Bildungsminister Heinz Faßmann sorgt vor: Sollten zu viele Lehrkräfte wegen Corona nicht einsatzfähig sein, könnten Studierende übernehmen.

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Wien – Offiziell ist Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) stets optimistisch und gibt den Kalmierer. Seine Kernbotschaft lautet seit Monaten: Kinder und Jugendliche spielen beim Infektionsgeschehen während der Corona-Pandemie eine nachrangige Rolle. Die Schulen müssen folglich offen gehalten werden, der Unterricht solle so "normal" wie möglich ablaufen.

Ganz überzeugt scheint man aber auch im Bildungsressort nicht, dass diese Position in den kommenden Wochen und Monaten durchzuhalten sein wird. Steigende Infektionszahlen (Stand Freitagfrüh: 60.764, davon etwas mehr als 6.000 Männer und rund 5.000 Frauen zwischen 15 und 24 Jahren) und regional verschärfte Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung tun das Ihre dazu. Erst am Donnerstag, als die Salzburger Landesregierung die Oberstufenklassen in neun Schulbezirken ins Homeschooling schickte, rückte der Bildungsminister mit einer Klarstellung aus: In einem Schreiben an die Bildungsdirektionen wies Faßmann darauf hin, dass die Umstellung auf Distance-Learning nur die letzte von drei Optionen sei, wenn die Schulampel wie in Salzburg auf Orange springt.

Klassen in zwei Gruppen einteilen

Auch der Unterricht im Schichtbetrieb solle wieder ins Auge gefasst werden, heißt es im Schreiben des Ministeriums, und man wünscht sich sogar, dass "schon in Vorbereitung auf die Ampelfarbe Orange" alle Klassen "in zwei (annähernd) große Gruppen" geteilt werden. Weiters schlägt der Minister vor, einzelne Kinder und Jugendliche oder Teile von Klassen (insbesondere Einstiegs- und Abschlussklassen) zumindest teilweise an die Schulen zu holen – etwa für fachpraktischen Unterricht oder zur Prüfungsvorbereitung.

Mit Stand 15. Oktober waren laut Ministerium 1.400 Schülerinnen und Schüler von insgesamt rund 1,1 Millionen in Quarantäne. Auch 200 von etwa 123.000 Lehrkräften sind aktuell Corona-bedingt nicht in den Klassen. Bisher sei die Pandemie an den Schulen also gut zu bewältigen, so die Botschaft.

Vorbereitungsarbeiten

Seit geraumer Zeit werden hinter den Kulissen aber sehr wohl Vorbereitungen getroffen, falls sich die Lage zuspitzt. In einem Schreiben an alle lehrerbildenden Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen sowie sämtliche Bildungsdirektionen bittet das Ministerium für den Fall von "Lehrpersonalengpässen" um Unterstützung: "Im besonderen Falle, dass sich diese Kontingente erschöpfen und für Ersatz im Unterricht und Aufsicht durch im Krankenstand oder Quarantäne befindliche Lehrpersonen gesorgt werden muss", heißt es in dem Schreiben vom 5. Oktober, das dem STANDARD vorliegt, suche man Lehramtsstudierende für den "Praxiseinsatz an den Schulen für Unterricht und/oder Aufsicht".

Ziel sei es, einen Pool an potenziellen Einsatzkräften zur Verfügung zu haben, die von den Bildungsdirektionen "im Bedarfsfall" per Sondervertrag angestellt werden können. Bevorzugt werden Masterstudierende sowie jene, die bereits in den zweiwöchigen Sommerschulen Ende August erste Erfahrungen gesammelt haben.

DER STANDARD hat beim Ministerium nachgefragt, wie viele Studierende bereits an den Schulen im Einsatz sind und wie groß der Pool an Freiwilligen ist – eine detaillierte Antwort ist noch ausständig. Vorab heißt es, dass in Vorarlberg bereits an einem Standort auf Studierende zurückgegriffen wurde. Auch Pensionisten wolle man für die Aufgabe gewinnen.

Angespannte Personalsituation

Auch Pflichtschullehrergewerkschafter Paul Kimberger (FCG) berichtet dem STANDARD, dass "die Ausfälle bei den Lehrkräften steigen". Er sagt: "Wir hatten schon bisher eine angespannte Personalsituation, jetzt wird diese durch Corona noch einmal verschärft."

Kimberger will den Schichtbetrieb am liebsten zum neuen, Corona-bedingten Normal machen. Die Arbeit in Kleingruppen berge enorme pädagogische Vorteile, insbesondere wenn es jetzt mehr denn je gelte, die Kinder und Jugendlichen individuell zu fördern. Ob das im täglichen Wechselspiel, wie von Faßmann angeregt, ablaufen soll? Das sei eine Frage, die vor Ort am besten eingeschätzt werden kann, findet Kimberger, allerdings dürfe es nicht mehr dazu kommen, dass Eltern mit Kindern an verschiedenen Schulstandorten hier unterschiedliche Abläufe zu bewältigen haben.

SPÖ vermisst Hausverstand

SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid reagiert auf diese Idee der Gewerkschaft ablehnend: "Ein klares Nein zu einem generellen Wechsel auf den Schichtbetrieb." Auch der Plan des Ministeriums, Studierende und Pensionisten vorübergehend für die Arbeit in den Klassen zu gewinnen, stößt bei den Roten auf wenig Begeisterung. "Mit vorausschauendem Planen und Hausverstand" wäre der Corona-bedingte Mangel an Lehrkräften zu vermeiden gewesen, sagt Hammerschmid – etwa durch "engmaschige Testungen". Kommende Woche will die SPÖ einen Antrag im Unterrichtsausschuss des Nationalrats einbringen, mit dem der Bund verpflichtet werden soll, zusätzliche Kontingente für Ersatzlehrkräfte zur Verfügung zu stellen. Pensionistinnen und Pensionisten, "die ja oftmals Teil der Risikogruppe sind", sollten jedenfalls nicht die erste Wahl sein, findet Hammerschmid. (Peter Mayr, Karin Riss, 15.10.2020)