Darstellung des Totengotts Mictlantecuhtli in der Azteken-Ausstellung des Weltmuseums.

Foto: KHM-Museumsverband

Darstellung der aztekischen Maisgöttin im Weltmuseum, Nachbildung in Keramik. Den Maisgott verehrten auch die Maya.

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Nicht transportfähig, aber noch immer oft genannt bei mexikanischen Forderungen nach Rückgaben: der Quetzalfeder-Kopfschmuck im Weltmuseum. Er ist der einzig gut erhaltene seiner Art und aus dem 16. Jahrhundert.

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Multimedial inszenierte Nachbildung des bekannten aztekischen Sonnensteins.

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Einblick in die Maya-Ausstellung des Urgeschichte-Museums Mamuz.

Mamuz

Skulpturale Darstellung eines Jaguars, jener Raubkatze, die die Maya wie einen Gott verehrten.

Mamuz

Vor genau 500 Jahren wüteten in Mittelamerika neuartige Seuchen, die letztlich Millionen dahinraffen sollten. 1519 war der spanische Konquistador Hernán Cortés, der unter der Flagge des späteren Habsburgerkaisers Karl V. segelte, in der "neuen Welt" eingetroffen. Mitgebracht hatte man nicht nur Gewehre, Schießpulver und christliche Missionare, sondern auch Krankheiten wie Grippe und Typhus. Von den eingeborenen Azteken und Maya, die auf dem Gebiet des heutigen Mexiko und Guatemala lebten, war Cortés zunächst freundlich empfangen worden. Doch die Gier nach Gold und Landnahme führte zum Völkermord.

Die Kultur der Maya war bei Ankunft der Europäer bereits im Untergehen begriffen, das mächtige Reich der Azteken mit seinem König Moctezuma II. unterwarfen die Spanier nach Kämpfen binnen zwei Jahren. 1520 war Moctezuma tot, die gigantische Hauptstadt Tenochtitlan – mit 200.000 Einwohnern eine der größten der damaligen Zeit – wurde zerstört und als Zentrum "Neuspaniens" nach europäischen Vorstellungen neu aufgebaut.

Die Azteken, die sich selbst Mexica nannten, errichteten Tenochtitlan mit seinem heiligen Bezirk um den Templo Mayor auf mehreren kleinen Inseln als eine Art überdimensioniertes Venedig. Im heutigen Mexiko-Stadt ist davon nur noch wenig zu sehen.

Einblick in Wirtschaft, Politik, Religion und Alltagskultur

So viel kritische Kolonialgeschichte muss natürlich miterzählt werden, wenn heute in Österreich gleich zwei Ausstellungen über die einstigen Hochkulturen Mesoamerikas zu sehen sind, die keineswegs nur an der ästhetischen Oberfläche kratzen, sondern eine Gesamtbetrachtung vom Wirtschaftssystem über Politik und Religion bis zur Alltagskultur liefern wollen: Im Urgeschichte-Museum Mamuz in Mistelbach läuft eine Maya-Schau seit Juni, im Wiener Weltmuseum wurde jetzt eine große Ausstellung über die Azteken eröffnet.

Beide sind in Kooperation mit europäischen Museen und Einrichtungen aus Mexiko und Guatemala als Wanderausstellungen konzipiert, in beiden finden sich an die 200 Objekte aus verschiedensten Sammlungen, darunter auch Stücke aus dem Weltmuseum selbst. Diese waren im 19. Jahrhundert nach Österreich gelangt, als sich Kaiser Franz Josephs Bruder Maximilian als mexikanischer Marionettenherrscher von Frankreichs Gnaden angedient hatte, ehe er erschossen wurde.

"Penacho" bleibt an Ort und Stelle auch im Museum

Der Federkopfschmuck Penacho mit den grün schimmernden Federn des bei den Azteken heiligen Quetzal-Vogels kam schon im 16. Jahrhundert nach Europa. Als letztes erhaltenes Objekt seiner Art ist es die Ikone des Weltmuseums schlechthin, und seit Jahrzehnten wird sie von Mexikanern, die im Museum übrigens freien Eintritt haben, als Federkrone Moctezumas verehrt. Historisch ist das nicht belegt, eine Rückgabe oder auch nur Leihgabe wollen viele dennoch weiterhin.

Zur Eröffnung der Schau twitterte etwa der mexikanische Präsident, dass man um eine Leihgabe für 2021 bitte. Im Kulturministerium wird das zwar geprüft, aber schon 2012 stellten Wissenschafter aus Österreich und Mexiko fest, dass der Penacho nicht transportfähig sei. Für die Sonderausstellung hat man sich nun nicht einmal getraut, das Objekt vom ersten Stock ins Erdgeschoß zu verlegen.

Obwohl im Mamuz wie im Weltmuseum viele Originale gezeigt werden, wird deutlich, dass auch mit Nachbildungen ein erhebendes Ausstellungerlebnis möglich ist: egal ob es sich um eine Statue der Maisgöttin (nur eine von tausenden Gottheiten) oder einen effektvoll multimedial inszenierten Sonnenstein handelt.

Ballspiel, Monogamie und Alkoholverbot

Erst im Vergleich der Ausstellungen zeigt sich auch, wie stark sich die beiden Kulturen beeinflussten. Sie waren Meister der Medizin und Mathematik, verehrten ähnliche Götter, hatten komplexe Kalender- und Schriftsysteme, pflegten einen Mannschaftssport, bei dem ein acht Kilo schwerer Gummiball mit der Hüfte (!) gespielt werden musste, und opferten in Massen: Objekte, Tiere, ja auch Menschen, vermutlich Kriegsgefangene, aber seltener, als es die Spanier überlieferten.

Die Konquistadoren bauschten diese Hinrichtungen auf, um ihre eigenen Untaten zu legitimieren. Während in Europa Hexenprozesse geführt wurden, sahen die christlichen Eiferer auch in Übersee überall Dämonen am Werk. Sie zerstörten Statuen und Steinreliefs, die in ihrer fein verschnörkelten Formgebung der europäischen Gotik um nichts nachstanden. Und sie töteten gezielt Schriftgelehrte.

In manchem aber waren die Azteken selbst päpstlicher als der Papst: Ehen wurden streng monogam geschlossen, bei Untreue wurden beide Partner zu Tode gesteinigt und gemeinsam begraben. Bei Todesstrafe verboten war auch Alkohol, erst im reifen Alter von 60 durfte man sich an Agavenbier und Co erfreuen. (Stefan Weiss, 14.10.2020)