Schwarzer Bus für blaue Politiker: Im Wahlkampf 2017 war vieles möglich.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Wien – Wie bei den Freiheitlichen in der türkis-blauen Regierung Aufsichtsratsmandate vergeben wurden, dazu gewährt der elektronische Chatverkehr des früheren Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache tiefe Einblicke. Besonders dienstbar gemacht hat sich diesbezüglich Siegfried Stieglitz.

Der oberösterreichische Unternehmer spendete nicht nur 20.000 Euro (in mehreren Tranchen) an den FPÖ-nahen Verein Austria in Motion, sondern machte sich auch mit einer Sachzuwendung dienstbar: Er stellte den Blauen im Wahlkampf 2017 den längsten Autobus aller wahlwerbenden Parteien zur Verfügung, der alle Stückerl spielte – und wurde vom späteren Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) 2018 prompt an die Spitze des Asfinag-Aufsichtsrats gehievt.

Wiewohl die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft laut dem Nachrichtenmagazin "Profil" anhand der Chats davon ausgeht, dass der Reisebus nicht gegen Entgelt zur Verfügung gestellt wurde: Strache scheint die Entsendung Stieglitz' an Schaltstellen in staatsnahen Betrieben ein Herzensanliegen gewesen zu sein.

"Volle Wertschätzung"

Denn er schrieb am 14. Februar 2019 an Hofer: "Hast Du mit Sigi gesprochen wegen ÖBB-Holding. Er hat aufgrund unserer Zusage fix damit gerechnet (...) Du weißt, wie wichtig Dein und mein Wort für den Sigi ist. Er vertraut Dir und mir zu 100 % und bringt uns seine volle Wertschätzung entgegen und das muss auch so bleiben. Es wurde ihm fix zugesagt, dass er den AR in der ÖBB Holding bekommt."

Fairness lautete nicht der FPÖ-Slogan. Bei Posten für Blaue war Heinz-Christian Strache auf Fairness durch den Koalitionspartner erpicht.
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Hofer, der gerade in Japan weilte, beschied nach kurzem Hin und Her: "Ich habe nicht den letzten Stand. Gilbert (Trattner; Anm.) wollte eine andere Lösung statt Holding. Ich habe auf Wunsch verwiesen. (...) Vorsitzender des Aufsichtsrats der Holding ist Gilbert." Strache, augenscheinlich misstrauisch, weil Personalia von dem der oberösterreichischen FPÖ verbundenen Arnold Schiefer orchestriert wurden, der seinerseits rasch nach der Regierungsbildung den Aufsichtsratsvorsitz in der ÖBB-Holding von Brigitte Ederer (SPÖ) übernommen hatte, wies tags darauf einen seiner Mitarbeiter an: "Achtung!!!! Zuerst mit mir die Liste durchgehen ..." Er müsse schauen, "ob da meine Leute auch drauf sind!".

"Alles andere wäre Provokation"

Als der damalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) Mitte Februar 2019 mit Strache über "AR-Besetzungen bei Beteiligungen" sprechen wollte, verlangte der Vizekanzler von einem seiner Mitarbeiter "unsere AR-Listen". Unter Verweis auf eine "Vereinbarung" warf er Löger vor, von der FPÖ nominierte Kandidaten zu langsam in ihre Positionen zu hieven. "Am Nachmittag reden Schiefer und Schmitt sowieso. Die haben für beide Parteien eine Vereinbarung fixiert. Beide haben bereits für ÖBIB/ÖBAG-neu vereinbart, dass wenn Schmitt AR-Vorsitzender ist dann alle AR-Neubesetzungen sofort – nämlich 2019 – erfolgen ... vor der HV im April vom Verbund, Post, OMV, BIG, etc! Alles andere wäre ein Provokation. Wir haben umgekehrt bei der ÖBB, Asfinag, Donau etc alle eure 30 AR sofort umgesetzt ... in euren Ressort warten wir bis heute ... auch Telekom!"

Löger quittierte diesen Rüffel mit dem Hinweis, dass er mit seinem Generalsekretär Thomas Schmid reden werde, der im Februar 2019 als Alleinvorstand in der Staatsholding Öbag installiert wurde.

ÖBB-Postbus statt OMV

Asfinag-Präsident Stieglitz war, das erschließt sich aus Straches Chats, ein Mandat beim Energieversorger Verbund zugedacht. Der Strache-Unterstützer spitzte allerdings auf ein Mandat im OMV-Aufsichtsrat. Aus beidem wurde nichts, und statt des Sitzes im ÖBB-Holding-Aufsichtsrat – Schiefer wechselte Mitte 2018 in den ÖBB-Vorstand – bot ihm Schiefers Nachfolger Gilbert Trattner (einst für die FPÖ im Nationalrat, dann ÖBB-Manager) lediglich den wenig prestigeträchtigen Sitz im Aufsichtsrat des ÖBB-Postbus. In den OMV-Aufsichtsrat kam im Mai 2019 übrigens Gilbert Trattners Tochter Cathrine Trattner.

Mit dem Ibiza-Video Ende Mai 2019 waren all diese Chancen und Möglichkeiten ebenso perdu wie der Plan, die frühere EU-Abgeordnete Barbara Kappel abzumontieren. Sie suchte Strache mit einem Geschäftsführerposten in einer der zahlreichen ÖBB-Gesellschaften von einer Kandidatur auf der FPÖ-Liste zur Europawahl abbringen, was insofern nicht gelang, als Kappel auf derartige Angebote nicht einstieg.

"Haben den Längsten"

Auf Straches "Fairness-Tour" bekam der Wahlkampftour-Bus (mit Küchenzeile, Nasszelle, Lounge-Bestuhlung und blauer Beleuchtung), den die FPÖ vorgegeben hatte gemietet zu haben, sehr zum Ärger von Stieglitz einige Kratzer ab. Er war der Stolz der Truppe, mit 14,30 Metern Länge sogar länger als das Wahlmobil von ÖVP-Chef Sebastian Kurz. "Ein "geiles Teil", das Generalsekretär Harald Vilimsky nach der Wahl zum "Gang-Bang-Bus" machen wollte, wie er offenherzig anregte. (ung, red, 15.10.2020)


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