Im Windschatten der Wiener Rathauswahl gab Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) unlängst via "Krone" bekannt, dass sie kommende Woche hohen Besuch aus Indonesien erwarte: Prabowo Subianto, Militärchef des autoritär geführten Inselstaates höchstpersönlich, wolle mit ihr in ernsthafte Gespräche über einen Verkauf der rot-weiß-roten Eurofighter eintreten, berichtete das größte Kleinformat des Landes, und: Wie der Verteidigungschef, übrigens Schwiegersohn des einst langjährigen Präsidenten Suharto, in einem Schreiben betonte, sei Indonesien gerade dabei, Verteidigungsausrüstung anzuschaffen – um sein Land und seine Bürger bestmöglich schützen zu können.

Türkis-Grün will die Eurofighter loswerden, allen voran Heeresministerin Tanner – doch ist es tatsächlich völlig egal, an wen? In Indonesien dokumentieren Menschenrechtler bis heute Durchgriffe gegen Kritiker, die es wagen, an den Obrigkeiten zu rütteln. Hiesige Experten mahnen Verantwortung ein.
Foto: APA / Bundesheer / Pusch

Nur wenige Stunden später begrüßten die Grünen ausdrücklich Tanners Engagement. Deren Verteidigungssprecher David Stögmüller erklärte: Das Ziel müsse sein, die hohe Betriebskosten verschlingenden Eurofighter, rund um deren Beschaffung sich bis heute Korruptionsvorwürfe auftäten, "so rasch wie möglich loszuwerden".

Auch neue Flotte kostet

Doch nicht nur für einen Eurofighter-Deal mit Jakarta bräuchte es zuvor die ausdrückliche Zustimmung aller vier Herstellerländer, also von Deutschland, Italien, Großbritannien und Spanien, plus den Sanktus der USA – weil in den Abfangjägern militärisch hochsensible Komponenten eingebaut sind. Deshalb schüttelt man beim Bundesheer wieder einmal die Köpfe – wegen Tanners jüngster Kapriole.

Der Tenor hinter vorgehaltener Hand lautet: Wenn Türkis-Grün nicht einmal für die Nachbeschaffung der veralteten Saab 105 Geld lockermachen konnte – welche Unkosten kämen erst bei einem Verkauf der ungeliebten Eurofighter auf die Republik zu? Zwischen 600 Millionen bis zu einer Milliarde Euro müssen dann für eine neue Abfangjägerflotte hingeblättert werden, lauten inoffizielle Schätzungen.

Haftstrafen für Demo

Damit nicht genug, tun sich bei einem Rüstungshandel mit Indonesien moralische Fragen auf: denn Amnesty International dokumentiert dort bis heute regelmäßig Menschenrechtsverletzungen, vor allem gegen Aktivisten, die es wagen, Obrigkeiten anzuzweifeln. Auf Anfrage hält man im Österreich-Büro von Amnesty zur aktuellen Lage vor Ort fest: "Die Regierung geht wiederholt gegen kritische Stimmen und Menschenrechtsverteidiger/innen vor und verletzt die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit."

Ein brisantes Beispiel dafür sei Robertus Robet, der 2019 verhaftet wurde – allein weil er ein militärkritisches Lied angestimmt habe. "Sieben papuanische Aktivist/inn/en" wiederum seien erst "im Juni zu Haftstrafen zwischen zehn und elf Monaten wegen Rebellion verurteilt" worden. Ihr Vergehen: Sie hatten im August 2019 eine Anti-Rassismus-Demo organisiert. Amnesty fordert daher deren bedingungslose Freilassung.

Auch die Situation von Geflüchteten gelte in der Region als "besorgniserregend": Mehrere hundert Rohingya treiben seit Wochen oder Monaten auf See, nachdem sie aus dem nördlichen Rakhine in Myanmar geflohen sind, so Amnesty Österreich – weil das Militär gewaltsam gegen sie vorgegangen ist. Die Regierungen in der Region berufen sich auf die Covid-19-Pandemie, um ihnen die Erlaubnis zu verweigern, an Land zu gehen. Bisher stemmen zivilgesellschaftliche Initiativen die Seenotrettung. Die NGO appelliert daher auch hier an die Verantwortung der indonesischen Regierung, in Einklang mit internationalem Recht Such- und Rettungseinsätze zu koordinieren.

Ethische Probleme

Steht es angesichts solcher Vorkommnisse Österreich gut an, dorthin seine verhassten Eurofighter zu verscherbeln? Sowohl der Salzburger Völkerrechtler Michael Geistlinger als auch der Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer bestätigen, dass die Republik zwar ihre Abfangjäger im Einklang mit dem hiesigen Kriegsmaterialgesetz an Indonesien überstellen könne. Denn als Neutraler dürfe Österreich bloß keine Gebiete mit Waffengerät beliefern, in denen "ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstige gefährliche Spannungen bestehen".

Auch "schwere und wiederholte Menschenrechtsverletzungen" können im Fall von Indonesien schwer geltend gemacht werden – weil durch den Verkauf der Eurofighter ja kaum Gefahr besteht, dass diese just zur Unterdrückung von Menschenrechten eingesetzt werden.

Aber Geistlinger gibt schon zu bedenken: "Auch wenn völkerrechtlich kein Problem besteht, kommt auf Politiker, die solche Verträge tätigen, eine ethische Verantwortung zu." Er regt an: "Wie wäre es, wenn man sich bemüht, unter anderen Staaten das Interesse an den Eurofightern auszuloten, in denen es keine Probleme wie in Indonesien gibt?" Experte Mayer wiederum macht auf Paragraf 5, Absatz 2 des Kriegsmaterialgesetzes aufmerksam: Für einen Eurofighter-Deal mit Jakarta sei letztlich "die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich".

Bedeutet: Dafür bräuchte es nicht nur den Segen von Tanner allein, sondern der gesamten türkis-grünen Riege – und somit auch von Kogler, Zadić & Co. (Nina Weißensteiner, 15.10.2020)