Drei Siege in drei Länderspielen sprechen eigentlich eine deutliche Sprache. ÖFB-Teamchef Franco Foda und sein Team dürften alles richtig gemacht haben. Dabei ist es im Fußball wie im Leben: Es gibt Licht und Schatten.

DER STANDARD

Licht:

Christoph Baumgartner:

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Christoph Baumgartner hat überzeugt.
Foto: AP/Dobre

Der hellste Stern am Himmel des vergangenen ÖFB-Lehrgangs ist gerade einmal 21 Jahre alt, lernte das Kicken beim SV Horn, steht bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag und wurde vom "Kicker" zu einem der besten offensiven Mittelfeldspieler der vergangenen deutschen Bundesligasaison gewählt. Bei den drei Länderspielen überzeugte Baumgartner mit Tempo, Übersicht, einer famosen Technik und den richtigen Entscheidungen. Die vergebenen Großchancen gegen Nordirland und der Lattenfetzer in Rumänien könnten Unkenrufe nach mangelnder Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor provozieren, sind aber ob der offensiven Impulse einfach wurscht. Man hat vielmehr das Gefühl, dass sogar noch Luft nach oben ist.

Michael Gregoritsch:

Michael Gregoritsch kämpft. Gegen Vorurteile, Abschätzungen, Mutmaßungen und manchmal ein bisschen gegen das Spielsystem. Der Sohn des U-21-Teamchefs Werner ist Stoßstürmer und Speerspitze, der Mann, der vorne verwerten soll, was ihm geliefert wird. Wenn er wenig bekommt, steht er wie ein Kellner da, dem die Küche statt einem Schnitzerl ein ödes Wurstbrot aufs Tablett legt. Und trotzdem: Gregoritsch erzielte das Siegestor gegen Nordirland, assistierte gegen Griechenland und zeigte im schnellen Gegenstoß seine Qualitäten als Puzzlestein im Spielaufbau. Hätte ein zweites Schnitzerl bei seinem Lattenschuss in Rumänien verdient.

Pavao Pervan:

Gut, Goalies leuchten meistens dann, wenn sie Spiele gewinnen, also mit Paraden Gegentore verhindern. Wolfsburg-Legionär Pervan musste das nicht, sowohl Griechenland als auch Rumänien und vor allem Nordirland scheiterten im Offensiven zumeist schon an den eigenen Kapazitäten oder an der österreichischen Verteidigung. Schlussmann Pervan hatte nicht rasend viel zu tun, spielte zweimal (gegen Nordirland und Rumänien) zu null. Aufgefallen ist aber Pervans Spielaufbau: Gegen Nordirland war er, weit aufgerückt, quasi Ausgangspunkt für den Siegestreffer, und auch sonst bevorzugt der 32-Jährige den geordneten Pass gegenüber dem klassischen, hohen Ausputzer ins Mittelfeld.

Gregoritsch und Hinteregger haben überzeugt.
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Martin Hinteregger:

Österreichs bester Defensivspieler hat seinen Status bestätigt. Die Ungläubigkeit bei der verhältnismäßig frühen Auswechslung gegen Rumänien zeugt von seinem Faible, für das Nationalteam (durch-)zu spielen. Hinteregger kann vieles, hat defensiv Körper und Stellungsspiel und zeigt vor allem im Aufbau eine gute Passqualität. Dass seine öffnenden Diagonalpässe fast immer perfekt aufs Pratzerl des gegenüberliegenden Außenspielers kommen, ist Zeugnis seiner Qualitäten mit dem Ball. So muss ein Verteidiger 2020 auftreten.

Die vermeintlich zweite Reihe:

Man soll Generationen ja nicht vergleichen, kann man aber. Beim Lehrgang fehlten viele Spieler, die wohl eigentlich zum Stamm zählen: Marko Arnautovic, Alexander Schlager, Marcel Sabitzer, Konrad Laimer, Valentino Lazaro, Andreas Ulmer. Man kann also schon von einem zweiten Anzug sprechen, der da für die drei Spiele aus dem Schrank geholt wurde. Und der durchaus sitzt, das Spielermaterial ist unbestritten da. Hätte Josef Hickersberger bei der EM 2008 ... – aber lassen wir das.

Schatten:

Das defensive Mittelfeld

Julian Baumgartlinger und Stefan Ilsanker haben ihren Job gemacht. "Zerstörung des gegnerischen Spiels" klingt wilder, als es gemeint ist – und dennoch sind beide Spieler eher auf der destruktiven, also defensiven Seite der Medaille zu Hause. Das dürfte auch Fodas Gedanke hinter der Aufstellung sein. Demnach fehlt aber vor allem ein geregelter, schneller und kreativer Spielaufbau über die Mitte, das ÖFB-Team verließ sich vor allem auf die starken Außenspieler. Zentral kam wenig, der fließende Übergang von der Defensive zu den Offensivspielern funktionierte selten. Immer wieder musste Hinteregger den scharfen Pass in die Spitze spielen, während die Mittelfeldspieler gefühlt selbst im eigenen Aufbauspiel die Gegner zudeckten.

Der Teamchef geht eher nicht bei Rot über die Straße.
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Mut des Teamchefs:

Man weiß nicht, ob sich Franco Foda in einem vermeintlich heimlichen Moment schon einmal mutig bei Rot über die Ampel gestohlen hat. Oder ob er schon einmal schwarzgefahren ist. Jedenfalls verfestigt sich der Eindruck, dass der Teamchef kein Mann des großen Wagnisses ist. No risk heißt in seinem Fall auch recht wenig fun. Die zweite Halbzeit gegen Nordirland war trotz der Führung gegen einen schwachen Gegner ein Graus. Gegen Rumänien fand man die ersten 20 Minuten nur schwer ins Spiel, systematische Reaktionen soll es immerhin zur Pause gegeben haben. Die Nations League ist Foda offensichtlich wichtig, große Experimente, personeller Natur oder im System wurden nur minutiös eingebracht. Sei's drum: Der Erfolg gibt ihm recht, drei Siege sind drei Siege sind drei Siege.

Der Spielplan:

"Let's fetz", dürften sich Uefa und ÖFB gedacht haben. Drei Länderspiele, acht Tage, viele Kilometer. Proteste, dass der moderne Fußballkalender die Kicker an die Belastungsgrenze treibt, gibt es nicht nur seit der Einführung der Nations League. Es sind geschäftige Zeiten für Fußballprofis, denen das Jetset-Leben nur wenige Momente für Leerläufe, also Regeneration erlaubt. Und ja: Eine Pandemie gibt es auch noch. (Andreas Hagenauer, 15.10.2020)