Sängerin und Texterin Sophie Löw von Culk: "Deine Nicht-Worte führen mich in die Ohnmacht."

Foto: Sophie Löw

Du verdrängst mich / Und du verkennst mich / Ich verrenne mich an dunkle Orte / Du kennst keine Worte für mich / Und die du für mich hast / Führen mich weit weg von Einfluss und Macht." Und: "Deine Nicht-Worte führen mich in die Ohnmacht."

Eine verhallte, leicht angezerrte Gitarre schleppt sich im zwar nicht wirklich konkret werdenden, aber durchaus feministisch deutbaren Lied Dichterin der jungen österreichischen Band Culk mühsam im dichten Bühnennebel Richtung frühe 1980er-Jahre. Die Gitarre trifft in der Folge auf dem neuen Album Zerstreuen über euch (Siluh Records) auf traurige alte Gesellen wie Robert Smith und The Cure.

Trauermarschduktus

Diese entdeckten damals nach ihren fast beschwingten Anfängen mit nordafrikanischer Strandlektüre von Albert Camus (Killing An Arab) für das Album Pornography, dass man auch mit einer endogenen Depression (oder auf langsam machenden Drogen) noch halbwegs tanzen kann. Wenn man sich bemüht. Ansonsten ging man es halt im Vergleich noch ein wenig langsamer an und bewegte sich im Trauermarschduktus zu den Klängen der späten Joy Division oder der frühen New Order.

Siluh Records

Was ältere Menschen schon seit Jahrzehnten befürchten: Die frühen 1980er-Jahre hören niemals auf. Da kann auch das derzeit dazwischengeschobene ironische Revival von Eurodance und Eurotrash aus den 1990er-Jahren mit Captain Jack, Ace of Base oder Dr. Alban nichts ändern. Anfang der 1980er-Jahre waren die Menschen nicht nur gern traurig und hörten ziselierte Moll-Akkorde und regenverhangene Lieder. Auch die etwas weniger traurigen Kollegen von damaligen zwar stilistisch unterschiedlichen, aber grundsätzlich gitarrenlastigen Bands wie The Smiths, Echo & the Bunnymen und ich glaube, wir hatten The Cure oder Siouxsie and the Banshees noch nicht, vertraten eine Form der akustisch einnehmenden milden Lebensmüdigkeit. Dieser im Wesentlichen bestens durchdeklinierte Sound weiß vor allem das urbane studentische Milieu seitdem alle paar Jahre wieder zu begeistern.

Siluh Records

Sophie Löw und ihre junge Wiener Band Culk begeistern deshalb nicht nur eine Generation von Hörern und Hörerinnen, für die das alte Zeug biografisch bedingt Neuland aus dem Plattenschrank der Eltern bedeutet – beziehungsweise die eventuell auch von neueren artverwandten Bands wie Stella Sommer und ihren formidablen Hamburger Trauerweiden Die Heiterkeit angetan sind: "Hier kommt die Kälte!" Der ältere Hörer, der sich mit fortschreitender Lebensdauer gern bestätigen lässt, dass früher alles mindestens besser gewesen ist, hat auch einiges von diesem gerade allerorten abgefeierten Album. Ist doch schön, wenn man sich nicht durch Neues verstören lassen muss.

Distanziert und "kalt"

Die Kunststudentin Sophie Löw, die zu ihren Liedern auch gern dementsprechend verwaschene und an den Rändern ausfransende Videos produziert, singt dazu mit etwas resignativer, distanzierter und "kalter" Stimme (um ein in den frühen 1980er-Jahren beliebtes Adjektiv zu verwenden): "Manche Lieder klingen am schönsten in ihrer Abstraktion / Gepfiffen und nicht begriffen den Sinn / Wir hören deine Lieder von innen erklingen / Großes Gedenken, wir denken an dich." (Christian Schachinger, 17.10.2020)