses gekommen. "Jetzt konzentrieren wir uns voll auf die Zukunft." 400.000 Euro Parteienförderung würde SÖZ über die nächsten Jahre erhalten. Bißmann stellt ein Antreten bei der Gemeinderatswahl in Graz, die voraussichtlich 2022 stattfindet, in Aussicht.

Jubel bei Links

Bei Links ist die Freude auf jeden Fall groß. In 15 Bezirken gibt es Mandate – in sieben davon sind es mehr als eines. Das beste Ergebnis gab es im 15. Bezirk – hier wird Links gleich drei Mandate im lokalen Parlament besetzen können. Insgesamt wird Links 23 Bezirksräte stellen. Worauf man außerdem stolz ist: Links schafft somit sechs Bezirksmandate mehr als das Team Strache.

Anna Svec war Spitzenkandidatin von Links. Im Bezirksrat wird sie nicht vertreten sein.
Foto: Corn

Das Führungstrio bestehend aus Anna Svec, Angelika Adensamer und Can Gülcü zieht allerdings in keinem Bezirk ein. "Sie werden aber trotzdem eine tragende Rolle für die Zukunft der Partei spielen", sagt Bernhard Hayden, Pressesprecher von Links.

Was Klubstärke im Bezirk bedeutet

Warum SÖZ und Links so betonen, wo sich mehr als ein Mandat ausgegangen ist? Ab zwei Bezirksräten hat man Klubstärke in der Bezirksvertretung. Damit gibt es für den oder die Klubvorsitzende mehr Geld – als Bezirksrat bekommt man eine Aufwandsentschädigung von etwa 450 Euro, als Klubvorsitzende erhält man in etwa das Dreifache – sondern man kann auch an Ausschüssen teilnehmen. Einzelne Bezirksräte haben hierzu keinen Zugang. "Da geht es etwa um Bauausschüsse, wo Widmungsverfahren stattfinden. Für uns sind das sehr relevante Diskussionen", sagt Hayden. Und mit jedem Mandatar mehr gibt es natürlich mehr Parteienförderung – einen Bonus für Klubstärke gibt es aber nicht.

Gibt es auch bei Links Expansionspläne? Hayden verneint. "Natürlich gab es auch viele Gratulationen aus den Bundesländern. Aber wir konzentrieren uns jetzt auf die Arbeit hier." Im Jänner gebe es die nächste große AktivistInnenkonferenz zur langfristigen Planung. Bei der nächsten Wien-Wahl wolle man jedenfalls den Einzug schaffen. Ob bis dahin noch etwas anderes passiere, sei auch immer eine Frage der Innenpolitik. Ob es beispielsweise zu vorgezogenen Nationalratswahlen komme. Interessant könne außerdem die EU-Wahl sein, sagt der Pressesprecher.

Bier auf Personalsuche

Unerwartet groß ist der Erfolg für die Bier-Partei. Und zwar so unerwartet, dass Parteigründer und Spitzenkandidat Dominik Wlazny alias Marco Pogo nun noch Leute nachnominieren muss. Bier stehen elf Bezirksräte zu, auf der Bezirksparteiliste haben aber nur sechs Personen kandidiert:. "Mich haben schon am Montag unzählige Bewerbungen auf allen möglichen Kanälen erreicht", sagt Wlazny. Was ihm bei der Suche nach Bier-Bezirksräten wichtig sei? "Man muss meine Idee der Bierpartei verstehen und zu 100 Prozent mittragen. Man muss meine ideologischen Grundsätze ebenso teilen." Nachdem die Bier-Bezirksräte aber wahrscheinlich aus dem Freundes- bzw. Bekanntenkreis von Wlazny kommen werden, wisse er eh, dass sie seine Ansichten teilen. Nachsatz: "Ob sie gern Bier trinken, ist mir eigentlich wurst. Schockierenderweise herrscht ja ein Alkoholverbot bei den Sitzungen."

Dominik Wlazny ist Gründer und Spitzenkandidat der Bier-Partei, wo er als Marco Pogo auftritt. Er sucht noch nach Personal.
Foto: EPA/Bruna

Zwischen Simmering und der Hofburg

Wlazny selbst wird in seinem Heimatbezirk Simmering Bezirksrat. "Jetzt bin ich tatsächlich Politiker. Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe und bin wirklich gespannt, wie das wird." Stress erwartet er nicht. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man als Bezirksrat unter der Last der Arbeit einzubrechen droht." Er sei gespannt, ob er Mitstreiter aus anderen Parteien für seine Ideen gewinnen könne, sagt Wlazny. "Simmering ist ein kulturelles Mekka für mich. Aber es gibt sehr viele Dinge, die man besser machen kann", nennt er einen Themenbereich, den er angehen will.

Abseits der Arbeit als Bezirksrat hat Wlazny aber auch andere große Pläne – und zwar die Bundespräsidentschaftswahl, die voraussichtlich 2022 stattfinden wird.

Straches Zukunft noch unklar

Solche Pläne hat Heinz-Christian Strache bisher noch nicht bekanntgegeben. Er möchte stattdessen ein Magazin gründen, wie er am Dienstag dem Wochenmagazin News verriet. Seine Partei erreichte bei der Gemeinderatswahl 3,27 Prozent und verfehlte damit den angepeilten Einzug klar. Bei der Bezirksratswahl war das Ergebnis mit 2,82 Prozent noch schlechter.

Heinz-Christian Strache war sich sicher, den Einzug in den Gemeinderat zu schaffen. Dem war nicht so. Bezirksrat will er (wahrscheinlich) nicht werden.
Foto: AFP/Klamar

Was die Zukunft der Partei betrifft, war am Mittwoch vorerst Schweigen angesagt. Zwar gab es am Dienstagabend eine Vorstandssitzung, was dort alles konkret besprochen wurde, will Generalsekretär Christian Höbart aber erst am Donnerstag verraten. Er glaube jedenfalls nicht, dass die Entscheidung Straches, nicht Bezirksrat zu werden, schon in Stein gemeißelt sei, wie er der APA sagte. Die Partei werde jedenfalls weiter bestehen. (Lara Hagen, 14.10.2020)