Die Ermittlungen fördern immer noch Erstaunliches zutage. Commerzialbankchef Pucher und seine Kollegin K. redeten jahrelang nicht miteinander – erst Anfang 2020 wieder, als die Prüfer vor der Tür standen.

Foto: matthias cremer

Die Liste der Beschuldigten in der Causa Commerzialbank Mattersburg wird immer länger – die Liste der sonderbaren Vorkommnisse und Zustände im burgenländischen Geldinstitut ebenso.

So ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nun auch gegen unbekannte Täter in der Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA; sie ist ja für die Beaufsichtigung der Bank zuständig. 2015 schon hatte sich, wie berichtet, ein Whistleblower bei WKStA, FMA und Finanzamt Eisenstadt gemeldet. Die Vor-Ort-Prüfer der Notenbank (OeNB) fanden aber trotz recht genauer Hinweise zu Fake-Konten und Bargeldtransaktionen von Bankchef Martin Pucher nichts.

Sparbücher abgeräumt

Allerdings wurden nicht nur Kreditkonten gefälscht, auch Guthaben von echten Sparbüchern haben Pucher und seine Kollegin K. in den "nicht realen Geldkreislauf" (K.) der Bank eingespeist. Ein Beispiel gefällig? Ein Aufsichtsratsmitglied hatte 280 (sic) anonyme Sparbücher, allesamt Anfang der 1990er-Jahre eröffnet. Nach seinem Tod meldete sich seine Frau, um fünf der Sparbücher aufzulösen. Einen Teil des Geldes nahm sie in bar mit, der Rest sollte später auf ihr Konto überwiesen werden, in Summe ging es um 30.000 Euro.

Allerdings fehlen derzeit insgesamt 1,6 Millionen Euro, denn: Die Banker haben im Lauf der Jahre 5000 Euro je Sparbuch behoben – das sagte K. jüngst aus. Derzeit seien noch 271 dieser Sparbücher "mit entsprechenden Fehlständen in Umlauf". Die 30.000 Euro für die aufgelösten Bücher habe sie von ihrem eigenen Geld genommen: Sie habe Pucher gebeten, das Geld aus dem "Geldkreislauf" zur Verfügung zu stellen, er habe das nicht getan.

Banker redeten nicht

Das Verhältnis zwischen den beiden Bankmanagern war damals, im Juni 2019, bereits sehr unterkühlt. Vor Puchers Erkankung sei das viel besser gewesen, geradezu liebevoll, sagte eine Zeugin aus, sie habe den Eindruck, K. habe den Vorstandschef "irgendwie verehrt". Das ändert sich dann: Von 2017 bis Anfang des heurigen Jahres, als sich erneut die Vor-Ort-Prüfer ansagten, verkehrten K. und Pucher nur noch schriftlich.

Pucher arbeitete zudem von zu Hause aus. Ein ziemlicher Aufwand: Die Post wurde ihm täglich per Chauffeur gebracht, dringende Unterlagen fotografierte das Sekretariat und schickte das dem Chef per Whatsapp oder SMS, die Rückantwort erfolgte auf demselben Weg. Vorstandssitzungen hatte es ja, wie berichtet, schon früher nicht gegeben; aber auch die Aufsichtsratssitzungen wurden eher unorthodox abgehalten.

Das Protokoll führte der Chef selbst, "Hinweise auf Wortmeldungen" fanden sich darin nicht, so eine Zeugin. Der Kreditausschuss soll nie getagt haben, seine Mitglieder habe sie jedenfalls nie in der Bank gesehen. Protokolle darüber gab es aber schon, wenngleich der Text auf den immer drei Seiten stets der gleiche gewesen sei.

Geschenke für Notenbanker

Sehr großzügig sei er aber gewesen, Pucher, "das Alphatier", wie eine Ex-Bankerin ihn beschrieb. Mitarbeiter, die das Haus verließen, wurden bestens abgefertigt. Neben seinem Fußballklub SV Mattersburg sponserte die Bank einen Jetski-Fahrer, einen Beachvolleyballspieler, die HAK Mattersburg, ein Kindersportprojekt, einen Tennisplatz. Kunden und Würdenträger bekamen Goldplättchen und VIP-Karten für SVM-Spiele. Die Karten bezahlte Pucher mit Mitteln aus seiner Bargeld-Schreibtischlade im Büro. Puchers Blumensträuße kosteten oft 200 Euro, erinnert sich eine Ex-Bankerin, sie seien so schwer gewesen, dass man sie nicht habe halten können. Auf den "Weihnachtslisten" fänden sich übrigens laut einer anderen Zeugin auch (ehemalige) Mitarbeiter der OeNB.

Wobei das auf Unterlagen gestützte Gedächtnis der Banker recht weit zurückreicht. Bei einem Match bei der Fußball-EM 2008 seien auch zwei Bankenprüfer der OeNB Gäste der Commerzialbank gewesen.

(Renate Graber, 17.10.2020)