Die US-Präsidentschaftskandidaten 2020.

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"Wenn Trump gewinnt, gehe ich in die Pampa", ließ ein in New York stationierter Uno-Beamter dieser Tage seine europäische Verwandtschaft wissen. Noch vier Jahre dieser Präsidentschaft hielte er nicht aus. Er ist nicht der Einzige, der überlegt, sofern er die Möglichkeit dazu hat, die USA in diesem Fall zu verlassen. Das einst meistbewunderte Land der Welt hat in den letzten Jahren weltweit gewaltig an Ansehen eingebüßt.

Laut Umfragen sehen heute in Großbritannien, trotz dessen "special relationship" mit den USA, nur 41 Prozent der Bewohner die Vereinigten Staaten positiv. Der niedrigste Wert seit Menschengedenken. In Frankreich sind es noch um zehn Prozent weniger. Und in Deutschland haben gerade noch 26 Prozent eine positive Meinung vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In Österreich dürfte es nicht viel anders sein.

Das ist ein tiefer Fall. Für die Generation, die im Kindesalter noch die Nazi-Epoche erlebt hat, war die Begegnung mit Amerika und den Amerikanern in der Nachkriegszeit ein einschneidendes Erlebnis. Ich sah zum ersten Mal "Amis" in einem von der US Army betriebenen Flüchtlingslager und war sofort begeistert. Kein Herumgebrülle, sondern Freundlichkeit, Vernunft und Humor.

Lügende Weltmacht

Später das US Information Center in Wien, gleich neben dem Hotel Sacher, mit seiner Bibliothek und seinen frei zugänglichen Zeitungen und Zeitschriften, von der New York Times bis zum New Yorker und der New York Review of Books. Für eine junge Österreicherin der erste Anschauungsunterricht darüber, was unabhängiger Journalismus sein kann. Und noch später die ersten Besuche im aufregenden und pulsierenden New York und die ersten Reisen durch die scheinbar unendlichen Weiten des amerikanischen Kontinents.

Demokratie haben die Österreicher zuallererst von den Amerikanern gelernt.

Heute, im Trump-Zeitalter, erlebt die staunende Mitwelt einen Präsidenten, der unverfroren lügt, eine Weltmacht, die ihre Rolle nicht mehr zu spielen weiß, eine Demokratie, einst ein "Leuchtturm" für alle, die viele US-Bürger in ernster Gefahr sehen.

Und sie erwartet eine Präsidentenwahl, von der niemand weiß, ob sie korrekt ablaufen oder "gestohlen" wird und möglicherweise zum Chaos führt. Pessimisten halten bürgerkriegsartige Zusammenstöße nach der Wahl nicht für ausgeschlossen, nachdem der Präsident rassistische weiße Milizen ermutigt hat, sich "bereit zu halten", und gefordert hat, den demokratisch regierten Bundesstaat Michigan zu "befreien". Eine dieser Milizen hat denn auch den Versuch gemacht, die dortige Gouverneurin zu entführen und einen Bürgerkrieg zu entfesseln.

Unerschütterlicher Optimismus

Freilich, eine der charakteristischsten Eigenschaften der US-Amerikaner ist ihr unerschütterlicher Optimismus. Die amerikanische Demokratie hat tiefe Wurzeln, sie hat eine starke Zivilgesellschaft und unvergessliche Vorbildfiguren, von Abraham Lincoln bis zu Barack Obama. Wenige Wochen vor der nächsten Präsidentschaftswahl ist es nicht vermessen, zu hoffen, dass die Präsidentschaft von Donald Trump in der amerikanischen Geschichte nur eine Episode darstellen wird.

"Unser" Amerika lebt. Aber es ist in Gefahr. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 15.10.2020)