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Der Berliner Bürgermeister Michael Müller, Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder verkünden die neuen Regeln.

Foto: Reuters / Stephanie Loos

Das Coronavirus breitet sich in Deutschland weiter aus. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstag mit 6.638 so viele Neuinfektionen binnen eines Tages wie noch nie seit dem Ausbruch der Pandemie. Bisher wurde der höchste Wert mit 6.294 Fällen am 28. März erfasst. Weitere 33 Menschen sind nach Angaben des RKI an oder mit dem Virus gestorben. Deutschland verzeichnet demnach insgesamt 9.710 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer verständigten sich am Mittwoch auf einheitliche Regeln für Städte und Regionen mit hohen Infektionszahlen. Dazu gehören eine Ausweitung der Maskenpflicht, eine Begrenzung der Gästezahl bei privaten Feiern, Kontaktbeschränkungen und eine Sperrstunde für die Gastronomie.

Schärfere Maßnahmen erlassen

In Städten und Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen soll die Maskenpflicht erweitert werden. Sie soll ab 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in einer Woche auch überall da gelten, wo Menschen dichter beziehungsweise länger zusammenkommen. Was private Feiern betrifft, soll es in Regionen mit einem Wert über 35 Neuinfektionen eine Begrenzung der Teilnehmer geben. Ab 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche sollen private Feiern auf maximal zehn Teilnehmer im öffentlichen Raum sowie auf höchstens zehn Teilnehmer aus höchstens zwei Haushalten im privaten Raum begrenzt werden.

Übersteigen die Neuinfektionen den 50er Wert, dürfen sich künftig nur noch maximal zehn Personen im öffentlichen Raum treffen. Sollten die neuen Maßnahmen den Anstieg nicht zum Stillstand bringen, wird dies auf bis zu fünf Personen oder die Angehörigen zweier Haushalte verringert. Ebenfalls bei 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche soll eine Sperrstunde um 23.00 Uhr für die Gastronomie verhängt werden. Bars und Clubs sollen geschlossen werden. Die Zahl der Teilnehmer bei Veranstaltungen wird dann auf 100 Personen begrenzt.

Umstrittenes Beherbergungsverbot

Die Beherbergungsverbote für Urlauber aus innerdeutschen Risikogebieten waren vor den Beratungen am umstrittensten. Bund und Länder fanden auch im Kanzleramt keine Einigung und vertagten das Thema erst einmal bis zum 8. November. Bis dahin soll diese Maßnahme auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Bund und Länder forderten aber eindringlich alle Bürger auf, nicht erforderliche innerdeutsche Reisen in Gebiete hinein und aus Gebieten heraus zu vermeiden, die die Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage übersteigen.

Die meisten Bundesländer hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen.

Merkel mit neuen Regeln nicht zufrieden

Bund und Länder schließen noch härtere Maßnahmen nicht aus, wenn sich die Infektionslage in den kommenden zehn bis zwölf Tagen nicht bessert. Merkel zeigte sich in den Beratungen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur mit den Beschlüssen unzufrieden. "Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden", sagte die CDU-Politikerin nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern. "Es reicht einfach nicht, was wir hier machen."

Nach der Sitzung betonte Merkel, ob die Beschlüsse reichen oder nicht, werde man sehen. "Deshalb ist meine Unruhe mit dem heutigen Tag noch nicht weg." Beunruhigt sei sie vom exponentiellen Anstieg der Infektionen. "Den müssen wir stoppen. Sonst wird es in kein gutes Ende führen." Merkel machte deutlich, dass sich ihre Unzufriedenheit vor allem auf die umstrittenen Beherbergungsverbote bezieht.

Spahn sieht Weihnachten gefährdet

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn sagte im Deutschlandfunk: "Wir haben es gemeinsam selbst in der Hand." Den Bürgern müsse klar sein, dass sie heute entscheiden, ob Weihnachten in gewohnter Form stattfinden könne.

Kanzleramtsminister Helge Braun bezeichnete die Vereinbarungen als wichtigen Schritt. "Aber sie werden nicht ausreichen", unterstrich er. Braun sprach von einer "enormen Infektionsdynamik". Deutschland stehe am Beginn einer "sehr großen zweiten Welle", sagte er in der ARD. Nun komme es auf die Bevölkerung an, so Braun. Die Deutschen müssten "sehr viel vorsichtiger" werden. Im Grunde müssten nun alle Kontakte halbiert werden, um die Pandemie einzudämmen. "Im Grundsatz ist eigentlich, was wir sagen müssten: Bleiben Sie zu Hause – so wie wir es im März/April hatten. Jetzt ist nicht die Zeit für Reisen." (APA, 15.10.2020)