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Laut WHO-Studie zeigt Remdesivir keine Wirkung gegen Covid-19.

Foto: AP / Zsolt Czegledi

Genf – Das Medikament Remdesivir des US-Biotechkonzerns Gilead hat nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) keinen substanziellen Einfluss auf die Genesung von Covid-19-Patienten. In den breit angelegten Studien mit dem Namen "Solidarity Trials" sei die Wirkung von vier unterschiedlichen Medikamenten – neben Remdesivir die Malaria-Arznei Hydroxychloroquin, das HIV-Medikament Lopinavir/Ritonavir sowie der Wirkstoff Interferon – an mehr als 11.200 Patienten in über 30 Ländern getestet worden. Die Studie ist bisher nur als Vorab-Version auf dem Preprint-Server medRxiv veröffentlicht und wurde noch nicht begutachtet.

Demnach hätten die Medikamente nur einen geringen oder keinen Einfluss auf die Sterblichkeit oder die Länge des Krankenhausaufenthalts der Patienten gezeigt, teilte die WHO mit. Remdesivir ist eines der ersten Medikamente, das zur Behandlung von Corona-Patienten eingesetzt wurde. Auch US-Präsident Donald Trump erhielt es kürzlich nach seiner Infektion.

Widersprüchliche Studien

Die Ergebnisse der WHO-Studie stehen im Kontrast zu einer US-Studie mit 1.062 Patienten, die Anfang des Monats im renommierten "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde. Danach verkürzte Remdesivir die Genesungszeit von Covid-19-Patienten um fünf Tage im Vergleich zu Erkrankten, die die Arznei nicht bekamen. In dieser Studie verstarben in der Remdesivir-Gruppe 6,7 Prozent der Patienten, in der Placebo-Gruppe 11,4 Prozent. Der Unterschied war allerdings statistisch nicht signifikant.

Die Ergebnisse der WHO stünden im Widerspruch zu Studien, die den klinischen Nutzen von Remdesivir belegten, erklärte das Unternehmen Gilead: "Wir sind besorgt, dass die Daten dieser globalen Studie nicht der strengen Überprüfung unterzogen wurden, die erforderlich ist, um eine konstruktive wissenschaftliche Diskussion zu ermöglichen, insbesondere angesichts der Einschränkungen des Studiendesigns."

"Die bisher veröffentlichten Studien zu Remdesivir zeigen eine klinische Wirksamkeit (raschere klinische Besserung, vor allem bei schwer Erkrankten), aber keinen signifikanten Unterschied in der Mortalität zwischen einer Remdesivir-Therapie und einer Behandlung mit Placebo", sagt Bernd Salzberger, Infektiologe am Universitätsklinikum Regensburg. Er vermutet, dass die Anwendung von Remdesivir sich durch die Studie der WHO nicht rasch ändern wird, denn "eine klinische Wirksamkeit ist vorhanden, hier zeigen alle bisherigen Studien immerhin in die gleiche Richtung: eine raschere Verbesserung des klinischen Zustands", so Salzberger weiter.

Bedingte Zulassung in Europa

Die Chef-Wissenschaftlerin der WHO, Soumya Swaminathan, hatte diese Woche erklärt, dass bereits im Juni die Versuche mit Hydroxychloroquin und Lopinavir/Ritonavir gestoppt wurden, da sie wirkungslos waren.

Remdesivir hatte im Mai von der US-Gesundheitsbehörde FDA eine Notfallgenehmigung erhalten und wurde seitdem auch in anderen Ländern zur Behandlung von Covid-19-Patienten erlaubt. Auch in Europa hatte es eine bedingte Zulassung erhalten. Gilead hat das Medikament ursprünglich zur Behandlung von Erkrankungen durch die Viren Ebola, Marburg, Mers und Sars entwickelt.

Und was bedeutet das nun für den klinischen Alltag? Die Studie sollte nicht zu dem Schluss führen, "dass Remdesivir keinerlei Effekt auf die Erkrankung hat und deshalb in der Klinik nicht mehr angewendet werden", sagt Gerd Fätkenheuer, Infektiologe von der Uniklinik Köln. In beiden Studien finde sich ein deutlicher Trend hin zu einem verbesserten Überleben mit Remdesivir in der Gruppe von Patienten, die zwar eine Sauerstoffunterstützung benötigen, die aber noch nicht künstlich beatmet werden müssen. Fätkenheuer empfiehlt, nicht von der bisherigen Praxis abzuweichen, solange keine besseren Medikamente zur Verfügung stehen. "Das bedeutet, dass ich Remdesivir derzeit weiter bei diesen Patienten einsetzen würde – zusammen mit Cortisonpräparaten, für die ein Überlebensvorteil gezeigt wurde." (red, APA, 16.10.2020)