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Die Maskenpflicht wird vermutlich auf öffentliche Plätze ausgeweitet.

Foto: REUTERS

Wäre da nicht das Nieselwetter, man könnte sich in den März zurückversetzt fühlen: Kaum ein Tag vergeht ohne Corona-Rekordzahlen. Ein ganzes Land fragt sich erneut: Was erwartet uns vor diesem Hintergrund?

In einer Sache sind sich der grüne und der türkise Teil der Bundesregierung einig: Es muss etwas passieren. Doch was Tonalität und Tempo angeht, gibt es Differenzen. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist der Meinung, die Länder bräuchten striktere Vorgaben. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) setzt auf sein Softie-Image, er will erst bitten und loben, ehe den Länderchefs Maßnahmen aufgezwungen werden.

Apelle von Kurz und Anschober

Anschober appellierte am Freitag erneut an alle: "Wir benötigen wieder eine Team-Stimmung in der Bevölkerung wie im Frühling", und merkte mit Sorge an, dass Infektionen sich in den Privatbereich verschieben würden. Auch der Kanzler bemühte am Freitag mit drastischen Worten den Frühling, um klarzumachen, dass es fünf vor zwölf ist: Es brauche "den Zusammenhalt des Frühjahrs, der unser Erfolgsfaktor bei der Abwehr der ersten Welle war."

Die Bundesländer lud Kurz für Montag zu einer Videokonferenz. Dort sollen nächste Schritte besprochen, neue Maßnahmen gesetzt werden. Das gemeinsame Ziel: Herbst und Winter möglichst unbeschadet durchzustehen. Dass es da zwischen Bund und Ländern Auffassungsunterschiede gibt, liegt auf der Hand, bei den Grünen bezeichnet man das gar als "Familienzwist": In der Regel geraten Kurz und die schwarzen Landeschefs aneinander.

Neue Maßnahmen

Was genau kommt, weiß man nicht, am Freitag war – unüblicherweise – keine Pressekonferenz der Regierung angesetzt. Doch genug drang bereits an die Öffentlichkeit.

Etwa, was die Maskenpflicht angeht. Die soll auf öffentliche Plätze ausgeweitet werden, vor allem in der Stadt. Ohnehin bereits angekündigt hat Anschober, dass Visiere nicht mehr als Ersatz für Masken gelten werden. Eine radikale Einschränkung von Veranstaltungen steht ebenso zur Diskussion wie eine Vorverlegung der Sperrstunde und eine flächendeckende Registrierungspflicht in Lokalen.

Worum es nun geht, sind Dimension und Zeitpunkt. Da will die Regierung erst abwarten, wie die Bundesländer mit Rot-Schaltungen der Corona-Ampel umgehen. Tirol, Oberösterreich und Salzburg präsentierten teils drastische Verschärfungen.

Die Ampel-Karte nach der letzten Schaltung.
Grafik: Der Standard

Die Rekonstruktion von 24 Stunden Corona-Politik

Donnerstag war Ampel-Tag. Wie üblich ahnten einige Verantwortliche in bestimmten Gegenden schon, dass sie schlecht wegkommen würden. Für neun Bezirke steht eine Rotschaltung an, sickerte vorab durch, treffen sollte es schlussendlich nur vier.

Schon zu Mittag verkündete Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) massive Verschärfungen: Ein Ort in Quarantäne, das gab es lange nicht mehr, auch im restlichen Bundesland wurden strengere Regeln verhängt (siehe unten).

Am frühen Abend zog Tirol nach. In einer eilig anberaumten Pressekonferenz verkündete Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) weitere Einschnitte in das Leben Tirols.

Um 18.37 Uhr war klar, dass von der Ampel-Kommission nur vier Bezirke rot eingefärbt werden: der Salzburger Tennengau (Bezirk Hallein), Wels (Oberösterreich), Innsbruck und Innsbruck Land (Tirol). Niederösterreich soll sich mit Händen und Füßen gegen eine Rotschaltung von St. Pölten gewehrt haben. Das Argument: Vergangene Woche war St. Pölten orange – auch da wurde schon über Rot debattiert –, und man habe sich seither verbessert. Rohrbach, St. Johann im Pongau, Imst und Schwaz blieben gerade noch verschont.

Kurz nach 22 Uhr stellte Anschober in der ZiB 2 klar, dass weitere Verschärfungen der bundesweiten Maßnahmen in Planung sind. Er betonte allerdings: Ein weiterer Lockdown sei nicht geplant.

Am Freitagmorgen stieg vielerorts der Frust. Warum Hallein, aber nicht St. Pölten? Und für manche Länder besonders kränkend: Warum ist Wien noch orange? Dort liegt die Antwort auf der Hand: Die Bundesregierung hat sich in ihrer Kritik so auf die Hauptstadt versteift, dass inzwischen alle glauben, Wien sei der Sündenpfuhl.

Fest steht: Die Experten der Ampel-Kommission haben in ihrem offiziellen Vorschlag Wien noch nie rot einfärben wollen. In der Hauptstadt gehen die Zahlen außerdem zurück. Salzburg und Tirol liegen in der Sieben-Tage-Inzidenz – Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche – vor Wien.

Im Laufe des Vormittags murrten die betroffenen Regionen immer lauter. Es gebe zu viele Unklarheiten, meinte etwa der Bürgermeister von Kuchl, Thomas Freylinger (ÖVP). Der Welser Bürgermeister, Andreas Rabl (FPÖ), forderte einen "raschen Strategie wechsel der Bundesregierung" und sagte dem STANDARD: "Es ist kein Feuer am Dach, kein Grund zur Panik."

Zu Mittag sprach in einer Pressekonferenz Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) von Maßnahmen, die er noch in der Schublade liegen habe, Maßnahmen, die "Sozialkontakte weiter einschränken". Eine Ausgangssperre wollte er künftig auch nicht ausschließen.

Etwa zeitgleich kam eine weitere Meldung: St. Veit, eigentlich orange auf der Ampel, verringert die erlaubte Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen. Und Oberösterreich – immerhin auch von der Rot-Schaltung betroffen? Da wurde, wie erwartet, die Registrierung in der Gastronomie beschlossen.

Ab Samstag, kommt es allerdings auch zu Lockerungen – zumindest, was Einreisen betrifft. Da tritt eine neue Verordnung in Kraft, in der Teile von Kroatien und Bulgarien nicht mehr als Risikogebiete definiert werden. (Lara Hagen, David Krutzler, Katharina Mittelstaedt, Markus Rohrhofer, Gabriele Scherndl, Michael Völker, 16.10.2020)