Ein Leben auf dem Land? Wie sich das anfühlt, hat ein Paar aus Wien unlängst in der Oststeiermark ausprobiert.

Foto: Sarah Raiser

Genau 613 Einwohner hat die Gemeinde Reingers im nördlichen Waldviertel, und bald sind es um zwei mehr. Was zunächst nicht nach viel klingt, ist für die Abwanderungsregion ein großer Erfolg. Denn der Ort kämpft um Bevölkerungszuwachs, zuletzt gemeinsam mit der Initiative zuHaus im Waldviertel. Sie bewirbt die Gemeinde auf allen möglichen Kanälen, im Gegenzug erhält das zur Initiative gehörende Maklerunternehmen den Auftrag, leerstehende Häuser im Ort zu vermitteln.

"Die zwei neuen Bewohner kommen aus Oberösterreich und wollten ins Waldviertel ziehen, durch unsere Werbung haben sie Reingers gefunden", erzählt Bürgermeister Andreas Kozar (ÖVP) erfreut. Zuzügler unterstützt die Initiative zuHaus im Waldviertel, in Absprache mit der Gemeinde, mit einem sogenannten Start-Guide, also einer einheimischen Person, die den Neuankömmlingen in den ersten Monaten mit Rat und Tat zur Seite steht, ihnen das Ortsleben und die Bräuche zeigt, erklärt Peter Keller von der Initiative und fügt hinzu, dass auf diese Weise in den vergangenen Jahren schon einige Zuzüge ins Waldviertel erfolgreich begleitet wurden.

Landleben testen

Mit 4414 Einwohnern hat die Gemeinde Passail in der Oststeiermark zwar weit mehr Einwohnerinnen und Einwohner als Reingers, aber auch sie kämpft mit Abwanderung. Um neue Bürgerinnen und Bürger anzulocken, hat das Regionalmarketing Oststeiermark sich daher eine Aktion einfallen lassen. Per Gewinnspiel konnten sich potenzielle Zuzügler für ein kostenloses Probewohnen in fünf steirischen Orten bewerben, neun Paare und Familien verbringen dort jeweils drei Nächte.

Zwei von ihnen waren Carmen Lässig und ihr Mann, die aktuell noch in Wien leben. "Wir überlegen schon länger, in die Steiermark zu ziehen. Uns fehlt einfach das Grün in der Stadt, und ein eigener Garten. Jetzt, wo wir beide mit dem Studium fertig sind, wollen wir raus aufs Land", erzählt Lässig und sieht die Vorteile in der Region darin, dass sie "nicht so weit weg von Graz liegt – was beruflich hilfreich sein könnte –, aber dennoch die Vorteile des Landlebens bietet."

Zur Probe wohnen

Die besten Voraussetzungen also, sich die Gegend einmal genauer anzuschauen, und zwar nicht nur im Urlaub. Und so haben Lässig und ihr Mann über ein langes Wochenende in der Gemeinde Passail in der Oststeiermark zur Probe gewohnt. Von einer Ortsführung mit der Bürgermeisterin über eine Tour mit dem gemeindeeigenen E-Auto bis zu einer Wanderung auf die Sommeralm war alles dabei. "Wir hatten das Gefühl, dass man sehr offen ist für neue Bewohnerinnen und Bewohner, alle haben sich furchtbar bemüht", erzählt Lässig.

Kein Wunder. "Aktuell können wir den Bevölkerungsstand gerade so halten, aber in Zukunft wollen wir Zuzug", sagt Bürgermeisterin Eva Karrer (SPÖ). Auch in der Gemeinde Passail gibt es für Neuankömmlinge einen Ansprechpartner, der individuell weiterhilft, etwa bei der Suche nach einer Wohnung oder einem Grundstück, nach Jobs, einer Kinderkrippe, einer Tagesmutter oder einer Schule. Im November kommt die nächste Familie nach Passail und testet, ob das Landleben etwas für sie ist.

Ob Lässig und ihr Mann sich schon entschieden haben? "Ich bin neugierig", so Bürgermeisterin Karrer, und Carmen Lässig sagt: "Passail kommt definitiv infrage, es hängt aber davon ab, wo wir ein Grundstück finden, das uns gut gefällt. In die Steiermark kommen wir aber so bald wie möglich." (Bernadette Redl, 17.10.2020)